Mehr Brandmauer wagen?
Am 1. Februar 2025 fand in Augsburg die „Demo gegen Rechts“ statt. Der Rathausplatz war voll. Über 1.000 Menschen waren zur Kundgebung gekommen, weil sie das gemeinsame Abstimmen bürgerlicher Parteien mit der AfD aufgebracht hatte. Sie trieb die Sorge um, die Brandmauer könnte eingerissen werden. Aber mit wem und mit was für Forderungen wurde wirklich demonstriert?
von Alexander Meyer
Wegen der unterdimensionierten Tonanlage war ab fünfzehn Metern Entfernung zu der improvisierten Bühne nichts mehr zu verstehen. Wer in den akustischen Empfangsbereich kam, wurde aber mit erstaunlichen Redebeiträgen belohnt.
Was zählt ist Stil, das Schwert des Intellekts und ein Gespür für das Publikum.
Nun gelten natürlich auf einer politischen Demo andere Regeln als in der gepflegten Tea-Time-Konversation. Da darf ausgeteilt werden, da hat der politische Gegner nicht zimperlich zu sein. Was zählt ist Stil, das Schwert des Intellekts und ein Gespür für das Publikum. Legt man diesen Maßstab an, war die Veranstaltung ernüchternd. Plakate wie “CSU – Fotzen-Fritz – Fascho-Fritz” oder “Nazis morden, die CSU schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack” lassen intellektuellen Spielraum nach oben.
Die Direktkandidatin der Linken, Elisabeth Wiesholler, illustrierte ihre Forderung nach einem totalen Stopp von Abschiebungen auch von Straftätern ohne Asylrecht mit dem Schicksal von Anne Frank. Ihre Begründung: „Eine Strafe, wie sie auch für Deutsche gilt, ist ausreichend. Eine doppelte Bestrafung durch Abschiebung macht Asylbewerber zu Menschen zweiter Klasse.“
„Achtet auf die Sprache“ – mahnte Manuel Sontheimer (Jusos) und zitierte damit Angela Merkel. „Wenn die Sprache auf die schiefe Bahn gekommen ist, dann ist auch Gewalt nicht mehr fern“ hatte die Altkanzlerin erklärt. Das bezog Sontheimer direkt auf die Rede von Friedrich Merz. Selbst offenbar kein Freund übertriebener Achtsamkeit befand Sontheimer, diese sei ein „Tanz auf den Gräbern der Opfer des Nationalsozialismus“ gewesen und Merz habe eine Rede gehalten „triefend von Rassismus und Lüge um Lüge über Migranten verbreitend“.
Der Vertreter des Klimacamps interpretierte das Ziel der CDU als „nichts anderes als Massendeportation für alle aufrechten, deutschen Nazis“. Er fand es unpassend, dass solche Forderung von Menschen kommen „deren Namen teilweise so aussehen, als hätten ihre Großeltern vor achtzig Jahren keinen Ariernachweis gehabt“. Auch die Deportation von Juden in die Vernichtungslager musste herhalten, denn was die CDU da wolle, sei „ganz so, wie die Nazis vor neunzig Jahren Fahrkarten an deutsche Juden verteilten“. Außerdem helfe im Kampf gegen Rechts und Klimawandel nur ein Wechsel des Wirtschaftssystems mit mehr Wohlstand ohne Wirtschaftswachstum aber reduzierten Arbeitszeiten und ohne Gewinne für reiche Investoren.
Abgerundet wurden der Redeteil von einer künstlerischen Darbietung des Augsburger FLINTA*-only-Projekts „Corner Chor“. Dessen Mitglieder hatten den spritzigen Slogan „Scheiß Friedrich Merz“ in einen mehrstimmigen a-cappella-Satz gefasst und sich zahlreiche Mitsänger:innen erhofft – zum Glück vergebens.
Nicht gegen Rechtsextremismus, nicht gegen die AfD – alles rechts von Rot/Grün war und ist gemeint.
Mit ordentlich Bannermaterial marschierten am Ende über 4.500 Teilnehmer durch die Innenstadt und demonstrierten (man achte auf die Sprache) „gegen Rechts“. Nicht gegen Rechtsextremismus, nicht gegen die AfD – alles rechts von Rot/Grün war und ist gemeint.
Die „Brandmauer“ wird hier als „antifaschistischer Schutzwall“ gesehen. Sie soll verhindern, dass die politischen Wünsche einer nicht geringen Zahl von Bürgern irgendeinen Einfluss auf die Legislative nehmen können.
Es sollte aber quer durch die politischen Lager ein demokratisches Störgefühl erzeugen, wenn zwanzig Prozent der gewählten Repräsentanten der Bevölkerung bei der Mehrheitsbildung systematisch ausgeschlossen werden. So wird faktisch ein virtueller Bundestag erzeugt, der nicht dem Wahlergebnis entspricht und in dem Mehrheiten gegen Rot/Grün niemals möglich sind. Es ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob ein sinnvoller CDU-Antrag mit Stimmen der AfD eine Mehrheit findet, oder ob politische Zugeständnisse an inhaltliche Positionen der AfD gemacht werden.
Wenn die Mauer zu undurchlässig ist, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Forderung laut wird: „Mister Merz, tear down this wall!“
Der „Kampf gegen Rechts“ scheint darauf gerichtet, die „Brandmauer“ immer noch höher und undurchlässiger zu machen. Man kann allerdings Zweifel hegen, ob das Errichten einer Mauer um einen Teil des Volkes – und sei es virtuell – ein funktionierendes politisches Konzept ist. Ich fürchte, wenn die Mauer zu undurchlässig ist, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auf anderen Demos die Forderung laut wird: „Mister Merz, tear down this wall!“
Man kann nur hoffen, dass dann kein Günter Schabowski zur Stelle ist.
Alexander Meyer ist von Beruf Rechtsanwalt, lebt und arbeitet in Augsburg. Er ist politisch engagiert bei der FDP-Augsburg, „weil Freiheit sich nicht selbst verteidigt“. Bei der DAZ schreibt er, auf TikTok und Instagram postet er seine Sicht der Dinge. SM-Linktree