DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Montag, 19.05.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Rassismus als Alltagserfahrung

Wenn man in Augsburg und anderswo in Sachen Rassismus einen sensiblen inneren Seismographen entwickelt hat, dann wohl deshalb, weil man schwarz sozialisiert ist. Wenn man zur weißen Mehrheitsgesellschaft gehört, dann muss man davon ausgehen, dass man für eine Rassismus-Seismologie nicht besonders empfänglich ist. Empfindsamkeit in Sachen Rassismus ist ein langer Prozess. Davon wissen die Gründer von „Open Afro Aux“ zu erzählen.

Von Siegfried Zagler

Open Afro Aux: Janet Habtemariam, Johanna Kidane, Isabella Hans, Cynthia Udoh, Jessica-Believe Djigbondi Amesse, Saliu Bah, Wayene Tewlde, Fabienne Molela (v.l.) © DAZ

„Jim Knopf habe ich als Kind immer geliebt, an der Figur und an der Geschichte konnte ich damals nichts Rassistisches finden“, sagt Fabienne Molela. „Ja, ich auch – aber was die Stadt aus der Figur am Roten Tor-Spielplatz gemacht hat, ist durch und durch rassistisch. Die schwulstigen Lippen entsprechen nicht dem Orginal, wohl aber einem rassistischen Stereotyp“, erwidert Saliu Bah und findet damit ungeteilte Zustimmung bei allen von Open Afro Aux, eine Gruppe, die sich jeden Freitagabend trifft, um sich auszutauschen und Aktivitäten zu planen.

Einige kannten sich bereits vorher, doch nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd kam eine politische Dynamik in die Gruppe, die sich konstituiert hat, um sich beharrlich und mit mikroskopischer Genauigkeit gegen Rassismus in Augsburg zu engagieren. Man werde politisch agieren, aber parteiübergreifend. „Rassismus gibt es überall, weshalb man natürlich über die Stadtmauern hinaus vernetzt und organisiert ist, aber die Stadt Augsburg ist unsere Nummer eins“, so Isabella Hans.

Alle sind in Augsburg geboren und aufgewachsen, die meisten sind Studenten, einige arbeiten in sozialen Berufen. Sie sind alle in etwa gleich jung und sie verbindet etwas, das man nicht wie eine ausgelaugte Identität ablegen oder mittels sozialem Aufstieg überwinden könnte: Sie sind schwarz und besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.

„Wir haben eine Rolle, die wir nicht wechseln können, also müssen wir hier klarkommen und dem Negativen entgegenwirken“, sagt Fabienne Molela, „denn schließlich geht es bei Open Afro Aux auch um uns selbst“. Ob man sich denn als Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse sehe – in einer Opferrolle?

Das Nein zu dieser DAZ-Frage kommt nicht entschieden, aber es kommt, obwohl alle rassistische Übergriffserfahrungen kennen. „Wir treffen uns auch, um rassistische Alltagserfahrungen auszutauschen“, sagt die Gruppe beinahe im Chor. „Schwarze sind meist coole Musiker, Comedians, Sportler oder Schauspieler, das ist deine Sicht, also eine weiße Sicht auf uns. Uns ist schon klar, dass in deiner Welt Schwarzsein Coolsein bedeutet, doch für uns sieht das anders aus.“

Damit meint Saliu Bah das Framing der weißen Mehrheitsgesellschaft. „Der Horizont, der uns mitgegeben wird, was von uns erwartet wird, ist eher flach,“ so Bah, der erzählt, dass man sich in der Schule darüber wunderte, dass er so gute Noten habe, wo er doch (…) . Er spricht den Satz nicht zu Ende, sieht kurz zur Decke und sagt: „Meine Mutter ist weiß, als ich es ihr erklärte, verstand sie es nicht.“

„Meine Mutter ist schwarz, auch sie verstand es nicht, weil sie nicht in Europa aufgewachsen ist“, erwidert Isabella Hans und lacht. Es gehe darum, dass die Geschichte Europas zum Beispiel nur aus einer Perspektive erzählt wird und es kein multiperspektivisches historisches Narrativ gibt. Das N-Wort und das M-Wort komme zum Beispiel aus der Erzählperspektive der weißen Mehrheitsgesellschaft und habe selbstverständlich eine rassistische Konnotation.

Jeder in der Gruppe hat Erfahrungen der Herablassung und Ächtung im Zusammenhang mit diesen Fremdzuschreibungen gemacht, weshalb es sogar so ist, dass man getriggert werde, wenn man sie unvermittelt auch hier in der Gruppe höre, „selbst wenn es nur Zitate sind“. – „Ich hatte Phasen, da stand ich immer auf Hab acht“, so Janet Habtemariam.

