DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Montag, 05.05.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Tränen für eine versunkene Zeit

Kino: „Das Lied von den zwei Pferden“

Von Frank Heindl

Filme aus der Mongolei? Dass es so etwas gibt, weiß man in Deutschland seit den großen Erfolgen der Werke von Bayambasuren Davaa. „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ und der Nachfolger „Die Höhle des gelben Hundes“ haben die Regisseurin so bekannt gemacht, dass man in Cineastenkreisen sogar ihren Namen fehlerfrei aussprechen kann. Am Montag präsentierten sie und ihre Hauptdarstellerin, die Sängerin Urna Chahar-Tugchi, im Thalia-Kino ihr neues Werk: „Das Lied von den zwei Pferden“.

Raodmovie in der mongolischen Steppe – Regisseurin Davaa

Raodmovie in der mongolischen Steppe – Regisseurin Davaa


Das neue Werk ist die filmische Dokumentation einer sehr persönlichen, schwierigen Suche nach den eigenen Wurzeln. Zunächst ist da die Sängerin Urna Chahar-Tugchi. Sie spielt sich selbst und ihre eigene Geschichte: Ihre Großmutter hat in der chinesischen Inneren Mongolei am eigenen Leibe die Konsequenzen von Maos großer „Kulturrevolution“ erfahren. Die ererbte Pferdekopfgeige konnte sie nur in Bruchstücken vor den Machthabern retten, die alles Althergebrachte aus den Köpfen ihrer Untertanen tilgen wollten. So unternimmt Urna viele Jahre später eine Reise in die Äußere Mongolei, jene Mongolische Republik, in der sich nach dem Ende der Sowjetunion eine demokratische Wende vollzogen hat. Dort will sie die zerstörte Geige reparieren lassen und gleichzeitig den Text jenes Liedes wiederfinden, das in Bruchstücken auf das Instrument graviert war.

Ein Roadmovie zwischen Steppe und Moderne

Aus Urnas Reise hat Davaas Filmteam ein wunderbares Roadmovie gemacht – die Aufnahmen sind mit wenigen Ausnahmen dokumentarisch, der Inhalt ist authentisch, trotzdem hat der Film nichts Dröges, nicht Belehrendes. Die Konfrontation von Davaas und Urnas in die Vergangenheit gerichteter Suche mit der die Traditionen vernichtenden Moderne, die seit zwanzig Jahren die Mongolei noch einmal vehement überrollt, vollzieht sich leise, unaufdringlich und mitunter äußerst komisch. So scheint es in der Mongolei nicht unüblich zu sein, dass man bei schlechter Handyverbindung eine SMS los wird, indem man das Gerät möglichst hoch in die Luft wirft – man mag es kaum glauben, aber der Trick scheint zu funktionieren! Und also Urna traditionell gewandet einen Markt besucht, wird sie zunächst für eine Touristin gehalten – die Einheimischen kleiden sich schon längst nicht mehr so.

Die Kamera interessiert sich vor allem für die Menschen, denen das Team auf seiner Reise mit Hindernissen (der Kleinbus bleibt tagelang in sumpfigen Wiesen stecken) begegnet. An ihnen ist die Kamera sehr nahe dran, ihre Gesichter, ihre Gesten, ihre Behausungen werden porentief gezeigt, viel seltener öffnet sich das Bild in die kargen, weiten Landschaften der Mongolei.

Die Erinnerung wird brüchig

Brüchige Stimme aus einem uralten Baum: Sängerin Urna (rechts) mit 86jähriger Mongolin

Brüchige Stimme aus einem uralten Baum: Sängerin Urna (rechts) mit 86jähriger Mongolin


Ihr Musikstudium in Shanghai, erzählt die Sängerin im Film, habe sie nicht befriedigt, weil die kulturellen Besonderheiten der Mongolei dort nicht zum Ausdruck kommen durften – doch auch sie selbst, ihre Begleiter und ihre Suche nach der Vergangenheit sind mittlerweile zum Fremdkörper geworden in der längst nicht mehr so archaisch besiedelten Steppe. In hochhackigen Schuhen stapft Urna über die feuchten Wiesen, die Globalisierung hat schon manche Weide in eine Goldmine verwandelt, und die Alten haben zwar alle von dem gesuchten Lied gehört – doch keiner kann sich mehr an den Text erinnern.

