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Montag, 10.11.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kultur

„Die letzte Verschwörung“ zwischen Vergnügen und Apokalypse

Verschwörungstheorien haben in der Corona-Zeit eine seltsame Blüte erreicht. Moritz Eggert hat daraus Musiktheater gemacht – als „Operette“ in Wien uraufgeführt, mutierte „Die letzte Verschwörung“ nun in der Inszenierung von André Bücker in Augsburg zur „Oper“. Das scheint ein bisschen zu hoch gegriffen, wie so manches an diesem Abend, der insgesamt dennoch recht vergnüglich ist und das Publikum begeisterte.

Von Halrun Reinholz

Im Foyer vor dem Martinipark werden die Premieren­besucher einschlägig eingestimmt: Wer möchte, kann sich einen Aluhut basteln. So mancher gestaltet den Kopfschmuck stattdessen eher unkon­ventionell und kreativ. Die Bühne im Martinipark ist bunt – schließlich findet die bekannte Show „Immer wieder mittwochs“ gleich statt, wo der bekannte Moderator Friedrich Quant (Wolfgang Schwaninger) außer­gewöhnliche Menschen zum Interview einlädt. An diesem Abend den als „Schwurbel-Urban“ bekannten Verschwörungs­theoretiker Dieter Urban (Shin Yeo). Der fängt den Moderator nach der Show zusammen mit seiner coolen Schwurbel-Partnerin Lara Lechner (Jihyun Cecilia Lee) ab und diese Begegnung ändert alles im Leben von Friedrich Quant. Er verlässt sein trautes Heim mit Frau und zwei Kindern, um fortan selbst die Verschwörungen auf dieser Welt aufzudecken und bis zur Selbstaufgabe gegen das Böse zu kämpfen.

Eine wunderbare Vorlage für eine Satire, die sich der Komponist Eggert selbst ausgedacht hat. Akribisch hat er in der Verschwörerszene recherchiert, bekannte Verschwörertheorien über die ganze Menschheits­geschichte sind im Programmheft aufgelistet. „Dadaistisch oder surreal“ kamen Eggert diese Mythen vor, deshalb faszinierten sie ihn. In sein Bühnenwerk packt er etliche davon – von der Erde, die eigentlich flach ist, der Pizzeria, die das Fleisch von Kindern als Belag verwendet, bis hin zu Reptiloiden und Illuminaten, die die Welt beherrschen und die es zu bekämpfen gilt. André Bücker inszeniert mit Freude am Detail. Die kaum vorhandene Bühnentechnik im Martinipark wird nicht nur thematisiert („Habt ihr eigentlich kein richtiges Theater?“), sondern durch üppige Videotechnik kompensiert. Andererseits hat Bühnenbildner Wolf Gutjahr einen Steg über den Orchestergraben gelegt, sodass sich einige Szenen sehr nahe am Publikum abspielen und eine gewisse Intimität vermitteln. Eine wichtige Rolle spielt auch der Chor, der zuerst aus dem Zuschauerraum als Show-Publikum agiert und sich später zum Demo-Zug formiert, um auf die Bedrohungen durch die Verschwörer hinzuweisen. Mit Masken markiert er auch mal die anonyme Masse. Im Gegensatz zur Uraufführung in Wien hat Bücker bei der Augsburger Inszenierung einen leibhaftigen „Kommentator“ des Geschehens eingefügt: Der Schauspieler Julius Kuhn verkörpert – doppelzüngig und wendig – das „System“, das durch die Wirrnisse dieser Welt führt. Verräterisch küsst er schon mal die russische Fahne und wischt sich mit dere deutschen über den Mund. Verläuft die Handlung im ersten Teil noch einigermaßen linear, erscheint das Abdriften des seriösen, aufgeklärten Moderators in die Verschwörer-Szene noch nachvollziehbar, so überschlagen sich im zweiten Teil die Ereignisse – durchaus beabsichtigt – zur Unüber­sichtlichkeit. Urban ist gleichzeitig FBI-Agent, der Kanzler taucht auf, um mit der russischen Oligarchin Natalya Ostrova den Vertrag über das „6H“-Mobilfunknetz abzuschließen, was die Verschwörungs­theoretiker unter Einsatz ihres Lebens bekämpfen müssen. Eggert spart nicht mit Anspielungen – da ist die quotengeile Fernseh-Intendantin Georgina von Solingen, der verfettete Elvis, Olaf Scholz mit Augenklappe. Nicht jedem Zuschauer erschließen sich die Film-Zitate, die netterweise im Programmheft erwähnt werden, oder auch die musikalischen Ausleihen bei Verdi bis zur Operette oder bei Filmmusik aus „Der dritte Mann“ oder „Miss Marple“.

Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Letztlich bleibt das Publikum, wie könnte es anders sein, im Chaos ratlos zurück, denn eine Lösung kann es nicht geben. Eine Lüge schält sich aus der anderen und die letzten Worte des Stücks: „Wissen ist Glaube, Glauben ist Zweifeln, Zweifeln ist Freiheit.“ können auch nicht wirklich trösten. Der Komponist hat sich nach eigenen Worten, „die Verzweiflung über die Verschwörung­smythen“ von der Seele geschrieben und versucht, ihnen mit Humor beizukommen. Dabei war die Verzweiflung offenbar stärker als die Leichtigkeit des Humors, von der man sich als Zuschauer etwas mehr gewünscht hätte. Der operetten­hafte Plot hätte ein bisschen mehr Schmalz vertragen.

Der begeisterte Applaus des Premieren­publikums blieb dennoch nicht aus. Er galt zu einem großen Teil der kurzweiligen Inszenierung, aber vor allem den Darstellerinnen und Darstellern auf der Bühne – inklusive den beiden Domsingknaben – , dem Chor und den Musikern im Orchestergraben (Dirigent war Domonkos Héja), die die nicht sehr eingängige Musik lustvoll im Griff hatten.

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