Eine Geschichte der Welt in Mondlicht und Neon
Der BBK (Berufsverband Bildender Künstler/innen) zeigt in seinen Galerieräumen im Glaspalast eine stimmungsvolle Doppelausstellung mit dem leichtsinnigen Titel „Junge Kunst“. Und hat im besten Sinne recht damit.
Ein Gastbeitrag von Gerald Bauer
Möglicherweise, nur möglicherweise hatte beim BBK jemand in einem alten Lifestyle-Magazin den Slogan „Dreißig ist das neue Zwanzig“ gelesen, und schon war die Idee geboren, zwei Künstlern Mitte Dreißig eine Ausstellung auszurichten und diese ausgerechnet „Junge Kunst“ zu nennen. Herausgekommen ist glücklicherweise eine intelligente und gefühlvolle Schau kleinformatiger Malerei, die sich in nachdenklichen, oft skeptischen, bisweilen beunruhigenden Bildwelten der zeitgenössischen Landschaftsdarstellung verschreibt (Kuratoren: Josef Zankl, Nina Zeilhofer, Harry Meyer).
Die Künstler Jan Gemeinhardt und Manuel Rumpf haben beide 2014 ihre Ausbildung an den Akademien Nürnberg respektive München als Meisterschüler abgeschlossen. Sie sind also, könnte man sagen, im besten Alter: noch diesseits der Vierzig, andererseits aber schon mit einem Jahrzehnt Berufserfahrung ausgestattet. Dass beide zudem frei von Allüren sind und inspirierte Gesprächspartner, ist ein Glücksfall.
Beide Künstler eint, dass ihre Malerei gerade in ruhigen, teils statischen Einstellungen Bewegung evoziert. Denn die Kargheit und Menschenleere der Szenarien weist dem Betrachter die Rolle des einsamen Reisenden, auch des Umherirrenden zu. Ob als Wanderer in Felsenmeeren wie bei Gemeinhardt oder, bei Rumpf, als nächtlicher Autofahrer durch anonyme Peripherien, stets sind es transitorische Orte, die keinen Halt bieten und wenig Trost.
Jan Gemeinhardt, Nürnberg, Jahrgang 1988
„Melancholie ist für mich per se nichts Schlechtes“, sagt Jan, „sondern sogar etwas Schönes“. Er verweist auf das isländische Wort Gluggaveður, das die ästhetische, ja emotionale Qualität eines an sich unwirtlichen Wetters charakterisiert.
Gemeinhardts Landschaften entstehen nicht aus realen Motiven, er holt sie aus der Vorstellung, es ist, so sagt er, eine Art von Modellieren, ein stetes Hinzufügen und Wegnehmen, bis das innere Bild auf die Leinwand gefunden hat. Spröde, karstige Orte entstehen, in denen Gemeinhardt souverän mit dem wenigen Licht spielt, das er seinen Szenerien zugesteht. Vieles knüpft locker an Traditionen des 19. Jahrhunderts, ohne je rückwärtsgewandt zu sein.
Ergänzend zur Malerei zeigt Jan Schaukästen mit Landschaftsausschnitten in Miniaturmodellen. Je nach Generation mögen die Betrachtenden diese Objekte als fiktive Szenarien dystopischer Netflix-Serien begreifen – oder als Fragmente, herausgesägt aus alten Modelleisenbahnen, die vergessen auf namenlosen Dachböden verstauben. Stets jedoch sind sie stiller Verweis auf zivilisatorische Verwerfungen.
Manuel Rumpf, München, Jahrgang 1987
Manuels Schauplätze präsentieren sich urbaner, wenngleich diese Urbanität vorwiegend aus der Ferne erlebt wird und die Motive sich so eher als Landschaften mit Elementen zivilisatorischer Überformung darstellen. Auch er reduziert konsequent die Helligkeit der Umgebung zu Stimmungen der Dämmerung und Nacht, aus denen er ruhige Farbräume herausarbeitet, akzentuiert von fernen, stets menschengemachten Lichtquellen. Die Arbeiten tragen einen fotorealistischen Grundton, immer jedoch aufgelöst in einer Unschärfe, einem „Blur“, der nicht nur die räumliche, sondern auch die emotionale Distanz der Motive nochmals intensiviert.
Wie Gemeinhardt mit seinen Miniaturmodellen, so ergänzt auch Rumpf seine ausgestellten Ölmalereien mit einer zweiten Werklinie. Eine Reihe kleinformatiger Papierarbeiten stellt immer wieder Besucher vor das Rätsel ihrer Herkunft: Sind es körnige Schwarzweißfotos? Aquatinta-Radierungen? Tatsächlich sind es Tuschemalereien, mithin Unikate, in denen Rumpf diese verblüffende, faszinierende Wirkung erzielt.
Eine glückliche Fügung, die auch für den zweiten und dritten Blick taugt
Was im Kunstbetrieb oft großspurig als „Position“ deklariert wird (noch so ein gestriges Modewort), haben die beiden Künstler tatsächlich jeweils für sich etabliert: nämlich ein konsistentes Œuvre, ein verlässliches Koordinatensystem, in dem Kontinuität und Weiterentwicklung ihre Synergien entfalten können. Das wird um so deutlicher, je tiefer man in das Werk eindringt. Besuchern der Ausstellung sei deshalb unbedingt empfohlen, den Eindruck der Schau zu ergänzen durch einen Blick auf die Websites der beiden Künstler, auf denen sich in der Betrachtung der Arbeiten über etliche Jahre hinweg immer mehr assoziative Räume auftun – und siehe da, es sind bei beiden die gleichen Räume, von der Malerei der Romantik zum unbekümmerten Zynismus des zwanzigsten Jahrhunderts, aus den Welten früher Ego-Shooter bis in düstere TV-Serien unserer Tage. Wir verstehen, dass hier zwei Künstler derselben Generation aus unterschiedlichen Winkeln auf dieselbe Welt blicken. So erschließt sich erst in der Gesamtbetrachtung die volle Tragweite und glückliche Fügung dieser kleinen Ausstellung.
Für die Besucherinnen und Besucher kann dies nur bedeuten: Anschauen, nach Hause gehen, im Netz noch mehr ansehen, zurückkommen, Bild kaufen. Es kann so einfach sein. Nicht ganz so einfach wird es für den BBK, jenen gutmütig überalterten, marginalisierten Verein. Die Ausstellung ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber so viele Schritte mehr werden folgen müssen, um verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Es ist ein Marathon, kein Sprint. Noch so ein alter Spruch.
Besucherinfo:
BBK-Galerie im Glaspalast | 2. Stock | Beim Glaspalast 1, 86153 Augsburg | Di, Do, Sa und So von 13 – 17 Uhr, noch bis 14. Juli 2024
Zum Autor:
www.geraldbauer.com