Ein umso größeres Glück ist es – für den Film, seine Protagonisten und nicht zuletzt die Zuschauer –, dass das Team eben dieses Lied doch noch findet. Eine 86-Jährige, die zunächst beteuert, sie habe all die alten Lieder vergessen, fängt auf wenige Stichworte hin zu singen an. Die Tränen der Freude, der Bewegung, der Rührung, die Urna in dieser Szene vergießt, seien echt, beteuert sie im DAZ-Interview. Dieser Moment, in dem eine alte, brüchige Stimme ertönt, aus einem Gesicht, das ebenso viel von einem knorrigen, uralten Baum hat wie von einem Menschen, macht den Film zu einem grandiosen Epos: Die Stimme singt auf unvergleichliche Weise das Lied der aussterbenden Traditionen, einer Kultur, deren Rettung nahezu aussichtslos erscheint; die Stimme ist gegenwärtig und erklingt doch aus einer fast schon erloschenen Vergangenheit. Und die Tränen der Sängerin sind die der Hinterbliebenen an der Grabstätte einer versunkenen Zeit. „Ach Großmutter, könntest du mir doch einen Rat geben“, hat die Sängerin Urna zuvor geseufzt. Wenn die Stimme der Alten aus der Steppe einen Rat enthält, mag es der sein, dass die Kunst zeitlos sein, aus der Zeit fallen muss, um die Umbrüche der Welt zu überleben. Diesen Gesang kümmert die Welt nicht – er ist Selbstzweck und ertönt nur, damit das Lied der zwei Pferde des Dschinghis Khan nicht vergessen wird.

„Das Lied von den zwei Pferden“ läuft im Thalia: www.lechflimmern.de

Der Trailer und viele Informationen gibt’s unter www.dasliedvondenzweipferden.de

Infos zur Sängerin Urna Chahar-Tugchi: www.urna.com.

Ihre aktuelle CD heißt „Amilal“, ist bei „trees music & art“ erschienen und unter anderem bei amazon.de erhältlich.

» DAZ-Interview: Regisseurin Davaa und Sängerin Chahar-Tugchi

gesamten Beitrag lesen »



„Im Lied werden Traditionen und Menschen lebendig“

DAZ-Interview: Regisseurin Davaa und Sängerin Chahar-Tugchi Eigentlich wollten Byambasuren Davaa und Urna Chahar-Tugchi im Anschluss an die Präsentation ihres Filmes „Das Lied von den zwei Pferden“ im Thalia-Café für Gespräche zur Verfügung stehen. Aber das schlechteste an Augsburg war mal wieder die Verbindung nach München – sie mussten den letzten Zug erwischen. Die Fragen der DAZ beantworteten sie tags darauf am Telefon. DAZ: Frau Davaa, was ist wichtig daran, die Mongolei nach [...]

gesamten Beitrag lesen »



Kö-Umbau: Stadträte fordern öffentliches Experten-Hearing

Die Städträte Alexander Süßmair und Benjamin Clamroth (Die Linke) sowie Rose-Marie Kranzfelder-Poth (FDP) und Rainer Schönberg (Freie Wähler) sprechen sich dafür aus, das für den 7. Juni angesetzte nicht öffentliche Experten-Hearing zum Bebauungsplan 500 "Königsplatz und Augsburg-Boulevard" als Bestandteil der Stadtrats-Sondersitzung am 10. Juni durchzuführen. Dies geht aus einem Antrag der vier Stadträte vom gestrigen Donnerstag an OB Kurt Gribl hervor. Mindestens müssten jedoch alle Informationen aus dem Hearing den Stadträten, [...]

gesamten Beitrag lesen »



