DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Samstag, 26.07.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Klischee-Mord und weitere Untaten

Parktheater: Udo Wachtveitl und Konsorten machten Bayern alle

Von Frank Heindl

Dass der bayerische Marsch ganz zu Anfang irgendwie nicht ganz echt klang, ließ Schlimmes ahnen. Erwin Rehling hieb in doppelter Geschwindigkeit auf seine Drums ein, als gelte es, ihn so schnell wie möglich zu erledigen. Allerdings dauerte es dann doch kurzweiligste zwei Stunden, bis ein paar bayerische Mythen aufs Heftigste zerfleddert waren. Der verfremdete Marsch war nur ein harmloses Intro für die mit „Lesung“ deutlich zu karg beschriebene Performance für zwei Vorleser und drei Musiker, die Udo Wachtveitl und Konsorten unter dem Titel „Mörderisches Bayern“ im Parktheater zeigten.

Woran liegt’s, dass dieser Abend – das schon mal gleich vorweg – so rundum hervorragend war? Das gelungene Ergebnis lässt sich kaum an einzelnen Akteuren festmachen. Grundlage allerdings sind Robert Hültners bravouröse Inspektor-Kajetan-Romane, denen man in diesem Zusammenhang eigentlich einen eigenen Artikel widmen müsste. Mit „Lokalkolorit“ ist höchstens phrasenhaft umschrieben, wie eindringlich, sarkastisch und höchst pessimistisch sich der Autor aus Inzell mit der Geschichte seiner Heimat befasst. Seinen Inspektor lässt Hültner in der Zeit vor und nach der bayerischen Revolution, also den Zehner- und Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, eine „Karriere“ in umgekehrter Richtung machen: Weil er Zustände ermittelt, die der herrschenden Kaste zuwider sind, landet er ganz unten, in der Gosse, und schließlich sogar dort, wohin er früher seine Delinquenten gerne hinbeförderte: im Knast. Nur dass dort nun andere Regeln gelten: Kajetan, irrtümlich verhaftet, wird brutal verprügelt und muss seinen Glauben an die bayerische Justiz begraben.

Das und noch viel mehr bringen zwei Schauspieler auf die Bühne des Parktheaters: Hans Kriss liest die zusammenfassenden Zwischentexte, klärt auf, an welchem Ort und in welcher Zeit man sich befindet. Udo Wachtveitl, als Tatortkommissar mit Mord und Totschlag bestens vertraut, liest aus den (aufeinander aufbauenden) Kajetan-Romanen. Und Wachtveitl ist ein großartiger Vorleser: Ohne zu übertreiben gibt er jeder Person ihren unverwechselbaren Charakter, dem zögerlichen Dorfpolizisten, der – gaaanz langsam! – einen Brief an seine Schwester formuliert, ebenso wie der frechen Häuslerin in der armen Münchner Vorstadt. Wachtveitl beherrscht das bayerische Fluchen genauso perfekt wie den berlinerisch geprägten Anbiederungsjargon eines preußischen Barons. Gruselig, wie man hier, in der Hetze gegen die bayerische Revolution, den Faschismus heranziehen hört, wie da einer vor dem Blutvergießen warnt, das er gerade mit aller Energie selbst initiiert. Doch Hültner beschreibt auch gewitzte Menschen, die dem Appell ans verquaste Bayerntum ihre bodenständige Intelligenz entgegensetzen: Den Wachtmeister etwa, der den heimattümelnden Baron als entmündigten Ausländer enttarnt. Nur: Laut sagen darf man so etwas zu der Zeit schon nicht mehr. Höchstens ganz im Stillen kann man raus finden, wer hier den meisten Dreck am Stecken hat. Und dabei entdecken, dass ein paar ganz normale Morde nur die Spitze eines Berges von Untaten sind.

