Staatstheater
„Tintenherz“ im Martinipark: Eine glühende Hommage an die Welt der Bücher
Mit einem Jahr Verspätung fand die Premiere von Cornelia Funkes „Tintenherz“ im Martinipark statt. Eine kluge Geschichte in einer fesselnden Bühnenfassung für kleine und große Bücherfreunde.
Von Halrun Reinholz
„Bücher müssen schwer sein, weil die ganze Welt darin steckt. “ Meggie (Rebekka Reinholz), deren Vater Mo (Thomas Prazak) Bücher restauriert, hat die Leidenschaft zum Lesen von ihm geerbt. Doch nächtens steht plötzlich Staubfinger vor der Tür und warnt Mo vor Capricorn, der ein Buch haben will, das Mo besitzt. Seine Handlanger seien schon unterwegs. Mo und Meggie packen ein paar Kleidungsstücke und viele Bücher in ihre Koffer und fliehen zu der etwas schrulligen Tante Ellinor (Jenny Langner), deren Haus vorwiegend aus Bücherregalen besteht, um das Buch dort zu verstecken. Basta, Flachnase und Fulvio sind ihnen schon auf der Spur.
Erst nach uns nach erschließt sich, was sie von Mo, den sie „Zauberzunge“ nennen, wollen: Er hat sie aus dem Buch „Tintenherz“ herausgelesen, diese besondere Gabe hat er. Nun will Capricorn ihn dazu benutzen, noch jemanden herauszulesen, der Capricorn die vollkommene Macht ermöglichen würde. Als Mo sich weigert, wird er entführt. Für Meggie beginnt ein gefährliches Abenteuer, das sie mit Hilfe des Schriftstellers Fenoglio (Kai Windhövel) und ihres eigenen Mutes zum glücklichen Ende bringt.
Mit der Tintenherz-Trilogie hat sich Cornelia Funke in die Herzen vieler Kinder geschrieben, umso bedauernswerter war die Absage der Aufführungen im letzten Jahr. Mit der Umbesetzung der Meggie und des Fenoglio konnte die Premiere diesmal im Martinipark stattfinden.
Die Inszenierung der etwa 80 Minuten langen Bühnenfassung von Teresa Rotemberg ist schnörkellos und geradlinig. Meggie und Mo sind durchschnittlich-unauffällig, nur eben verrückt nach Büchern und Geschichten. Erst spät erfährt Meggie, warum sie keine Mutter hat (die ist nämlich in dem Buch verschwunden, als die Capricorn-Bande herausgelesen wurde) und warum ihr Vater ihr nie vorliest.
Tante Ellinor, die zunächst etwas abweisend wirkt und ständig „verflixte Kiste“ flucht, erweist sich als furchtlose und tatkräftige Unterstützerin von Meggie bei der Suche nach dem entführten Mo. Der zunächst gruslig aussehende Gaukler Staubfinger im Punk-Look (Paul Langemann) zeigt sich in gewissen Situationen immer wieder hilfreich, weil er eigene Interessen verfolgt.
Richtig gruselig wird es, wenn die drei Handlanger Basta (Julius Kuhn), Flachnase (Anatol Käbisch) und Fulvio (Kai Windhövel) auftauchen. Schwarz gekleidet und weiß geschminkt, mit Messern und Pistolen bewaffnet, ähneln sie Piraten im Gothic-Look. Doch auch sie haben menschliche Züge, möchte doch Flachnase gern ein Buch von Meggie vorgelesen haben, weil er das Titelbild „cool“ findet und selbst nicht lesen kann: Der kleine Zinnsoldat. Dabei erweist sich, dass auch Meggie die Gabe des „Herauslesens“ besitzt. Damit Capricorns böse Absichten durchkreuzt werden können, muss der Schriftsteller Fenoglio das Buch umschreiben.
Das gelingt natürlich in letzter Minute, sodass nicht nur Mo gerettet wird, sondern auch Resa, Meggies Mutter, wieder zu ihrer Familie zurückkommen kann. Capricorns siegesgewisser Auftritt (Pascal Rieder als Steinbock mit Widderhörnern) scheitert krachend, als sein „schwarzes Herz“ zu schlagen aufhört.
Es ist ein großes Verdienst dieser Inszenierung, dass sie auf die Kraft des Textes und … der Bücher vertraut und keine unnötigen Medieneffekte einsetzt. (Bühne und Kostüme: Sabina Moncys). Fenoglio hat in seinem beeindruckenden Bücherberg ein Telefon vergraben, das er, als es klingelt, umständlich hervorholen muss und kaum zu bedienen weiß. Sonst gibt es nur Bücher, deren Zauber auch vom Ensemble besungen wird (Musik: Andreas Binder). Auch wenn das eine oder andere Kind sich manchmal etwas gruselt – dieses „Tintenherz“ mit seinen spielfreudigen Darstellern ist ein spannendes und spaßiges Erlebnis, das Lust aufs Lesen und auf Theater macht.