Ausstellung
Eine Preisträgerin, aber noch viel mehr Lohnendes
Künstler des BBK stellen im Glaspalast aus
von Frank Heindl
Eine „umtriebige“ Vernissage darf man das wohl nennen, was der Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) am Donnerstagabend vor viel Publikum präsentierte. Neben den Werken seiner Mitglieder – auf die werden wir trotzdem noch zu sprechen kommen – gab es ein buntes Buffet, das die ausstellenden Künstler selbst mitgebracht hatten (auf diese Weise die materielle Knappheit bei ihrem Verband ebenso sehr hervorhebend wie vertuschend), atmosphärisch aber wurde die Vorstellung der 121 Werke durchgängig vom Wettbewerbsgedanken getragen, der viel zu besagter „Umtriebigkeit“ beitrug.
Doch von vorn: Zunächst wurden die Gäste mit schwungvoll-knapp gehaltenen Begrüßungsworten willkommen geheißen. BBK-Chef Norbert Kiening, selbst mit dem flächenmäßig größten der ausgestellten Werke vertreten, freute sich nicht ganz uneigennützig über die hohen, weiten und weißen Wände der Halle 1 des Glaspalastes. Sie ist ein Novum für den BBK, der seit vergangenem November auch seine Büroräume hier hat. Grund genug für Kulturreferent Jürgen Enninger, seinen „besten Anzug aus dem Schrank zu holen“, wie er launig bekanntgab, und Anlass genug für Thomas Elsen als Leiter, sein Zentrum der Gegenwartskunst im H2 durch die Präsenz des BBK als künstlerisch „intensiviert“ zu erleben.
Künstler wählen ihre „Sieger“
Intensiviert wurde zumindest die Vernissage anschließend durch den, wie erwähnt, Wettbewerbsgedanken: Die ausstellenden Künstler waren aufgerufen, aus ihrem Kreis den vierten “Kolleg:innen-Preis” zu vergeben. Mit der Folge, dass im Rahmen der Entscheidungsfindung nun nicht nur neugierige Besucher, sondern auch ihres Amtes waltende Künsterinnen und Künstler zuhauf und mit beschleunigtem Schritt die Gänge durcheilten.
Um es abzukürzen: In die Endausscheidung gelangten Norbert Kienig mit seinem (wie oben erwähnt) raumgreifenden „Großen Tatzelwurm“ in Öl und Acryl; Maximilian Gessler mit einem „Preview“ auf sein „6 x 6 der lichtbildnerischen Forschung“, das zunächst aus 4 x 6 Fotografien besteht; Alexandra Vassilikian für ihr aus Fotografie, Asche und Pigmenten entstandenes „Et in Arcadia Ego“; Rainer Kaiser für seine zweiteilige „Bühne der Geschlechter“ in Mischtechnik; und Barbara Auer für die Zeichnungen „Polyhuman #5+6“. Die Letztgenannte stand nach nochmals einer halben Stunde des Künstlerausschwärmens durch die eiligen Hallen als „Siegerin“ des Abends fest.
Tags darauf am Telefon zeigt sich die ehemalige Kunsttherapeutin zufrieden: Sie habe nicht mit dem Preis gerechnet, habe aber beim Malen sehr deutlich gespürt, „dass das meins ist“ – sie meint die beiden großflächigen Kohlezeichnungen, deren Erschaffung ihr auch körperlich große Anstrengung und Freude bereitet habe und noch immer bereitet, denn das Werk ist noch nicht abgeschlossen: „#5+6“ als Teil des Titels verweist auf vier Vorläufer zu diesem nur scheinbaren Diptychon, sechs weitere sollen folgen. Sodass in der BBK-Galerie im 2.Stock, die der Gewinnerin als „Siegesprämie“ zusteht, möglicherweise zwölf „Polyhumans“ zu sehen sein werden. Dass Auer nicht nur ihre Arbeit als geistig-körperlichen Akt versteht, sondern auch die abgebildeten „Polyhumans“ als Summe von Physis und Psyche zu erfassen bestrebt ist – dies zeigen die beiden derzeit ausgestellten Werke mit den aus dem Körperinneren drängenden Kräften auch schon ohne die geplanten „Geschwister“.
Portraits von rätselhaft bis grell
Wettbewerb hin oder her: Man sollte sich beim H1-Besuch nicht nur auf die fünf „Sieger“ konzentrieren – die versammelten Künstler haben viel zu bieten. Beispielsweise die Ironie Nina Zeilhofers, die den Umzug des BBK aus dem „abraxas“ ins als „Schwere und Leichtigkeit der Veränderung“ mit gebündelten Aktendeckeln kommentiert. Auch die filigrane „Brücke“ von Liliana Messmer lohnt mehr als einen Blick, mehr als einen Gedanken lohnt Claudia Geßners Geschichten erzählendes „Crux“.
Und auch die Hängung verdient einen Kommentar: Mal farblich, mal thematisch, mal unter Materialgesichtspunkten nebeneinandergereiht, werden einige Werke in unbeabsichtigte Kontexte gesetzt und entfalten so Zusatzwirkung. Wie etwa die drei aneinandergereihten Portraits von Joachim Reinmuth („Nacht und Sulamith“, mit einem rätselhaft-durchdringenden Blick aus buntem Dunkel), von Christine Falkenburger (die Fotografie „Res“ einer alten Frau mit tiefen Falten der Wehmut) und von Katja Löffler (ein Öl-Portrait „Ohne Titel“ mit ernstem, fast grimmig herausforderndem Blick vor grell-orangen Reflexen).
Oder Harald Riemanns lustige, motorgetriebene „Effektivitäsverhinderungsmaschine“. Oder Rita Höflers „Ruhe nach dem Sturm“, gepaart mit Johanna Hoffmeisters „Gestrandet“ – beide Acryl-Arbeiten demonstrieren Zerstörung, die eine an Schiffen, die anderen an Menschen. Um es nochmal abzukürzen: Augsburger Künstler anschauen lohnt auch ohne umtriebige Vernissage.