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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Staatstheater Augsburg: Die Kunst des Wohnens – Schwaches Stück, starke Inszenierung

Die Kunst des Wohnens im Martinipark: Dürftiger Klamauk in erstklassiger Ausführung

Von Halrun Reinholz

Die Kunst des Wohnens – Foto: © Jan-Pieter Fuhr

Georg Ringsgwandl hat sich als Anarcho Punk-Rocker mit bayrischem Einschlag einen Namen gemacht. Nicht immer einen ganz rühmlichen, war er doch auch bei Auftritten gelegentlich mit unflätigen Publikumsbeschimpfungen in Erscheinung getreten. Seine skurrilen Liedtexte und kabarettistischen Einfälle sind durchaus reizvoll und auch für die Theaterbühne ist er immer wieder tätig. „Die Kunst des Wohnens“ ist als Stück dennoch wenig überzeugend. Welch ein Glück, dass das Staatstheater ein gutes Schauspielensemble und einen kongenialen Musiker hat. So kann das Publikum der mageren Vorlage dennoch etwas abgewinnen.

Schon das Bühnenbild zeigt: Wir befinden uns in Bayern. Alles weiß-blau dekoriert. Der Musiker (Stefan Leibold) ist, ebenso wie sein Klavier, in Rauten-Design gehüllt. Herr und Frau Feiler, um die es in dem Stück geht, kommen trachtig daher und selbst die Souffleuse trägt Dirndl. Nur die beiden jugendlichen Kinder der Familie Feiler zeigen zunächst auch kleidungsmäßig Null-Bock-Mentalität.  Der musikalisch hochbegabte, aber übergewichtige Sohn haust nach wie vor mit Kuscheltieren im Kinderzimmer, während die punkig gestylte, sonst aber gelangweilte Tochter eine Karriere im Eventmanagement anstrebt und sich in der Bewerbung der regionalen Kleintierschau versucht.

Das mit dem Regionalen ist in der Inszenierung von Alexander Marusch so eine Sache. Denn er lässt die Handlung in Augsburg und Umgebung spielen, dialektal wird jedoch alles Mögliche aufgefahren: Schwäbisch, Bairisch, Tirolerisch, Wienerisch, ja sogar Fränkisch. Was halt jeder so drauf hat. Und natürlich das typisch Preußische des Vaters Feiler (Gerald Fiedler) in seiner Lederhose und dem Haus mit Neuschwanstein-Tapete und einem Portrait des Kini auf dem Spülkasten des Klos.

Aber darum geht es gar nicht, sondern um die Lebenswünsche einer Familie, die nach Höherem strebt: einer Chefarztstelle und erfolgreichen Karrieren für den Nachwuchs. Mama Feiler (in ihrer naiven Einfalt ganz wunderbar dargestellt von Natalie Hünig) hält alle Fäden zusammen. Eigentlich hat sie eine Apotheke, die kommt aber in dem Stück fast gar nicht vor, denn sie ist hauptsächlich damit beschäftigt, alles im Haus und in der Familie zu regeln, den Sohn ins Ballett zu fahren, der Tochter mit der Kamera zur Hand zu gehen und schließlich auch noch für das berufliche Fortkommen ihres „Butzele“ zu sorgen, der in Gefäßchirurgie habilitieren will, um als Professor die angestrebte Chefarztstelle  zu erhalten. (Der ehemalige kardiologische Oberarzt Ringsgwandl zeichnet die Figur des aufstrebenden Doktor Feiler sehr detailliert und pointenreich, nicht zufällig ist der Streber ein Chirurg).

Doch zu allem Schlamassel kommt bei der Familie auch noch ein verunglückter Umbau des Familienhauses und eine misslungene Steuerhinterziehung hinzu. Rettung in der Not kann nur der Teufel bringen. „Luz-ipunkt-Fer“ (Thomas Prazak mit teils herrlich wienerischem Schmäh), der in vielerlei Gestalten auf den Plan tritt und die Dinge ins rechte Lot bringt. Mit im Familien-Boot sitzt auch der Journalist Joe (Patrick Rupar), der sich der Tochter annähert und an ihrer Eventmarketing-Karriere teil hat.

Als der Teufel schließlich seinen Preis einfordert, hält die Familie zusammen und zieht es vor, alles wieder zu verlieren und in einem Plattenbau in Bitterfeld (!) zu leben.

Mit Witz, (mehr oder weniger geglückter) Situationskomik, akrobatischen Verrenkungen, reichlich Kostümwechseln und vor allem mit Musik schafft es die Inszenierung, den dürftigen Inhalt so aufzupeppen, dass das Publikum merklich auf seine vergnüglichen Kosten kommt. Stefan Leibold wird von den Darstellern gekonnt musikalisch unterstützt, sei es instrumental (besonders durch Gerald Fiedler an der Gitarre und die multi-instrumental begabte Natalie Hünig), aber auch durch skurrile Musikzitate – etwa wenn Patrick Rupar als Peter Maffay daherkommt oder Paul Langemann (der den Florian Feiler spielt) als Falco. Alina Haushammer, die kurzfristig als Tochter umbesetzt wurde und nur wenig Zeit zum Proben hatte, agiert souverän und sorgt mit ihrem Temperament und ihrer Musikalität ein gutes Stück dafür, dass die Handlung Substanzmomente bekommt, etwa beim „Fotoshooting“ der Familie im Kükenkostüm oder dem „Interview“ mit Peter Maffay für die Bambi-Verleihung.

Fazit: Ein Klamauk ohne viel Tiefgang, durch die Ausführung dennoch sehenswert.