Historischer Irrsinn und intellektuelle Renitenz

Den Widerspruch zwischen historischem Irrsinn und intellektueller Renitenz bringen drei rundum bewundernswerte Musiker auf die Bühne: Andreas Koll hat eine Musik geschrieben, die es, wie Wachtveitl sagt, sehr erfolgreich zu verbergen vermag, dass sie komponiert ist. In schrägen und schrägsten Einwürfen konstruieren und dekonstruieren, kommentieren und ergänzen diese Klänge das Romangeschehen aufs Grauslig-Lustigste. Koll selbst kann fröhliche Weisen zelebrieren auf seinem Akkordeon – und dazu so entsetzlich grölen, dass einem die Bierseligkeit schnell wieder vergeht. Sebastiano Tramontana holt dazu die seltsamsten, verschrobensten Klänge aus seiner Posaune, nutzt sein Blech auch mal über länger Zeit nur, um darin und da hindurch geräuschvoll ein- und auszuatmen. Und Erwin Rehling legt unter und über das Ganze eine Perkussion von erlesener Unkonventionalität. Alle drei können überraschend dämlich schauen, auf der Bühne Fliegen fangen, mit kindischem Vergnügen einen abfahrenden Zug imitieren. Kurzum, sie bieten eine Comedy-Performance, die aus ganz anderen Gründen ebenso gruselig ist wie Hültners Text: Weil sie in so krassem Gegensatz zu diesem steht, weil sie in heftiger Ablehnung der geschilderten Zustände diese nicht ernst nimmt. Wir hören, sehen und empfinden den so schrecklich verzweifelten wie schrecklich vergeblichen Kampf wehrloser Clowns gegen die präfaschistische Menschenverachtung. Und erfahren – mal wieder – warum Lachen und Weinen so nah beieinander liegt.

Das Klischee „Marsch“ war schon in den ersten Sekunden ermordet worden. Die Klischees vom schönen Bayern und der gemütlichen, alten Zeit abzumurksen, dauerte etwas länger – ein schöner, ein so mörderischer wie vergnüglicher Abend!

» www.robert-hueltner.de

» www.moerderisches-bayern.de


gesamten Beitrag lesen »



Nichtraucherschutz: Volksbegehren geht in die heiße Phase

Am kommenden Donnerstag, dem 19. November, beginnt die 14-tägige Eintragungsphase zum Volksbegehren "Für echten Nichtraucherschutz". Mindestens zehn Prozent der bayerischen Wahlberechtigten müssen sich in diesen zwei Wochen in die Unterstützungslisten des Volksbegehrens eintragen, wenn es im nächsten Jahr zu einem Volksentscheid in dieser Frage kommen soll. Inhaltlich geht es um die Wiedereinführung des Nichtraucherschutzgesetzes, in der bereits praktizierten strengen Version, die der Landtag im Jahr 2007 mit einer Mehrheit von 84 [...]

gesamten Beitrag lesen »



Städtische Altenhilfe soll zukunftsfähig werden

In einem gemeinsamen Schreiben an den Oberbürgermeister haben die Fraktionen von Pro Augsburg und CSU am Mittwoch die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beantragt, die den Eigenbetrieb Altenhilfe Augsburg zukunftsfähig gestalten soll. In der aus Vertretern der Politik, Werksleitung und Finanzverwaltung bestehenden Arbeitsgruppe sollen nach den Vorstellungen der beiden Fraktionen grundsätzliche Fragen, Zukunftsstrategien und Zielsetzungen für den Altenhilfebetrieb erörtert und Vorschläge zur Konsolidierung verabschiedet werden. Aufgabe der Altenhilfe ist es, zeitgerechte, bedarfsorientierte und angemessene [...]

gesamten Beitrag lesen »



Pro Augsburg gibt Doppik nicht auf

Die Fraktion von Pro Augsburg zeigte sich gestern verschnupft über öffentliche Äusserungen von OB Kurt Gribl, die Einführung der Doppik um mehrere Jahre verschieben zu wollen. Im Vorfeld habe es keinerlei Abstimmung zu diesem Thema gegeben. Zurzeit wird die städtische Buchführung nach dem System der Kameralistik praktiziert. In der Kameralistik werden kassenwirksame Einnahmen und Ausgaben betrachtet, allerdings nicht im betriebswirtschaftlichen, sondern im planwirtschaftlichen Sinn. Mittelfristig soll das System deshalb durch das [...]

