FCA: Vor der Schicksalspartie gegen Bremen
Die FCA-Führung hat sich mit ihrer Kaderpolitik in den zurückliegenden Jahren schwere Fehler erlaubt, die bisher folgenlos blieben. Es ist gut möglich, dass auch in der 10. Bundesligasaison diese Fehler nicht bestraft werden. Allerdings sollte man festhalten, dass die Augsburger kurz vor Saisonschluss dem Abstieg noch nie so nah waren.
Von Siegfried Zagler
Am morgigen Samstag steht der FC Augsburg wohl vor dem wichtigsten Spiel seiner zehnjährigen Bundesligageschichte. Verlieren die Brechtstädter am 33. Spieltag gegen Bremen und gewinnt gleichzeitig die direkte Konkurrenz (Bielefeld gegen Hoffenheim und Köln gegen Hertha), dann müsste der FCA gegen Bayern München gewinnen, um einen möglichen Abstieg zu vermeiden, da die Kölner zu Hause Schalke empfangen. Alle Fußballfans in Augsburg kennen die Tabellensituation.
Natürlich sollte man auch folgender Überlegung Raum geben: Wie würde die Augsburger Sportpresse den Sachverhalt bewerten, sollte der FCA unter Weinzierl keinen Punkt mehr holen – und dennoch nicht absteigen? Eine durchaus mögliche Option. Was wäre zu sagen, würden die 33 Punkte ausreichen, die Augsburg zusammen mit dem geschassten Trainer Heiko Herrlich geholt hat? Wahrscheinlich ist auch die Möglichkeit, dass der FCA mit Weinzierl in die Relegation geht, oder direkt absteigt – mit 33 Punkten.
Die Schicksalspartie gegen Bremen ist eine Fifty-Fifty-Angelegenheit, deren Ausgang auch vom Spielglück abhängt. Sollte der FCA gewinnen, wären die Analysen der Sportpresse nicht weniger holzschnittartig als der aktuelle Phrasenoptimismus aus dem Augsburger Lager. “Alles richtig gemacht, wenn auch ein bisschen spät”, wäre der Reflexionskanon. Dabei ist es genau umgekehrt: Alles falsch gemacht, seit der Freistellung von Manuel Baum.
Festzuhalten ist jedenfalls, dass seitens der sportlichen Leitung nach Manuel Baum und Stephan Schwarz ein Bock nach dem anderen in Sachen Kaderbildung geschossen wurde. (Ein kurzer Verweis auf die kaum definierte Kurzverpflichtung von Jens Lehmann sollte nicht fehlen: Ein Anfängerfehler, der heute noch um ein Vielfaches unverständlicher ist, als zum damaligen Zeitpunkt.).
Manuel Baum, der wohl heute noch FCA-Trainer wäre, hätte er nach dem Abgang von Marwin Hitz einen ähnlich starken Torhüter im Kader gehabt, war der letzte ernstzunehmende FCA-Trainer. Über Trainer Dirk Schuster (Weinzierls Nachfolger) sollte man nicht sprechen, da dieser Fehlgriff sehr zügig repariert wurde – im Gegensatz zum Augsburger Torhüterdesaster. Über die Verpflichtung von Tomas Koubek sollte man auch nicht mehr sprechen müssen, wäre er nicht die aktuelle Nummer zwei. Eine Verletzung oder eine Formschwäche von Gikiewicz ist also undenkbar.
Mit Martin Schmidt holte der FCA einen Wald-und-Wiesentrainer aus der Versenkung, der schnell verbraucht war. Danach folgte Heiko Herrlich, der seine Versprechungen nicht hielt und den FCA zu einer ängstlichen Mannschaft transformierte, die aus dem Unterlegenheitsgefühl heraus Fußball spielte. Das FCA-Spiel wurde vollkommen unerträglich und als der sportliche Erfolg ausblieb, musste Herrlich zurecht gehen, da unter seiner Ägide die sportliche Schwächung des Kaders weiter vorangetrieben wurde: Mit Tobias Strobl und Allrounder Daniel Caligiuri sollte Daniel Baier ersetzt werden. Baiers Ausbootung war nicht nur vom Umgang her katastrophal, sondern auch sportlich falsch. Strobl ist eigenschaftslos wie die Romanfiguren Martin Walsers, Caligiuri ist als Tiger abgesprungen und als Bettvorleger gelandet.
Also reagierten Reuter und Hofmann, um mehr Kreativität und Torgefährlichkeit aus dem Mittelfeld heraus zu generieren. Und sie holten einen Moritz Leiter 2.0, nämlich Laslo Benes, der dem FCA bei der Reparatur seiner Mängel nicht weiter helfen konnte und dies auch nicht kann, falls der FCA erstklassig bleiben sollte.
Es wird seitens der Sportberichterstattung gerne behauptet, dass Herrlichs Freistellung zu spät kam, doch das ist falsch. Nicht der Zeitpunkt von Herrlichs Entlassung war falsch, sondern seine Verpflichtung war der Fehler, wenn man die unsäglich lange Zeit des Herrlich-Fußballs bewertet. Doch offenbar kann man selbst dies anders sehen: Wenige Wochen vor Herrlichs Rauswurf sagte FCA-Manager Stefan Reuter sinngemäß, dass er sich eine sehr lange Zusammenarbeit mit Herrlich wünsche, da dieser fachlich absolut kompetent sei. Diese Aussage sollte ausreichen, um auch Reuter anzuzählen.
Doch wer weiß, vielleicht liegt Reuter gar nicht so falsch. Möglicherweise hat Herrlich mit seiner destruktiven Spielweise das Optimum aus dem FCA-Kader geholt – punktemäßig. Wäre dem so, wäre der Augsburger Kader für die Bundesliga zu schwach und Herrlich ein verkanntes Trainergenie.
Unabhängig davon folgte der nächste schwere Fehler, nämlich die Verpflichtung von Markus Weinzierl. Sie ist mit zwei Begriffen zu umschreiben: Populismus und Prinzip Hoffnung. Als Begründung für die Verpflichtung Weinzierls gab es die gleichen gestanzten Verlautbarungen wie bei den Verpflichtungen von Schuster, Schmidt und Herrlich. Nur Manuel Baums Engagement war durchdacht und darüber hinaus mutig gedacht.
Markus Weinzierl würde seine vierte Chance als Bundesligatrainer erhalten, sollte der FCA am Samstag gegen Bremen gewinnen. Es ist ihm und dem FCA zu wünschen, dass er sie nutzt.