Jim Knopf: Orginal und rassistische Replikation © DAZ

In Augsburg ist Rassismuskritik nach einer langen Wirkzeit angekommen. Das Drei M***** wird umbenannt – auch wegen der Black Lives Matter-Bewegung. Die Geschichte der Fugger und Welser bekommt nach einer Kritik-Kanonade am Fugger Welser Erlebnismuseum wohl eine zweite Erzählperspektive, woran gerade gearbeitet wird. Sie seien auch gefragt worden, ob sie daran mitarbeiten wollen. Sie wollen. In Kürze wird es in Augsburg eine Antidiskriminierungsbeauftragte geben. Beschlossen wurde diese Stelle bereits vor einem Jahr.

Angesprochen auf das Facebook-M*****kopf-Posting der Kreisvorsitzenden der Freien Wähler, gibt es bei Open Afro Aux keine zwei Meinungen darüber, dass dieses Posting rassistisch sei, weshalb Frau Lippert aber noch keine Rassistin sein müsse. Dabei verhalte es sich wie beim Gebrauch der N und M Wörter. „Wenn man sie weiterhin benutzt, obwohl man ihren rassistischen Hintergrund kennt, dann ist man auch Rassist“, sagt Fabienne Molela.

Konkrete Kontakte gibt es bereits mit der Fraktion der Grünen und auch mit den Jusos habe man bereits gesprochen. Mit Open Afro Aux kann man über ihre Facebookseite in Kontakt treten. Allen Fraktionen im Stadtrat sei dies an dieser Stelle empfohlen.

 

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Gaswerk: Stadtwerke kündigen Neubau für Bands und Musiker an

Knapp 2000 Quadratmeter Fläche soll für Kunst und Kreativwirtschaft laut Stadtwerke bis Ende 2021 entwickelt werden.  Mit einem Neubau schaffen die Stadtwerke Augsburg (swa) bis Ende 2021 auf dem Gaswerkareal weitere knapp 2.000 Quadratmeter Fläche für Bands und Musiker vom Reese-Areal. Mit dem Bau wird voraussichtlich im Herbst begonnen. Parallel wird bis Herbst 2022 das Reinigergebäude für Start-Ups und Unternehmen der Kreativwirtschaft saniert. Seit 2016 entwickeln die swa als Eigentümer zusammen mit [...]

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Gastkommentar zur Rassismusdebatte: Drei Figuren mit Kapuze und langem Bart und roten Backen

“Kleinwuchs, Kleinwüchsigkeit oder Mikrosomie beim Menschen ist eine Bezeichnung für ein nicht der Norm entsprechendes, geringeres Körperlängenwachstum, das durch eine Vielzahl von angeborenen oder erworbenen Wachstumsstörungen hervorgerufen werden kann.” So steht es bei Wikipedia, außerdem ist dort zu erfahren, dass zirka 100.000 kleinwüchsige Menschen in Deutschland leben. Gastkommentar von Peter Hummel “Liliputaner” und “Zwerg” waren lange gängige Begriffe, die für […]

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Die Peinlichkeiten der Anderen und die Frage: Warum schämt man sich eigentlich fremd?

Was haben Eva Weber und Angelika Lippert gemeinsam? Nicht viel, wenn man davon absieht, dass beide Frauen sind und sich gern auf Facebook blamieren Kommentar von Siegfried Zagler Derjenige, der sich für andere schämt, tut dies aus einer vermeintlich höheren kulturellen oder moralischen Position heraus. Man schämt sich deshalb, weil andere gegen Standards und Normen […]

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Maximilianmuseum erhält bedeutende Dauerleihgabe

Mit ihrer zarten Schlichtheit, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Augsburger Goldschmieden geschaffen wurde, bereichern zwei Wärmeglocken und Servierteller aus dem vergoldeten Prunkservice Augusts des Starken die Sammlung des Maximilianmuseums. Zwei große Servierteller mit Wärmeglocken aus dem vergoldeten Prunkservice Augusts des Starken (1670-1733) erhält das Maximilianmuseum nun als Dauerleihgabe. Geschaffen wurden diese 1730 in […]

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Coronavirus in Augsburg: 20 Neuinfektionen bestätigt – Situation bleibt kritisch

Das Gesundheitsamt der Stadt Augsburg meldet 20 neue Covid-19-Fälle. Die Neuinfektionen wurden bei Reiserückkehrenden festgestellt. Als Infektionsorte wurden unter anderem der Kosovo (zehn Fälle), Kroatien (zwei Fälle) und die Türkei (2 Fälle) ermittelt. Insgesamt wurden in Augsburg bisher 670 Infektionen mit dem Coronavirus bestätigt. 581 von 670 Personen sind genesen, 73 sind aktuell erkrankt, 16 Personen […]

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Rassismusdebatte: Regio-Chef Beck räumt Schwächen ein, verteidigt Gesamtkonzept und will Fugger Welser Museum „noch besser“ machen

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Coronavirus: In einem Monat soll in Russland geimpft werden

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Rassismusdebatte: Fugger und Welser Erlebnismuseum verändert Konzept

Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd brechen durch die Black Lives Matter-Bewegung Dämme, die für die Ewigkeit gebaut schienen. Selbst das erst 2014 eröffnete Fugger und Welser Erlebnismuseum muss einen “Schlag in die Magengrube” verarbeiten. Von Siegfried Zagler Im Augsburger Fugger und Welser Erlebnismuseum lässt sich in Erfahrung bringen, wie der sagenhafte Reichtum der […]

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Schaezlerpalais: Neue Sonderausstellung „Wort – Schrift – Verwandlung“ des Augsburger Künstlers Zaven Hanbeck

Eine bemerkenswerte Sonderausstellung „Wort – Schrift – Verwandlung“ ist ab kommenden Freitag, 21. August bis zum 11. Oktober 2020 im Café und im Liebertzimmer des Schaezlerpalais zu sehen Die künstlerischen Arbeiten von Zaven Hanbeck (*1938 in Teheran, Iran) zeigen sowohl Motive aus Flora und Fauna, als auch seine stete Auseinandersetzung mit dem geschriebenen Wort. Dem […]

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Coronavirus in Augsburg: Besorgniserregende Zunahme von Neuinfektionen – 617 Fälle bestätigt

Das Gesundheitsamt der Stadt Augsburg verzeichnet seit Freitag,14. August, 21 neue COVID-19-Fälle. 16 Neuinfektionen wurden bei Reiserückkehrenden aus Kroatien, Bosnien, dem Kosovo, Spanien, Italien, Rumänien und der USA festgestellt. Bei fünf Personen ist der Infektionsort aktuell noch unbekannt. Insgesamt wurden bisher 617 in Augsburg wohnhafte Personen positiv auf das Coronavirus getestet. 558 von 617 Personen sind […]

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Coronavirus in Augsburg: Neun Neuinfektionen bestätigt

Das Gesundheitsamt der Stadt Augsburg verzeichnet neun neue COVID-19-Fälle. Darunter Reiserrückehrende aus Kroatien, Spanien, Rumänien, Serbien, Albanien und dem Kosovo. Insgesamt wurden bisher 596 in Augsburg wohnhafte Personen positiv auf das Coronavirus getestet. 555 von 596 Personen sind genesen, 25 sind aktuell erkrankt, 16 Personen sind verstorben. – In den vergangenen sieben Tagen wurden 24 Neuinfektionen im […]

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Kurznachrichten

Gedenkjahr 1525: Das Fugger- und Welser-Erlebnismuseum widmet sich dem „Bauernkrieg“



Halb Deutschland gedenkt der Revolution von 1525. Landesausstellungen in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Reinland-Pfalz und Baden-Württemberg verleihen dem bedeutenden Ereignis prominenten Raum und auch das Land Bayern hat ihm eine eigene Ausstellung in Memmingen gewidmet. Nur in Augsburg scheint man sich schwer zu tun mit dem gemeinen Volk und dem Krieg. Obwohl Augsburgs Jakob Fugger durch seine […]

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3. Vielfalt Film Festival

Auch in diesem Jahr flimmert zum Abschluss der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Kooperation mit dem Augsburger Filmbüro das Vielfalt Film Festival über die Leinwand. Die acht Festivalfilme (30. März – 4. April) werden von verschiedenen Kooperationspartnern präsentiert, die nach den Vorstellungen zu Filmgesprächen einladen. Der Flyer:

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Schulterschluss für Demokratie Vielfalt und Menschenwürde: Internationale Wochen gegen Rassismus in Augsburg 2025

Seit 2021 beteiligt sich die Stadt Augsburg an diesem deutschlandweiten Projekt, das bereits seit 2008 besteht und um den 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, unter der Schirmherrschaft der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus ausgerichtet wird. Das Büro für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg hat in Kooperation mit zahlreichen Organisationen und Initiativen […]

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“Let’s Talk Bundestagswahlen“ – eine Podiumsdiskussion von jungen Menschen für junge Menschen



Am Dienstag, den 18.02.2025, veranstalten Schülerinnen der Q12 des Stetten-Gymnasiums in Kooperation mit dem Maria-Theresia-Gymnasium eine Podiumsdiskussion zu den bevorstehenden Bundestagswahlen. Auf dem Podium diskutieren Teilnehmende von insgesamt fünf Jugendorganisationen: Laura Sameit (Jusos Augsburg) Maren Dörr (Grüne Jugend Augsburg) Paul Schwendrat (Julis Augsburg) Etienne Dankelmann (Junge Union Augsburg) und eine Vertretung der Linksjugend Augsburg. Drei […]

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„Im Gedenken der Kinder“ – Ausstellung zu den Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit



Eine Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e.V. in der Augsburger St.-Anna-Kirche erinnert an die nationalsozialistischen Verbrechen an Kindern mit Behinderung. Begleitend zeigt eine Kino-Matinee im Thalia die Lebensgeschichte von Ernst Lossa, der im Alter von 14 Jahren von nationalsozialistischen Medizinern ermordet wurde. Vor etwa achtzig Jahren begannen die systematischen Tötungen von […]

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