DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Donnerstag, 06.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Musik

Rossinis „Cenerentola“ mit Augsburg-Bezug

Der allbekannte „Aschenputtel“-Stoff liegt der Rossini-Oper „Cenerentola“ zugrunde: das Mädchen, das sich „aus der Asche“ zur Prinzessin mausert. Für die Inszenierung in Augsburg hat Regisseur Manuel Schmitt eine Parallele zur Stadtgeschichte angekündigt, die auf den ersten Blick befremdet: Wie kann die Augsburger Textilindustrie, die in der Spielstätte Martinipark sozusagen fühlbar ist, in eine Rossini-Oper integriert werden?

Von Halrun Reinholz

Angelina (Ekaterina Aleksandrova) im Ballkleid mit dem Prinzen (li., Manuel Amati) und dessen Kammerdiener (re., Nicola Ziccardi)

Auf der Bühne steht schon gleich zu Beginn ein großer Webstuhl. Ein Video zeigt eine sizilianische Gastarbeiterin, die erzählt, wie sie 1965 nach Augsburg kam und in einem der Augsburger Textilbetriebe Arbeit fand. Während der Ouvertüre wuseln Arbeiterinnen in grauen Kitteln um den Webstuhl herum. Sie setzten sich auf ihre Koffer und tun so, als gäbe es viele Webstühle im Raum. Am „Haupt-Webstuhl“ sitzt Angelina, die „Cinderella“, und singt: „Es war einmal ein König …“, um das kommende Märchen anzukündigen. Ihren grauen Kittel behält sie an, doch zum Glück spinnt der Regisseu die Fabriks-Szenerie an dieser Stelle nicht weiter. Zwar wird offenbar, dass Don Magnifico, der Vater Cinderellas und der beiden Schwestern Clorinda und Tisbe, eine Schneider­werkstatt besitzt, in der Angelina die niederen Arbeiten verrichten muss. Das bietet Raum für eine üppige Kostüm­parade des (Herren-)Chors und auch der weiteren Darsteller (Kostüme: Dinah Ehm). Als bekannt wird, dass der Prinz eine Frau sucht und mit seinem Kammer­diener durchs Land reist, rüsten sich die beiden Schwestern hoffärtig und geziert im Wettstreit – nicht ahnend, dass Prinz und Kammer­diener ihre Rollen getauscht haben.

Das ist der Stoff, aus dem Rossini-Opern sind: Wegen der komischen Verwicklungen und wunderbaren Melodien dem Publikum sehr zugänglich, aber eine Heraus­forderung für den Chor und die Solisten. Ivan Demidov gibt sich Mühe, die Lautstärke des Orchesters „im Zaum“ zu halten, was im Martinipark immer sehr schwierig ist. Doch die durchwegs auf Augenhöhe agierenden Sängerinnen und Sänger erfreuen das Publikum mit lustvollen Arien und vor allem mit dem typischen „Geplapper“ bei Rossini, wenn alle im Terzett-Quartett usw. gleichzeitig (und mit hoher Geschwin­digkeit) singen. Ekaterina Alexandrova überzeugt als Angelina. Sie kam als Gast, ist dem Augsburger Publikum aber von einem kurzen Intermezzo als Ensemble­mitglied bekannt. Eine tragende Rolle spielt Don Magnifico, der Vater Angelinas und der anspruchs­vollen Töchter. Shin Yeo hat in dieser Partie Gelegenheit, außer seiner Stimme auch seine ganze komische Bandbreite zu zeigen. Olena Sloia und Luise von Garnier gaben die beiden Stief­schwestern ebenfalls mit außer­ordentl­ichem komischen Können. Manuel Amati sang die Partie des verliebten Prinzen Ramiro mit hinreißendem Tenor und stand in stetigem (oft auch von Komik geprägten) Dialog mit seinem Kammer­diener Dandini, dessen Partie Nicola Ziccardi sang. Eine große Rolle hatte auch Alidoro, gesungen von Avtandil Kasperli, dessen angenehmer Bass dem Publikum in Augsburg schon länger vertraut ist, auch wenn er nicht immer Gelegenheit zur Entfaltung hat.

Don Magnifico (Shin Yeo) will seine anspruchsvollen Töchter Clorinda (li.,  Olena Sloia) und Tisbe (re., Luise von Garnier) gewinnbringend verheiraten. – Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Abweichend vom Märchen­stoff kommt keine Fee oder sonst jemand zu Angelina, um sie tauglich für den Ball zu machen. Auf den Rat von Alidoro ist sie es selbst, die sich darum kümmert. So rollt in der entscheidenden Szene eine Näh­maschine auf die Bühne und Angelina näht sich ein hin­reißendes Kleid aus einem Jaquard-Stoff der Augsburger Textilmuster-Sammlung, der im Textil­museum eigens für die Produktion gewebt wurde. Zum Schluss wird dann wieder der Bogen geschlagen zur Augsburger Textil­industrie, die italienische Gast­arbeiterin kommt erneut zu Wort. Das wirkt alles erstaunlicher­weise nicht aufgesetzt – wahrscheinlich, weil es nur eine Rahmen­handlung ist. Letztlich kommt ganz klar die Botschaft rüber: Der Traum vom sozialen Aufstieg verwirklicht sich nicht von selbst. Man muss selbst aktiv werden und sich „aus der Asche“ ziehen.