Grüne: „Bürgerbegehren für Tunnel gefährdet Umbau des Hauptbahnhofs“

In einem Offenen Brief an den Ortsvorsitzenden Augsburg-Stadt des Handelsverbands Bayern, Erich Vorwohlt, gehen die Grünen davon aus, dass das aktuell laufende Bürgerbegehren für einen Tunnel am Königsplatz den Kö-Umbau verzögere und somit der Umbau des Hauptbahnhofes „höchst gefährdet“ sei. Das Bürgerbegehren wird aus Sicht der Grünen von Kräften unterstützt, "die nicht an einer Verbesserung der Planungen, sondern an deren Verhinderung interessiert sind". Gemeint ist damit "unter anderen" die Initiative "Neue [...]

gesamten Beitrag lesen »



Sondersitzung zum Kö-Umbau: Keine Ausreden für uninformierte Stadträte am 10. Juni

„Ich will nicht, dass sich jemand dahinter verstecken kann, er hätte keine Informationen bekommen“. So kommentierte OB Kurt Gribl gestern seine Anordnung an die Verwaltung, einen von elf Stadträten unterzeichneten Brief zu beantworten, den diese am 12. Mai um 19:48 Uhr bei ihm eingereicht hatten. In dem gemeinsam verfassten Brief haben acht Parlamentarier der CSU […]

gesamten Beitrag lesen »



Königsplatz: Pro Augsburg auf Schiene

Verlässlich Kontinuität wahren heißt die Devise von Pro Augsburg für die Sondersitzung am 10. Juni zum Bebauungsplan 500 „Königsplatz und Augsburg Boulevard“. Dies geht aus einer Pressemitteilung der kleineren der beiden Augsburger Regierungsfraktionen vom gestrigen Dienstag hervor. Pro Augsburg sieht sich darin gefordert, die bisher gefassten Beschlüsse umzusetzen. Man unterstütze den Ideenwettbewerb und die Entscheidung […]

gesamten Beitrag lesen »



Juliane Votteler in DBV-Vorstand gewählt

Auf der Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins DBV ist die Intendantin des Theaters Augsburg, Juliane Votteler, in den Vorstand der Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins gewählt worden. Die Jahreshauptversammlung des DBV, auf der sich die Intendanten und Direktoren der deutschen Theater und Orchester sowie die zuständigen Kulturpolitiker trafen, fand vom 27. bis 29. Mai 2010 in Freiburg […]

gesamten Beitrag lesen »



FDP Augsburg gegen staatliche Bevormundung beim Rauchverbot

Der Volksentscheid für ein totales Rauchverbot in Bayern rückt näher. Die Augsburger FDP wirbt für ein „Nein“ bei der Abstimmung am 4. Juli. Die bestehende Regelung berücksichtige die Interessen aller, so die FDP gestern in einer Pressemitteilung. Die FDP will auch weiterhin ein tolerantes Miteinander und keine staatliche Bevormundung in privaten Belangen, so die Kreisvorsitzende […]

gesamten Beitrag lesen »



Gottesanbeterin in der Kulturfabrik

Ein ambivalentes Bühnenstück feierte am vergangenen Donnerstagabend in der Kulturfabrik  die zweite Premiere. Christian Krugs schauspielerische Leistung überzeugte in der Wiederaufnahme der „Gottesanbeterin“ zum 10jährigen Geburtstag des S´ensemble Theaters in der Bergmühlstraße. Vor 10 Jahren hob sich in der Kulturfabrik für „Die Gottesanbeterin“ zum ersten Mal der Vorhang. Der Monolog eines New Yorker Restaurantbetreibers reflektiert […]

gesamten Beitrag lesen »



„Wo können wir für den Tunnel unterschreiben?“

Das war heute die meistgestellte Frage in der Augsburger Fußgängerzone. Das Bürgerbegehren für einen Autotunnel am Kö legte am Samstag, 29. Mai einen furiosen Start hin. 450 Unterschriften waren bis zum frühen Nachmittag bereits auf den Listen, so die Initiatoren Gottfried Schröder und Wolf Noack. Damit steht das aktuelle Bürgerbegehren dem letzten zum Verkauf des […]

gesamten Beitrag lesen »



