DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Donnerstag, 21.08.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Theater

Staatstheater Augsburg: Erstarrung auf dem Zauberberg

„Staatsintendant André Bücker entdeckt das berühmte Opus Magnum für die Bühne des martini-Park neu und bezieht die philosophischen und politischen Fragen des Romans auf unsere Gegenwart. Die Empfindung von Raum und Zeit, die Erfahrung sozialer Entschleunigung und Isolation sowie der Umgang mit Krankheit und Tod werden im Zuge der Pandemie auch auf dem Theater neu verhandelt.“ So wirbt das Augsburger Staatstheater auf seiner Homepage für den dramatisierten Mann-Roman. Ob Thomas Manns Roman überhaupt bühnentauglich ist, fragt sich dagegen DAZ-Autorin Halrun Reinholz und kommt nach drei Stunden im Martinipark zu einer Empfehlung mit ironischem Vorbehalt: „Ein anstrengender, aber nicht sinnloser Theaterabend.“ 

Foto: © Jan-Pieter Fuhr

Der monumentale Roman von Thomas Mann als Bühnenstück? Staatstheaterintendant André Bücker geht in dieser Spielzeit der neuen Hoffnungen in die vollen und versucht sich genau daran, den komplexen Stoff, der von philosophischen, weltanschaulichen und zeitgeschichtlichen Diskursen durchzogen ist, auf die Bühne des Martiniparks zu bringen.

Von Halrun Reinholz

Sicherlich bietet die Pandemie den konkreten Anlass, die Erstarrung der Welt, die den Blick auf Krankheit fokussiert, zu thematisieren. „Große Zeiträume schrumpfen bei ununterbrochener Gleichförmigkeit auf eine das Herz zu Tode erschreckende Weise zusammen.“ Diese Aussage Herrn Albins zeigt überraschende Parallelen zwischen der Ausnahmewelt der Lungenpatienten im Davoser „Berghof“ und dem Ausnahmezustand in der Pandemie-Phase. Doch diesen allzu offensichtlichen Assoziationen widersteht Bücker weitgehend, auch wenn gelegentlich etwas Desinfektionsspray zum Einsatz kommt oder die eine oder andere Andeutung fällt.

Der Faszination von Thomas Manns „Zauberberg“ kann man sich schwer entziehen. Auch als Mann-affine Zuschauerin nicht. Die Affinität sollte man allerdings auf jeden Fall haben, für Unbedarfte ohne Hintergrundwissen zum Roman dürfte die Inszenierung wohl kaum ergiebig sein.

Julius Kuhn verkörpert überzeugend den jungen Hans Castorp, der aus der fernen Welt des richtigen Alltagslebens als hanseatischer Ingenieur für drei Wochen nach Davos kommt, um schließlich sieben Jahre in diesem zeitlosen Mikrokosmos zu bleiben. „Und dann ist das Klima nicht das einzig Sonderbare bei uns“, warnt ihn sein Vetter Joachim Ziemßen (Paul Langemann), dem der zunächst unverbindliche Besuch Castorps im Sanatorium gilt, gleich bei seiner Ankunft. Auf der Martinipark-Bühne ist diese besondere Welt ein etwas chaotisch anmutendes Sammelsurium von Metallgestellen mit vielfach schwenkbaren Glasflächen (Bühne: Sina Barbra Gentsch), was sich nach anfänglicher Befremdung im Laufe des Spiels jedoch als recht wandelbare und vielfältige Kulisse erweist, ja sogar effektvolle Spiegelungen ermöglicht.

Eine Herausforderung für die Darsteller, die teils in wechselnden Rollen und Kostümen auf- und abtreten, sich auf der ständig sich drehenden Bühne oder daneben bewegen und die Glasflächen entsprechend verstellen und verschieben. Vor dieser Dauerbewegung und Dynamik spielen sich die zentralen Handlungen und Dialoge ab, wie sie im Roman über viele Seiten vorkommen: Clawdia Chauchat, die von Hans Castorp umworbene Sehnsuchtsfigur (Mirjam Birkl) verkörpert zwischendurch auch dessen Jugendfreund Prbislav Hippe, Ludovico Settembrini (Norbert Stöß) besticht als langhaarig-unordentlicher Intellektueller mit 68er Touch.