gesamten Beitrag lesen »



Mixa: Kreuz-Urteil ist „Missachtung der Kultur Europas“

Der Bischof von Augsburg Dr. Walter Mixa hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kritisiert, wonach das obligatorische Kreuz in italienischen Schulen die Klägerin in ihren Menschenrechten verletze. Mixa nannte das Urteil „eine Missachtung der europäischen Kultur und eine Verachtung der Menschenrechte durch die Straßburger Richter“. Das Kreuz sei das grundlegendste Symbol der europäischen […]

gesamten Beitrag lesen »



Vermögenshaushalt 2010: Stadtspitze stellt Zahlen vor

An der Gestaltung eines ausgeglichenen Haushalts 2010 arbeitet die Stadtregierung schon seit April 2009. Damals war eine Haushaltssperre erlassen worden, um finanzielle Spielräume zu sichern. Gestern stellten Oberbürgermeister Kurt Gribl und Finanzreferent Hermann Weber die wichtigsten Zahlen des nächsten Vermögenshaushalts vor. 45 nicht hausgemachte Millionen seien zu verdauen gewesen, Rückgänge bei den Einnahmen und erhöhte […]

gesamten Beitrag lesen »



Die Wurzeln lagen nah beisammen

Das Ensemble Sarband spielte Musik aus drei Kulturkreisen Von Frank Heindl Brücken zwischen den Kulturen will Veranstalter Hansi Ruile mit seinem „Festival der 1000 Töne“ schlagen. Da lag es nahe, für die Eröffnung der Konzerreihe im Goldenen Saal das Ensemble Sarband mit seinem Programm „Sacred Bridges“ auszuwählen. Am vergangenen Freitag schlugen die fünf Sarband-Musiker mit […]

gesamten Beitrag lesen »



Haushalt 2010: Grüne befürchten Mogelpackung

Die Grüne Stadtratsfraktion kritisiert das Schließen einer Finanzierungslücke bei der Sanierung der Kongresshalle als Mogelpackung und faktische Neuverschuldung. Zwischen 8 und 8,5 Millionen Euro fehlen für die Generalsanierung der Kongresshalle in den Jahren 2010 und 2011. Finanzreferent Hermann Weber hatte gegenüber der DAZ erklärt, er werde zwar einen Haushaltsentwurf ohne Verschuldung vorlegen, aber bei der […]

gesamten Beitrag lesen »



„Lieber 1000 Töne als 1000 Worte“

DAZ-Interview mit Sarband-Gründer Vladimir Ivanoff Am vergangenen Freitag, 6. November gastierte das Ensemble Sarband zur Eröffnung einer Konzertreihe des „Festival der 1000 Töne“ im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses (siehe Bericht). DAZ-Redakteur Frank Heindl hat vor dem Konzert mit Sarband-Gründer Vladimir Ivanoff telefoniert. DAZ: Herr Ivanoff, Sie sind hier in Augsburg bei einem besonderen Event […]

gesamten Beitrag lesen »



Stadt macht Defizitausgleich an AVG europafest

Der Wirtschaftsausschuss regelte gestern den städtischen Defizitausgleich an die Augsburger Verkehrsgesellschaft neu. Grund war die ab 3. Dezember anzuwendende europäische Verordnung Nr. 1370/2007. Die Stadt Augsburg ist gemäß Art. 8 des Bayerischen ÖPNV-Gesetzes als Aufgabenträger für die Bereitstellung des öffentlichen Personenverkehrs innerhalb ihres Stadtgebiets zuständig. Zur Aufgabenwahrnehmung bedient sich die Stadt der Augsburger Verkehrsgesellschaft mbH […]

gesamten Beitrag lesen »



lab.30: Hochschule kündigt Zusammenarbeit auf

Beim Kulturamt bleibt man gelassen Von Frank Heindl Mit einem Paukenschlag schließt das diesjährige Augsburger Kunstlabor „lab.30“: Einen Tag nach dem Ende des dreitägigen Festivals für Medienkunst im Kulturhaus abraxas kündigte Professor Robert Rose von der Hochschule für Gestaltung am Sonntag per Pressemitteilung die weitere Zusammenarbeit mit der Festivalleitung im Kulturamt auf. Von Roses Hochschullehrstuhl […]

gesamten Beitrag lesen »



