Augsburger Pollermarkt: Wenn deutsche Hysterie auf pragmatische Handarbeit trifft
Das dürfte in Deutschland einmalig sein: Um die Besucher des abendländischen Christkindlesmarktes vor morgenländischen Terrorfahrern zu schützen, lässt die Stadt Augsburg 350 Kilo schwere Eisenpoller mehrere Meter von Hand hin und her schieben, 30 Tage lang, zehn Stunden am Tag und 128-mal pro Stunde.
Von Bruno Stubenrauch
Poller auf den Schienen: Maximilianstraße
Dieses Jahr gehört erstmals die komplette Straßenbahntrasse zwischen Perlachberg und Maximilianstraße 19 (XL-mit-Pfiff) zur Hochsicherheitszone um den Christkindlesmarkt. Das heißt: Die Absperrlinie verläuft quer über die Schienen. Technisch gelöst wurde das so: Kommt gerade keine Tram, steht ein 350 Kilo schwerer Metallpoller mit Tellerfuß mittig auf jedem der beiden Gleise. Aber: Will eine Tram passieren, muss der Poller natürlich weg. So funktioniert’s:
- Linie 2 17:02 Stadtbergen
Linie 1 17:03 Göggingen
Linie 1 17:03 Lechhausen
Linie 2 17:04 Haunstetten
Linie 2 17:08 Stadtbergen
Linie 1 17:10 Lechhausen
Linie 1 17:11 Göggingen
Linie 2 17:12 Haunstetten
Linie 2 17:17 Stadtbergen
Linie 1 17:17 Lechhausen
Linie 1 17:18 Göggingen
Linie 2 17:19 Haunstetten
Linie 2 17:23 Stadtbergen
Linie 1 17:25 Lechhausen
Linie 1 17:26 Göggingen
Linie 2 17:27 Haunstetten
Ein Kraftakt
Den Kraftakt vollbringt die „Agentur EMV Sicherheitsdienst“ aus Augsburg. Sieben Mitarbeiter waren am gestrigen Dienstag im Einsatz, gefilmt und fotografiert von zahlreichen Marktbesuchern, die das Schauspiel nicht fassen konnten.
„Kraftakt“ ist dabei wörtlich zu nehmen: Obwohl die Poller auf luftbereiften Wagen bewegt werden, sind dafür am Perlachberg zwei Personen nötig – wegen des Gefälles und des buckligen Kopfsteinpflasters, über das die Poller gezogen werden müssen. Zudem müssen die Poller nach dem Zurückrollen auf die Schienen mit einer Art Wagenheberkurbel aufs Pflaster abgelassen werden. Sonst könnten sie ja vom Terror-BMW einfach weggeschoben werden – nicht Sinn der Sache.
Es ist eine brillante Metapher für deutschen Amts-Eifer: Wir haben zwar ein Problem (Terrorgefahr) und eine funktionierende Infrastruktur (Tram), aber wir lösen das Dilemma auf, indem wir 350-Kilo-Hindernisse auf den Rathausplatz stellen und sieben Männer dafür bezahlen, diese alle 28 Sekunden neu zu positionieren. Wir lassen uns doch unsere abendländische Kultur nicht nehmen!
EMV-Power am Perlachberg: Der Poller muss weg, die Tram kommt!





