DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Dienstag, 26.08.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Theater

Schwanensee: Gut und Böse sind einander täuschend ähnlich

Der neue Ballettdirektor startet die Saison mit einem frisch aufpolierten Klassiker

Klasse Musik, klasse Tänzer: Schwanensee Foto: Jan Pieter Fuhr

Klasse Musik, klasse Tänzer: Schwanensee Foto: Jan Pieter Fuhr


Der „Schwanensee“ ist der Inbegriff eines abendfüllenden Balletts. Ein Klassiker, der in der traditionellen Choreographie von Marius Petipa für Solisten und Ensemble höchste Herausforderungen bietet. Dass ein kleines  Ballettensemble wie das des Theaters Augsburg sich an diesen Gipfel heranwagt, zeigt, dass der neue Ballettdirektor Ricardo Fernando keine Scheu hat, das Althergebrachte neu aufzubürsten.

Da ist einmal die zeitlose Geschichte – das Gute und das Böse, die Kräfte, die nahe beieinander liegen und einander täuschend ähnlich sind. Die Suche des jungen Menschen nach Erfüllung zwischen dem Vorgegebenen und dem verlockenden Unbekannten. Und dann ist da die herrliche Musik von Tschaikowski, die untrennbar mit der Vorstellung von den Schwänen und dem bösen Zauberer verknüpft ist. Ricardo Fernando löst sich von Petipa und erzählt das Märchen neu. Es stehen ihm – anders wie in den großen Opernhäusern in Wien, St. Petersburg oder sonstwo – keine dreißig Schwäne für die „Massenszenen“ zur Verfügung. Das Stück wird zum Kammerspiel – aber darum nicht weniger eindringlich.

Zunächst liegt es daran, dass Fernando Längen streicht und die Handlung auf die Liebesgeschichte konzentriert. Prinz Siegfried (Marcos Novais) verliebt sich in den weißen Schwan Odette (Jiwon Kim) und wird dadurch blind für die Zwänge seiner höfischen Gesellschaft. Diese zeigt jedoch, anders als bei Petipa, statt des steifen Einherschreitens des würdigen Königspaares sehr dynamische Akteure. Irupé Sarmiento und Riccardo de Nigris als Königin und König bewegen sich lustvoll inmitten des ebenfalls ausgelassen (und bewusst komisch) tanzenden Hofstaates. Dennoch ist diese Welt nicht der Sehnsuchtsort des jungen Prinzen, sein Freund Benno (Alessio Monforte) ist das einzige Bindeglied zwischen den beiden Welten. Die schwarz gekennzeichneten Gegenspieler sind der Zauberer Rotbart (Lucas Alex da Silva) und der schwarze Schwan Odile (Karen Mesquita), von Ricardo Fernando bewusst mit einer anderen Tänzerin besetzt, wo traditionell nur eine die beiden gegensätzlichen Charaktere Odette/Odile verkörpert.

Doch da steht der Choreograph in einer langen Tradition – trotz seiner Bekanntheit ist das Ballett in mehreren Fassungen und Besetzungen gespielt und immer wieder verändert worden. Und auch das Ende ist nicht eindeutig – siegt das Gute oder das Böse? Fernando mag sich in Augsburg nicht entscheiden, er lässt das Publikum mit Münzen abstimmen, die in der Pause in eine „Urne“ geworfen werden. Erwartungsgemäß kam bislang immer das Happy End. Schade, gerne hätte man auch mal das andere gesehen. Es wäre eine Wette wert, ob es im Laufe der Spielzeit mal dazu kommen wird. Das Happy End nach erbittertem Kampf mit Rotbart kommt nicht ganz ohne etwas gezuckert märchenhaften Kitsch aus, aber sei`s drum.

Frei von Kitsch und bis ins Mark berührend ist die Musik von Tschaikowski. Domonkos Héja und die Augsburger Philharmoniker begleiten das Bühnengeschehen umsichtig und gefühlvoll. Da es ja im Martinipark keinen Orchestergraben gibt, sind sie (wenn auch etwas tiefer gelagert) für das Publikum ständig sichtbar und müssen die Balance der adäquaten Lautstärke finden. Herausragend die bei Tschaikowski so beliebten Harfenpartien und das Violinsolo, das die neue Konzertmeisterin Jung-Eun Shin mit Bravour und Schmelz lieferte.

Auch die Bühne fordert aufgrund reduzierter technischer Möglichkeiten Improvisationsgeist. Beim Schwanensee sind die allgegenwärtigen Videoprojektionen allerdings eher redundant bis störend, vor allem die Großaufnahmen einzelner Tänzer oder die Einblendung von echten Schwänen. Dennoch insgesamt stimmig, vor allem bei den Kostümen (Dorin Gal), die auch die Männer in Schwanenfedern stecken – Federn lassen müssen letztlich alle, ob schwarz oder weiß.

Der Ballettabend forderte das gesamte Ensemble, das sich dadurch dem Publikum in seiner neuen Zusammensetzung überzeugend präsentieren konnte. Auch eine Eigenart: Alle Hauptrollen sind mehrfach besetzt, was auf die Gleichwertigkeit der Tänzer verweisen soll. Oder die beliebige Austauschbarkeit. Das Publikum hat nur durch einen Zettel an der Garderobe die Möglichkeit, die aktuelle Abendbesetzung zu erfahren. Eine Vervielfältigung als Einlage im Programmheft wäre keine Verschwendung. Zumal die Neuen im Ensemble noch wenig bekannt sind. Doch als Ganzes zeigte sich die Ballettkompanie eingespielt und homogen. Das tröstete über weggefallene Petipa-Klassiker wie den Tanz der kleinen Schwäne hinweg. Überhaupt verzichtete Fernando bei seiner Choreographie weitgehend auf Spitzentanz, dieser bleibt Odette und Odile vorbehalten.