Genug gemenschelt

Ein Kommentar von Frank Heindl Blinkende Roboter, sprechende Pflanzen, Lichtflecke, die vor dem Besen in eine dunkle Ecke fliehen – „lab.30“ hat seine Besucher in den vergangenen Jahren oft zum Schmunzeln gebracht – das Nachdenken folgte meist auf dem Fuß. Die Medienkunst, auf die sich das Augsburger Festival verlegt hat, weist technisch wie künstlerisch in […]

gesamten Beitrag lesen »



« neuere Artikel ältere Artikel »

Kurznachrichten

Wenn die Zeit stehen bleibt



In der Nacht vom 5. auf den 6. August 2025 findet im Rahmen der Friedensfest-Abschlusswoche ein feierliches Gedenkkonzert mit Nachtwache statt. Unter dem Titel „Wenn die Zeit stehen bleibt“ erinnert die Veranstaltung in der Moritzkirche an den Atombombenabwurf auf Hiroshima vor 80 Jahren. Friedensglocke – Symbolbild Das zweiteilige Nachtkonzert beginnt um Mitternacht mit einem Wandelkonzert […]

gesamten Beitrag lesen »



Regen: Veranstaltungen im Rosenpavillon entfallen



Die für Samstag, 26. Juli und Sonntag, 27. Juli im Botanischen Garten angesetzten Veranstaltungen Tangotanz am Nachmittag und der Tango-Tanzabend BOTANGO entfallen. Das meldet heute die Stadt Augsburg. Grund ist die schlechte Witterung. Der Lichterzauber-Abend am Samstag, 26. Juli und die Operette „Die Fledermaus“ im Pflanzenüberwinterungshaus finden jedoch statt.

gesamten Beitrag lesen »



Perlach: Die Zwiebel ist unten



Am heutigen Donnerstag, 24. Juli kurz vor 9 Uhr war es so weit: Die Turmzwiebel des Perlach trat erstmals nach 400 Jahren ihre Reise nach unten an. Weil das Gewicht der Zwiebel höher war als angenommen, konnte der Kran die Last am Ausleger allerdings nicht weit genug nach außen fahren. Die Zwiebel konnte deshalb nicht […]

gesamten Beitrag lesen »



Veranstaltungsreihe zur Klimainsel startet



Am Donnerstag, den 24. Juli, bietet das Umweltamt einen Rundgang durch die Innenstadt an. Start ist um 17 Uhr an der Klimainsel. Der einstündige Rundgang führt zu ausgewählten Standorten in der Innenstadt, an denen verschiedene Aspekte der Klimaanpassung thematisiert werden. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf einem skizzenhaften Überblick zu ausgewählten aktuellen Planungen, wie der Sanierung des […]

gesamten Beitrag lesen »



Gründen, snacken, netzwerken – Picknick für Startups



Die Wirtschaftsförderung der Stadt Augsburg lädt am Donnerstag, den 24. Juli, von 11:30 bis ca. 13 Uhr zu einem Gründungspicknick ein. Die Veranstaltung ist kostenlos und findet im Picnic, Maximilianstraße 41, 1. OG statt. Sie bietet Gründern sowie Gründungs­interessierten die Möglichkeit zum Austausch über den Gründungsalltag. Saskia Reuter, Gründerin der aluco GmbH, hält einen Impulsvortrag zum […]

gesamten Beitrag lesen »



Suche in der DAZ

  

DAZ Archiv

Juli 2025
M D M D F S S
 123456
78910111213
14151617181920
21222324252627
28293031