Tempo 30: Grüne beschwören den Geist des Ideenwettbewerbs

In einem Antrag zum Bebauungsplan Nr. 500 zum Kö und Augsburg Boulevard fordert die Grüne Stadtratsfraktion Maßnahmen zur Reduzierung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) und die Einführung einer umfassenden Tempo 30-Zone in der Innenstadt. Nur so sei der Geist des Ideenwettbewerbs aus dem Jahr 2009 erfüllt. Der erste Preisträger habe flächendeckende Zonen mit Tempo 30 und […]

gesamten Beitrag lesen »



FCA senkt Eintrittspreise für die kommende Saison

Nachdem der FCA in der gerade beendeten Saison den Aufstieg in die Bundesliga knapp verpasste, hat sich das Management entschlossen, in der kommenden Zweitligasaison die Eintrittspreise zu senken. „Nach den Erfahrungen aus der ersten Saison in der impuls arena haben wir uns entschieden, unser bisheriges Modell an einigen Stellen zu ändern“, so FCA-Geschäftsführer Andreas Rettig. […]

gesamten Beitrag lesen »



« neuere Artikel ältere Artikel »

DAZ heute

Kurznachrichten

Gedenkjahr 1525: Das Fugger- und Welser-Erlebnismuseum widmet sich dem „Bauernkrieg“



Halb Deutschland gedenkt der Revolution von 1525. Landesausstellungen in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Reinland-Pfalz und Baden-Württemberg verleihen dem bedeutenden Ereignis prominenten Raum und auch das Land Bayern hat ihm eine eigene Ausstellung in Memmingen gewidmet. Nur in Augsburg scheint man sich schwer zu tun mit dem gemeinen Volk und dem Krieg. Obwohl Augsburgs Jakob Fugger durch seine […]

gesamten Beitrag lesen »



3. Vielfalt Film Festival

Auch in diesem Jahr flimmert zum Abschluss der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Kooperation mit dem Augsburger Filmbüro das Vielfalt Film Festival über die Leinwand. Die acht Festivalfilme (30. März – 4. April) werden von verschiedenen Kooperationspartnern präsentiert, die nach den Vorstellungen zu Filmgesprächen einladen. Der Flyer:

gesamten Beitrag lesen »



Schulterschluss für Demokratie Vielfalt und Menschenwürde: Internationale Wochen gegen Rassismus in Augsburg 2025

Seit 2021 beteiligt sich die Stadt Augsburg an diesem deutschlandweiten Projekt, das bereits seit 2008 besteht und um den 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, unter der Schirmherrschaft der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus ausgerichtet wird. Das Büro für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg hat in Kooperation mit zahlreichen Organisationen und Initiativen […]

gesamten Beitrag lesen »



“Let’s Talk Bundestagswahlen“ – eine Podiumsdiskussion von jungen Menschen für junge Menschen



Am Dienstag, den 18.02.2025, veranstalten Schülerinnen der Q12 des Stetten-Gymnasiums in Kooperation mit dem Maria-Theresia-Gymnasium eine Podiumsdiskussion zu den bevorstehenden Bundestagswahlen. Auf dem Podium diskutieren Teilnehmende von insgesamt fünf Jugendorganisationen: Laura Sameit (Jusos Augsburg) Maren Dörr (Grüne Jugend Augsburg) Paul Schwendrat (Julis Augsburg) Etienne Dankelmann (Junge Union Augsburg) und eine Vertretung der Linksjugend Augsburg. Drei […]

gesamten Beitrag lesen »



„Im Gedenken der Kinder“ – Ausstellung zu den Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit



Eine Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e.V. in der Augsburger St.-Anna-Kirche erinnert an die nationalsozialistischen Verbrechen an Kindern mit Behinderung. Begleitend zeigt eine Kino-Matinee im Thalia die Lebensgeschichte von Ernst Lossa, der im Alter von 14 Jahren von nationalsozialistischen Medizinern ermordet wurde. Vor etwa achtzig Jahren begannen die systematischen Tötungen von […]

gesamten Beitrag lesen »



Suche in der DAZ

  

DAZ Archiv

Mai 2025
M D M D F S S
 1234
567891011
12131415161718
19202122232425
262728293031