Fazit des Einstands: Ein frischer, frecher Ballettabend auf hohem Niveau, der den Schwanensee dennoch nicht neu erfinden will. Klasse Musik und klasse Tänzer. Märchenhaft schön. (Halrun Reinholz)



gesamten Beitrag lesen »



Liebesleben mit Puppe

„Die Puppe“ von Miro Gavran als hintergründige Komödie im sensemble Theater Von Halrun Reinholz Welch ein Glück für einen Mann: Marko hat eine weibliche Puppe gewonnen. Eine „hochmoderne Puppe, konstruiert aus erneuerbaren organischen Stoffen, ökologisch perfekt“. Sie riecht „wie eine junge, 30-jährige Frau, die vor etwa fünfzehn Minuten aus der Dusche gestiegen ist, sich abgetrocknet […]

gesamten Beitrag lesen »



Brechtfestival startet mit „Fatzer“

„Der Fatzer« ist ein Fragment. Brecht hat den Text jahrelang immer wieder überarbeitet und es 1932 schließlich aufgegeben – wirklich losgelassen hat ihn dieser nie. Es heißt, er hielt den Text für »unaufführbar.“ (Heiner Müller) Dass er inzwischen dennoch aufgeführt wird, ist Heiner Müller zu verdanken. Für ihn war der Fatzer ein »Jahrhunderttext«. Müller hat […]

gesamten Beitrag lesen »



Theatersanierung: Architekt Achatz sieht kein Indiz für Kostensteigerung

Stadtrat und Architekt Volker Schafitel (FW) stellte am vergangenen Mittwoch der Presse seine begründete Befürchtung vor, dass sich die Kosten der Augsburger Theatersanierung verdoppeln könnten. Die Replik kam heute vom Planungsbüro Achatz, das sich für die Kostenberechnung verantwortlich zeichnet und vom städtischen Baureferenten Gerd Merkle. Der derzeitige Kostenstand von 186,3 Millionen Euro für Sanierung und […]

gesamten Beitrag lesen »



Theatersanierung: Kostenkalkulation in der Kritik

Ist die städtische Kostenkalkulation für die Theatersanierung haltbar? Stadtrat Volker Schafitel (FW) hat sich diese Frage gestellt und mit „Nein“ beantwortet. Von Siegfried Zagler Folgt man der Argumentation des Architekten Schafitel, dann müsste man von einer Kostensteigerung von 100 Prozent ausgehen – mindestens. Schafitel vergleicht die in Augsburg veranschlagten Sanierungskosten pro Kubikmeter mit Theatersanierungskosten von […]

gesamten Beitrag lesen »



Brechtbühne: Faszination des Grauens

Der erste Teil von Thomas Köcks Klimatrilogie „paradies fluten. verirrte sinfonie“ zeigt das Augsburger Stadttheater als dichte, akrobatische Inszenierung Mit einem außergewöhnlichen Stück präsentierte sich die neue Hausregisseurin Nicole Schneiderbauer erstmals dem Augsburger Publikum: „paradies fluten“ heißt der erste Teil einer Klimatrilogie des österreichischen Autors Thomas Köck mit dem Untertitel „verirrte sinfonie“. Uraufführung war 2016 bei den […]

gesamten Beitrag lesen »



Sinn-Suche im Sechserpack: Peer Gynt im Martini-Park

Unter der Regie des Intendanten André Bücker nimmt das Schauspiel mit einem „großen Stoff“ die Interims-Spielstätte im Martinipark in Besitz und stellt sich dem Urteil des Augsburger Publikums Von Halrun Reinholz Der Zugang zum Martinipark ist mit Lichtstreifen gekennzeichnet, sicherheitshalber stehen noch Theatermitarbeiterinnen mit Leucht-Schirmen da, um dem Publikum den Weg in die neue Spielstätte […]

gesamten Beitrag lesen »



Tatort Augsburg: Unterwegs in unterirdischen Kanälen

Tatort Augsburg:  Die erste Schauspielpremiere der Spielzeit am Theater ist alles andere als gewöhnlich Herbstlicher Regen passend zur Krimistimmung. „Behalten Sie bitte Ihre Garderobe, Sie werden Sie brauchen“, steht an der Garderobe im Hoffmannkeller. Der Aufenthalt dort ist nur vorübergehend und das so vorgewarnte  Premierenpublikum harrt gespannt der Dinge, die danach kommen sollen. Auf der […]

gesamten Beitrag lesen »



„Theaterpredigt“ zum Freischütz

„Kirche und Theater, zwei wichtige Kulturräume der Stadtgesellschaft, haben viele Gemeinsamkeiten: Hier wie dort werden die großen Fragen über Sinn, Zusammenleben und die Rolle des Menschen in der Welt verhandelt. Warum also schließen wir uns nicht zusammen und diskutieren gemeinsam über Bühne und Welt?“ So beginnt eine Pressemitteilung des Augsburger Stadttheaters zu einem neuen Theaterformat, […]

gesamten Beitrag lesen »



„Benno-Ohnesorg-Theater“: Ein neues Format des Stadttheaters

Friedrich Ani und Franz Dobler präsentieren am 10. Oktober das BENNO-OHNESORG-THEATER mit dem vielsagenden Motto: „Du weißt nicht, was dich erwartet, aber es wird nicht ganz blöd sein!“ Die Vorstellung beginnt um 20.30 Uhr im Hofmannkeller –  als Gäste werden Simone Buchholz, André Bücker und die Band Mrs. Zwirbl erwartet. Das Benno-Ohnesorg-Theater startet somit am […]

gesamten Beitrag lesen »