Großer Applaus für eine stimmige Inszenierung und hervorragende Akteure auf der Bühne!

gesamten Beitrag lesen »



4.12.2024 – Ein Abend für Dialog, Musik und Literatur gegen das Schweigen

Die Augsburger Gruppe der Artists Against Antisemitism und das Staatstheater Augsburg laden am 4. Dezember ins Alte Rock Café zu einem Abend mit Literatur, Musik und Gesprächsangeboten. Augsburg gedenkt wie viele Orte in Deutschland der Pogromnacht am 9. November 1938. Tausende jüdische Geschäfte, Synagogen und Wohnungen wurden zerstört – ein Wendepunkt hin zur systematischen Verfolgung […]

gesamten Beitrag lesen »



„Mystic Sounds“ – Unge­wöhn­liche Akkordeon­klänge

In dieser Spielzeit haben die Augsburger Philharmoniker einen „Artist in Residence“ mit einem ungewohnten Instrument: die Akkordeonistin Olivia Steimel. Akkordeon im sinfonischen Konzert? Das geht, wie die Künstlerin bereits Ende September mit dem Konzert für Akkordeon und Orchester von Vaclav Trojan bewiesen hat. Und nun gab Olivia Steimel eine weitere Kostprobe ihrer Kunst in der […]

gesamten Beitrag lesen »



2. Sinfoniekonzert „American“: Eigene Akzente auf europäischen Wurzeln

Ein durch und durch „amerikanisches“ Programm war den Konzertbesuchern der Augsburger Philharmoniker beim 2. Sinfoniekonzert geboten. Da war wohl so mancher bei leichtem Naserümpfen mal gespannt, was Amerika, wegen der Wahlen derzeit ohnehin in aller Munde, musikalisch so hergibt. Das Programm hat GMD Domonkos Héja geschickt zusammengestellt – drei Generationen Komponisten, die fest in der […]

gesamten Beitrag lesen »



Diesmal wieder Oper: Turandot auf der Freilichtbühne

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist mal wieder eine Oper auf der Freilichtbühne angesagt. Zwar insgesamt nur wenige Vorstellungen, aber die Befürchtung, dass nur Musical vom Publikum angenommen wird, hat sich wohl nicht bestätigt. So mancher, der spontan den lauen Sommerabend nutzen wollte, bekam keine Karte mehr. Von Halrun Reinholz

gesamten Beitrag lesen »



Abstrakte Kunst trifft auf Lyrik und Erinnerungsarbeit – Matinée der Kunstsammlungen am Sonntag, den 16. Juni

Am kommenden Sonntag laden die Kunstsammlungen und Museen Augsburg im Rahmen der Ausstellung „FRIENDS!“ ein zu einer Matinée mit dem Künstler Horst Thürheimer und dem Lyriker Norbert Göttler im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast. Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung durch den Augsburger Pianisten Heinz Frommeyer. Horst Thürheimer interpretiert Norbert Göttlers ‚Dachauer Elegien‘ Der […]

gesamten Beitrag lesen »



„Was Liebe kann, das wird sie immer wagen.“

Mit Shakespeares „Romeo und Julia“ steht ein Klassiker im Repertoire des Augsburger Staatstheaters. Die bekannte Geschichte wird im Martinipark zeitlos und mitreißend inszeniert. von Halrun Reinholz Romeo und Julia, das berühm­teste Liebes­paar der Welt. Seine Geschichte wurde schon tausende Male erzählt, mit oder ohne die starken Verse von Shakespeare. Die Regisseurin Lilli-Hannah Hoeppner wagt sich […]

gesamten Beitrag lesen »



Barockes Liebesschmachten mit Schuss: Serse im Martinipark

Mit einer Barockoper fordert das Staatstheater Augsburg die Zuschauer in dieser Spielzeit heraus. Was ihnen nach drei Stunden der Verirrungen und Verwirrungen auf der Bühne bleibt, sind bewegte Bilder und sehr schöne Musik. Von Halrun Reinholz Die Ersatzbühne im Martinipark ist nicht für ihre Vielfalt an technischen Möglich­keiten bekannt, aber die Inszenierungs­teams des Augsburger Theaters […]

gesamten Beitrag lesen »



Lyrik und Zeitzeugen am Tag der Befreiung

Im Kulturhaus abraxas wurde der Sieg über die Naziherrschaft gefeiert Von Frank Heindl Vor hundert Jahren wurde Selma Meerbaum-Eisinger geboren, im Februar 1924. 1941 schrieb sie ein „Poem“, dessen zentrale Zeile lautet: „Ich möchte leben“. Ein Jahr später, am 16. Dezember 1942, 18 Jahre alt, starb sie im rumänischen Zwangsarbeiterlager Michailowka. „Sie kommen dann und […]

gesamten Beitrag lesen »



Ballettgala 2024: Internationale Tanzdarbietung trifft den Nerv des Publikums

Die Internationale Ballettgala, jedes Jahr ein Highlight für das Augsburger Publikum, fand auch in diesem Jahr zweimal im restlos ausverkauften Martinipark statt. Eine grandiose Idee des früheren Ballettdirektors Robert Conn, die sein Nachfolger Ricardo Fernando glücklicherweise nahtlos aufgriff und mit eigenen Akzenten versah. Das Grundprinzip ist einfach: Man nutze die Kontakte der ohnehin weltweit verflochtenen […]

gesamten Beitrag lesen »