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Mittwoch, 18.06.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Der Kommentar

Kommentar zur Bundestagswahl: Die letzte Chance der SPD

„In Deutschland wählt man keine Kanzler, sondern Parteien.“ Diese formal durchaus richtige Feststellung war immer schon falsch. Denn Parteien machen ihre Kanzlerkandidaten und entwickeln ihre Personal-Tableaus und Seilschaften mit größerem Aufwand als ihre Programme.

Kommentar von Siegfried Zagler

Der Erfolg einer Bundespartei steht und fällt mit ihrem Kanzlerkandidaten, weil dessen Qualität nicht nur verdichtete Auskunft über deren Programmatik gibt, sondern auch den Gesamtzustand einer Partei zum Ausdruck bringt. Köpfe verkörpern Glaubwürdigkeit und Authentizität, Wahlprogramme tun das nicht.

Dass die Union und die Grünen zur Bundestagswahl am 26. September zwei Kandidaten nominierten, die sich dergestalt weit von einer Qualifikation für das Bundeskanzleramt entfernt befinden, ist kein unglücklicher Zufall, sondern bei beiden Parteien eine Spiegelung ihrer innerparteilichen Strukturschwächen, die dafür sorgten, dass mit Armin Laschet und Annalena Baerbock zwei Stereotypen der Mittelmäßigkeit Karriere machen konnten. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang natürlich auch, dass Mittelmaß in Sachen Bundeskanzleramt alles andere als ein Ausschlusskriterium ist, wie man zum Beispiel an den Namen Kiesinger, Kohl, Schröder und Merkel ablesen kann.

„Mittelmäßigkeit“ ist auch ein zutreffendes Merkmal des SPD-Kandidaten Olaf Scholz. Das Sensationelle daran ist nun, dass ein Großteil der Wählerschaft erkannt zu haben scheint, dass das Mittelmaß von Scholz deutlich besser zum Amt passt als das der beiden anderen Kandidaten. Der ehemalige Oberbürgermeister von Hamburg und der aktuelle Vizekanzler wie Finanzminister muss sich am wenigsten strecken, um in das Amt hinein zu wachsen, während man weder Baerbock noch Laschet ein in das Amt-Hineinwachsen zutraut. Man könnte es auch weniger euphemistisch sagen: Baerbock und Laschet haben auf niedrigstem Niveau verbockt , was man nur verbocken kann.

Laschet hat die Union in Umfragen von 36 Prozent im Januar auf 22 Prozent im September gestürzt. Nach seinem Vor-Ort-Gefeixe während der Steinmeier-Rede zur Flutkatastrophe ist er auf einen Schlag zu einer schweren Belastung für die Union geworden. Das Gleiche gilt für Baerbock, deren Affären in der Summe ihr die grünen Kleider ausgezogen haben.

Baerbock ist jetzt nackt und muss dennoch irgendwie durchhalten. Ihre Parteikarriere und ihre Kanzlerkandidatur unterstreichen, dass die Grünen nun auch dort angekommen sind, wo sich die anderen etablierten Parteien längst befinden, nämlich im Habitus der Selbstgefälligkeit und bedingungslosen Selbstbeweihräucherung zugunsten des eigenen Fortkommens. Analyse und Differenziertheit sind der Redundanz der Partei-Sprech-Schablonen und Wahlkampf-Agenturen geopfert worden. Starke Biografien wurden durch glatte Karrieren ersetzt. Alle Parteien fördern diese Krankheiten und leiden darunter, ohne dagegen etwas zu unternehmen. Die Parteisoldaten Baerbock und Laschet sind geplatzt wie zwei zu groß aufgeblasene Luftballons. Der Wähler bestraft zurecht ihre Parteien, falls kein Wunder geschieht und sich alle Meinungsforschungsinstitute geirrt haben sollten.

Dass der Wähler wohl die Union in die Opposition schickt, erhält eine ironische Note, da ausgerechnet die SPD davon profitiert. Die Meisterin des Mittelmaßes und der Kleinteiligkeit hat sich vom Totenbett erhoben. Sie profitiert aber nicht nur von den abgestürzten Kandidaten der anderen, sondern auch davon, dass man ihr es wohl am ehesten zutraut, dort den Hebel anzusetzen, wo es am nötigsten ist, nämlich bei der sozialen Frage.

Denn trotz anhaltend guter Konjunktur auch während der Coronakrise ist fast jeder sechste Bundesbürger von der Armut gefährdet, sagt das Statistische Bundesamt. 40 Prozent der Beschäftigten verdienen real deutlich weniger als vor 20 Jahren, sagt das Wirtschaftsministerium. 70.000 bis 80.000 Fachkräfte fehlen immer noch bundesweit in der Krankenpflege. 40.000 zusätzliche Fachkräfte bräuchte es in der Altenpflege, sagen die Gewerkschaften. Die Förderung des staatlichen Wohnungsbaus hinkt dieser Entwicklung weit hinterher. Das Wohnen in den Städten ist für Normalverdiener und Familien kaum noch bezahlbar. Das sagt kein Amt und auch keine Gewerkschaft, sondern pfeifen die Spatzen von den Dächern: Eine soziale Katastrophe, die sich im Alltag von Millionen Bundesbürgern abbildet. In einem der reichsten Länder der Welt vollziehen sich, als wäre das nicht genug, noch zwei andere Katastrophengebilde: Bildungsnotstand und Altersarmut.

Dies hat die SPD im hohen Maß mitzuverantworten. Dies zu reparieren sollten nun die vornehmsten Aufgaben eines sozialdemokratischen Kanzlers und der deutschen Sozialdemokratie sein. Es handelt sich um die letzte Chance der SPD.

 

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