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Dienstag, 11.03.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Afghanistan: Das Ende der Politik, der Untergang des politischen Establishments

Anmerkungen zu Afghanistan

Kommentar von Siegfried Zagler

Die Nachrichten und Bilder, die uns bisher aus Afghanistan erreichten und uns noch länger heimsuchen werden, sind eine schmerzvolle Unerträglichkeit. Grundschuld und Mitverantwortung sind von den hiesigen Medien sehr genau kommentiert und schonungslos analysiert worden. Zu kurz kam dabei allerdings der Sachverhalt, dass es in den vergangenen Jahren und Monaten nicht die Innenministerien, nicht die Ämter oder gar der Ehrenbürger der Stadt Augsburg, nämlich Innenminister Horst Seehofer waren, die die Sicherheitslage in Afghanistan richtig einschätzten, sondern die NGOs, Flüchtlingsräte sowie Geflüchtete und deren Angehörigen vor Ort. Afghanistan war nie sicher.

Und dennoch wurden bis vor zwei Wochen Asylanträge abgelehnt und medienwirksam nach Afghanistan abgeschoben. Eine Wahrheit im Zerrbild und im Versagen bezüglich der deutschen Politik, die nun in ihrer größten Vertrauenskrise der Nachkriegsgeschichte angekommen ist, besteht darin, dass einer ungeheuer großen Personengruppe von deutschen Behörden Schutz verwehrt wurde, der ihnen gemäß Grundgesetz zugestanden hätte. Unzählige Verwaltungsvorgänge sind demnach hierzulande festzuhalten, die Handlungsweisen eines Unrechtsstaats ähneln. Dies darf niemals vergessen werden!

Nach dem Afghanistan-Desaster steht kein Stein mehr auf dem anderen. Das Restvertrauen in die deutsche Politik scheint während der Corona-Krise, nach der Flutkatastrophe nun und wegen Afghanistan pulverisiert. Als „Ende der Politik“, als „Untergang des politischen Establishments“ wurde Donald Trumps Regentschaft in den USA bezeichnet. Wir sind in Deutschland nicht mehr weit davon entfernt.

In diesem Zusammenhang muss an das zynische Gefeixe Seehofers erinnert werden, der sich vor drei Jahren an seinem 69. Geburtstag darüber freute, dass 69 Personen nach Afghanistan abgeschoben wurden. Schaut man sich dieses Statement heute auf You Tube an, schämt man sich in Grund und Boden. Horst Seehofer als noch aktiven Politiker zum Augsburger Ehrenbürger zu ernennen, stellt einen ebenso beschämenden Vorgang dar, der schnellstmöglich rückgängig gemacht werden sollte.

Erstmalig in der Geschichte der BRD befinden sich beide „Volksparteien“ in Umfragen einem Monat vor der Bundestagswahl leicht über 20 Prozent. Für die SPD ist das ein Aufschwung, für die Union ein Einbruch, ein Absturz, der wohl in erster Linie ihrem Kanzlerkandidaten geschuldet ist. Das Staatsversagen bezüglich Afghanistan scheint diesen Trend zu verfestigen, da die Unionsparteien für eine rigide Asylpolitik bezüglich Afghanistan stehen.

Noch hält man den Atem an, bangt und hofft darauf, dass so viele gefährdete Menschen wie möglich die Ausreise gelingt, dass die Fluchtkorridore länger geöffnet bleiben als prognostiziert. Dann aber beginnt die Zeit der Aufarbeitung. Beginnt die Zeit der Abrechnung, die dieses Mal, so die Hoffnung, an der Wahlurne stattfindet.