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Freitag, 31.10.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Theater

Staatstheater: Postapokalypse im Alten Rock Café

Eine „neue“ Spielstätte hat das Staatstheater per Pressemitteilung angekündigt. Mit der Premiere der postapokalyptischen Spielshow „Wer zuletzt lacht, lacht zuletzt“ wurde nun das Alte Rock Café in der Kriegshaber Straße offiziell eingeweiht.

Wer zuletzt lacht, lacht zuletzt – Thomas Prazak, Rebekka Reinholz, Julius Kuhn (v.l.)  — © Jan-Pieter Fuhr

Von Halrun Reinholz

Wer jetzt ein bisschen Glanz und Glamour zur Eröffnung erwartet hat, mag enttäuscht gewesen sein. Die ehemalige Kneipe in einem denkmalgeschützten Haus präsentiert sich karg, mit einer Bar im Hintergrund und einer kleinen Bühne in der Ecke. Den Parkplatz finden nur Insider und für den Weg vom Parkplatz zum Eingang sollte man ein Licht dabeihaben, um nicht über die Treppen zu stolpern. Doch das lässt sich alles noch herrichten, denn das Alte Rock Café ist tatsächlich gut geeignet, den schmerzlich vermissten Hoffmannkeller zu ersetzen. Eine Spielstätte, wo die Darsteller mit dem Publikum auf Augenhöhe sind, wo es unverkrampfte Interaktion geben kann.

„Wer zuletzt lacht, lacht zuletzt“ ist so ein Format. Regisseur Nicola Bremer hat sich eine auf vier Folgen angelegte „Spielshow“ ausgedacht, von denen die erste nun zweimal im Alten Rock Café vor Publikum gezeigt wurde, aber auch gleichzeitig live im Twitch-Kanal des Staatstheaters zu verfolgen war. Das Publikum ist nämlich Teil des Stücke-Konzepts. Die vor Ort Anwesenden – coronamäßig mit großem Abstand an Tischen platziert – werden vor Beginn der Vorstellung per Durchsage aufgefordert, einen Tipp auf einen der drei Kandidaten der Show abzugeben: Manfred (Thomas Prazak), Jake (Julius Kuhn) oder Karen (Rebekka Reinholz).

Ein Kärtchen liegt bereit, das man in eines der drei Gefäße am Tresen werfen kann. Die drei Protagonisten selbst lernt man dann zunächst auf den im Saal aufgehängten Bildschirmen kennen: Zu sehen ist ein karger Raum mit drei Matratzen. Manfred und Karen machen, unter der Anleitung des Zigarette rauchenden Jake, gerade Yoga-Übungen, das tut Manfreds Rücken gut. Alle drei sind sind offenbar gemeinsam in einer Zelle mit verrammelten Fenstern gefangen, wie dem Gespräch zwischen ihnen zu entnehmen ist. Sie vertreiben sich die Zeit mit Yoga, Lesen (Manfred hat einen beachtlichen Bücherstapel neben seiner Matratze) … und streiten.

Vor allem Jake entwirft immer wieder Ausbruchspläne, während Karen sich an den kleinen Dingen des Lebens freut und die Hoffnung nicht aufgibt, dass ihr mickriger Olivenbaum eines Tages Früchte tragen wird. Auf ein Lichtsignal hin stellen sich alle drei mit dem Gesicht zur Wand, dann betritt eine Gestalt mit Hundemaske den Raum und stellt zum Beispiel Essen hin. Die Hunde-Menschen sitzen im Saal und die „Zelle“ ist der Nebenraum. Immer wieder werden die drei Gefangenen auf die Bühne gebracht, um sich einer Spiel-Show zu stellen, die für den Verlierer tödlich ausgehen kann.

Über die erste Quizfragen-Runde kommen noch alle gut hinweg, daraus erfahren die Zuschauer auch, dass es sich um die Überlebenden einer Klima-Apokalypse handelt. Das Spaghetti-Wettessen geht auch noch glimpflich aus. Irgendwann erfahren die Zuschauer, dass nicht nur die Gefangenen sich im Spiel bewähren müssen, sondern auch die Hunde-Menschen einem Bewertungssystem ausgesetzt sind, das an die Spiele-Leistung ihrer Gefangenen gekoppelt ist. Manfred scheidet beim Topfschlagen aus. Die Stromschläge, die bei Fehlleistungen als Strafe dienen, töten ihn. Thomas Prazak verabschiedet sich mit eindrucksvollen Zuckungen von dem genüsslich voyeuristischen Publikum.

Mit der Corona-Zeit hat das Augsburger Staatstheater seine digitale Sparte ausgebaut, die Intendant André Bücker bereits davor zielstrebig im Auge hatte. Die VR-Produktionen von Schauspiel und Ballett bescherten dem Staatstheater überregional Beachtung. In der Lockdown-Zeit des letzten Jahres hatte Regisseur Nicola Bremer bereits Gelegenheit, sich mit „W – Eine Stadt sucht ihre Wohnung“ über mehrere Folgen am digitalen Format – damals ohne Live-Komponente – zu versuchen.

Diese neue, gleichsam hybride Produktion erlaubt die Teilhabe von Anwesenden und Zugeschalteten gleichermaßen, was durchaus reizvoll ist. Zu den „Hunde-Menschen“ im Zuschauerraum gehört auch der für die Technik zuständige Robin Goller, ebenso wie Regisseur Bremer selbst. Der Musiker Stefan Leibold sorgt (ebenfalls mit Hundemaske) mit allerlei technischem Hilfswerk für die lautmalerische Umrahmung der Spiele-Show, aber auch dafür, dass immer wieder Gesangseinlagen auf der Bühne zum Zuge kommen. Denn dem apokalyptischen Leben mangelt es nicht an komischen und menschelnden Situationen.

Kurz vor Schluss taucht eine Videobotschaft, offenbar aus einem anderen „Gefangenenlager“ auf und verweist wohl auf die zweite Folge der Spiele-Show. Man darf gespannt sein.
 

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