DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Samstag, 02.08.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Höchst aktuell beim Brechtfestival:
 „Memoria“ – ein beklemmendes Stück über das Schlechte im Menschen

von Halrun Reinholz

Die Aktualität holt das Brecht-Festival ein: Wenige Tage nach dem Tod des Kreml-Kritikers Nawalny und am Tag der Verhaftung des Menschenrechtlers von Oleg Orlow zu zweieinhalb Jahren Haft steht auf der Brechtbühne „Memoria“ auf dem Spielplan, ein dokumentarisches Stück von Nana Grinstein über die Verbrechen des stalinistischen Regimes, das allerdings auch naheliegende Parallelen zu aktuellen Ereignissen im heutigen Russland unter Putin aufnimmt. Aus diesem Grund wurde es  auch unmittelbar nach der Uraufführung in Moskau verboten. Das Brechtfestival holte es in einer Augsburger Exilversion nun auf die gut besuchte Brechtbühne. Unter den zahlreichen Zuschauern waren offenbar auch viele aus der russischen Community. 

Ausgangspunkt für das Stück ist die Zerschlagung der Menschenrechtsorganisation „International Memorial“. Es verwebt Interviews, Gerichtsakten und Texte aus der Exilzeit Bertolt Brechts mit der Fallakte der berühmten Brecht-Schauspielerin Carola Neher, deren tragisches Schicksal von „International Memorial“ rekonstruiert wurde. Gleichzeitig werden Parallelen gezogen zu Geschehnissen um die Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die Verhaftungen von Aktivisten und die Zwangsauflösung der Organisation.

 „Memorial“ wurde gegründet, als der Zugang zu den Archiven der früheren Sowjetunion möglich wurde und einzelne Schicksale von Verfolgten und in Straflagern Ermordeten ans Licht kamen. Speziell prominente Exilanten wie Bertolt Brecht, der rechtzeitig wieder den Absprung aus dem stalinistischen Exil schaffte, aber auch andere, die aus kommunistischer Überzeugung Zuflucht im Arbeiter- und Bauern-Staat suchten und nicht selten im Gulag landeten. Carola Neher starb im Straflager an Typhus. Ihr Sohn Georg Becker kam in ein Kinderheim und wusste lange nichts über seine Familiengeschichte.

Einführend sprach die Regisseurin Anastasia Patlay zum Publikum und wies auch auf die aktuellen Ereignisse hin, die das Stück in aller Form bestätigten. Neben ihr stand Irina Scherbakowa, Gründungsmitglied der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die in Berlin lebt und extra für diese Aufführung nach Augsburg gekommen war. Die Historikerin und  Germanistin übersetzte die Einführung für das deutsche Publikum. Das Stück bestritten die Schauspieler Katharina Spiering (auf deutsch) sowie Alena Starostina und  Ivan Nikolaev (auf russisch) mit zahlreichen Video-Einspielungen und Projektionen. Das Besondere daran ist, dass eben nicht nur die Geschichte von Opfern des Stalinismus wie Carola Neher in dem Stück erzählt wurde. Was genau in den Lagern passierte, erfährt man auch nicht aus den Archivakten. Bereits in den 1970er Jahren hatte sich die 1949 geborene Irina Scherbakowa unter der Hand Lebensgeschichten von Opfern des Stalinismus erzählen lassen. Erst durch diese Zeitzeugen können die Archivakten eingeordnet und zu tragischen Lebensgeschichten werden. „Wenn man die Akten liest, glaubt man, es ist alles mir rechten Dingen zugegangen“, erläutert Scherbakowa später bei der Publikumsdiskussion vor immer noch gut besuchtem Saal.

 „Memorial“ wurde 1987 im Aufwind von Glasnost und Perestroika gegründet, maßgeblich daran beteiligt war Andrej Sacharow. Im Stück von Nana Grienstein kommt er auch vor, als er 1989 beim Kongress der Volksdeputierten der Sowjetunion seine Ideen des demokratischen Rechtsstaats, der Abkehr vom Sowjet-Imperialismus und des Rechts der Sowjetrepubliken auf Eigenständigkeit erläutert. Gorbatschow unterbricht ihn wiederholt heftig unter Verweis auf die abgelaufene Redezeit. Soviel Glasnost war auch damals nicht erwünscht.

In direkter Linie führen, wie das Stück zeigt, die Menschenrechtsverletzungen des Stalinismus zu den gegenwärtigen Verhaftungen und Ermordungen Regimekritikern in Putins Russland. Die Methoden gleichen sich, Putin beherrscht die Methoden der Sowjet-Repressionen aus dem Effeff. In der abschließenden Publikumsdiskussion erläutert Irina Scherbakowa dies anhand zahlreicher Beispiele und Belege genauer. Die Diskussion verzögerte sich etwas, weil Scherbakowa wegen der Verhaftung von Oleg Orlow aktuell für die Tagesthemen zugeschaltet wurde. In diesem Interview wie vor dem Augsburger Publikum bekräftigte sie die Entschlossenheit der Organisation „Memorial“, die fast zeitgleich mit ihrer erzwungenen Auflösung 2022 (auch beeindruckender Teil des Dokumentartheaters) mit dem Friedens-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ihre Ziele weiter zu verfolgen. Oleg Orlow war einer der noch vor Ort ausharrenden Aktivisten. Die Anteilnahme an seinem Prozess, trotz Strafandrohung, zeige, dass viele Russen mit den Zuständen in ihrem Land unzufrieden seien. Auch, dass für Nawalny an vielen Stellen in Russland Blumen niedergelegt werden, nicht nur in Moskau und Sankt Petersburg, sei ein Signal, das Hoffnung gebe.

Angesichts des beklemmenden Stücks ein eher matter Hoffnungsschimmer, aber ohne Hoffnung keine Zukunft.

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