Sein Gegenspieler Naphta (Andrej Kaminsky) trägt seine ideologischen Ansichten mit verbissener Miene zur Schau. Eindrucksvoll auch der Auftritt von Mynheer Peeperkorn (Michael Schrodt), durchtrainiert und tätowiert in „Alles-oder-nichts“-Manier. Zentrale Figuren sind neben Castorp noch der Chefarzt Hofrat Behrens (Kai Windhövel) und sein Assistent Dr. Krokowski, im Original der Vertreter der freudschen Seelendeutung, hier sinnigerweise mit einer leicht esoterisch angehauchten Frau mit Gretchenzopf (Stephanie Schönfeld) besetzt.

Die Charaktere leben von ihren Texten, die weitgehend im Original aus dem Roman kommen und die Bühnenakteure, aber auch die Zuschauer, maximal herausfordern. Originelle und kurzweilige Regie-Einfälle können da zwar auflockern, machen aber noch keine dramatische Handlung aus dem textlastigen Roman. Gelungen ist allerdings die Einbindung der Musik. Stefan Leibold agiert aus dem Off, spielt die von Mann im Roman erwähnten Musikstücke in dramatisch aufgeladenen Schlüsselszenen.

Ein anstrengender, aber nicht sinnloser Theaterabend, der für die von den Schauspielern expressiv gesprochenen Mann-Texte höchste Konzentration erfordert.

Etwas manierierte Regie-Einfälle – etwa der in Castorps Armen sterbende Ziemßen oder die sinnfreie Entkleidung Castorps zum Schluss –  sind zwar typisch für Bücker, aber kaum mit Manns hanseatisch-sarkastischer Sachlichkeit in Einklang zu bringen. Der respektvolle Applaus für die Darsteller kam dem Publikum aus dem Herzen. Auch deshalb, weil man nach drei Stunden erleichtert war, dass es vorbei ist.   

Bleibt also die Frage, ob Manns Zauberberg auf die Bühne gehört. Ob die philosophischen und weltanschaulichen Diskussionen nicht besser in aller Ruhe, mit der Option zum Zurückblättern, einfach gelesen werden sollten – oder in einem opulenten Film verarbeitet. Dass auf der Bühne nur ein Bruchteil der Welt des 1924 erschienen Romans ankommen kann, hat sich auch bei dieser Inszenierung erwartungsgemäß bestätigt. Ein Besuch im Martinipark lohnt sich für Zauberberg-Fans unter diesem Vorbehalt aber trotzdem.

gesamten Beitrag lesen »



„Der Drache“ in der Brechtbühne: Eine bittere Komödie mit aktuellen Bezügen

Das Stück „Der Drache“ von Jewgeni Schwarz stammt aus dem Jahr 1943. Schon seine Aufführungsgeschichte zeigt, dass die Märchenlogik – das Gute besiegt das Böse – im realen Leben nicht so recht funktioniert. Von Halrun Reinholz Seit Jahrhunderten beherrscht ein Drache die Stadt. Jedes Jahr holt er sich eine Jungfrau und heiratet sie. Klassischer Fall […]

gesamten Beitrag lesen »



Uraufführung in der Brechtbühne: „Die Antwort auf alles“

Ein vielversprechender Titel, mit dem die Spielzeit am Theater eröffnet wird. „Endlich“, getreu dem Spielzeitmotto, stehen wieder Menschen auf der Bühne. Und (man glaubt es kaum) selbst im Zuschauerraum sind die Abstandsregeln gefallen, man sitz wieder „normal“ nebeneinander, wenn auch mit Maske. Die neue „Normalität“ hat sich aber noch nicht so herumgesprochen, zumindest scheint es […]

gesamten Beitrag lesen »



Cyrano de Bergerac: Poetische Wort-Duelle auf Kunstrasen

Das Augsburger Staatstheater überzeugt mit einer eigenen Stückfassung des Cyrano de Bergerac Von Halrun Reinholz Welch ein Glück, dass das Theatergelände im Martinipark, bei allen Nachteilen eines Ausweichs-Provisoriums, die Weitläufigkeit besitzt, die dem Theater den „Kunstrasen“ als Spielstätte anbietet! Schon im letzten Jahr haben die Corona-Beschränkungen es nahegelegt, Aufführungen unter freiem Himmel anzubieten, um den […]

gesamten Beitrag lesen »



All That Jazz: Das Musical „Chicago“ auf der Freilichtbühne

Nach der langen Abstinenz mutet es fast surreal an, zwischen lebendigen Menschen auf den Rängen der Freilichtbühne zu sitzen. Klar, in gebührendem Abstand und mit freien Reihen dazwischen, die Maske jederzeit griffbereit. Man hat sich an einiges gewöhnt in den letzten 18 Monaten. Und dieser fast normal wirkende Theaterabend lässt hoffen, dass zumindest der Sommer […]

gesamten Beitrag lesen »



Staatstheater Augsburg: Ein interessanter Spielplan, auf den man sich freuen darf

Das Theater Augsburg stellt voller Optimismus einen üppigen Spielplan für die Saison 2021/2022 vor Von Halrun Reinholz Noch steht es ja in den Sternen, wie viele Zuschauer in den Genuss des Sommer-Programms kommen werden, das sich das Theater als Restbestand der Spielzeit 2020/2021 ausgedacht hat: „Chicago“ auf der Freilichtbühne, „Cyrano de Bergerac“ und anderes „Kleinzeug“ […]

gesamten Beitrag lesen »



Kommunikation am Staatstheater Augsburg unter neuer Leitung

Viviane Schickentanz ist die neue Leiterin der Abteilung Kommunikation am Staatstheater Augsburg. Die 32-jährige Germanistin ist bereits seit 2018 als Referentin des Staatsintendanten am Haus beschäftigt. Zum 1.4.21 ersetzt sie nun Heike Neumann als Leiterin in der Kommunikation- und Marketing-Abteilung und wird zugleich erste Ansprechpartnerin für die Sponsoren des Staatstheaters. Intendant André Bücker zeigte sich „froh“, […]

gesamten Beitrag lesen »



Begehren gegen Kostenexplosion bei der Theatersanierung bekommt Unterstützung durch change.org

Das Bürgerbegehren „Theater – Kostenexplosion stoppen!“ ist in Deutschland eine der ersten Initiativen, die von der weltweit agierenden Kampagnenplattform „change.org“ unterstützt wird. Die neue Online-Plattform „innn.it“ (www.innn.it) ermöglicht es, die jeweiligen Unterschriftenlisten auszudrucken, zu unterschreiben und mittels eines bereits frankierten Umschlages, an Change.org zu schicken. „Angesichts der aktuellen Beschränkungen durch die Corona-Pandemie bietet uns Change.org […]

gesamten Beitrag lesen »



Ab 22. März mit flexibler Zuschauerobergrenze: Öffnung von Theatern, Konzert- und Opernhäusern

Corona-bedingt eingeschränkte Öffnungen von Theatern, Konzert- und Opernhäusern stehen vor der Tür – ab 22. März mit flexibler Zuschauerobergrenze. Die maximal Zuschauerzahl soll abhängig von örtlichen Gegebenheiten von Ort zu Ort flexibel gestaltet werden. Über dem Inzidenzwert von 50 braucht es ein negatives Testergebnis als Eintrittsvoraussetzung. Dies gab Kunstminister Bernd Sibler heute bekannt. „Theater, Konzert- und Opernhäuser […]

gesamten Beitrag lesen »



Staatstheater Augsburg: Geschäftsführender Direktor wechselt nach Hamburg

Der Geschäftführende Direktor des Augsburger Staatstheaters Friedrich Meyer wechselt im August 2021 ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg. „Der Aufsichtsrat der Neue Schauspielhaus GmbH stimmte in seiner heutigen Sitzung einstimmig für den 49-jährigen gebürtigen Berliner“, wie es auf der Homepage der Stadt Hamburg seit 23. September steht. Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien zeigt sich […]

gesamten Beitrag lesen »