Der Kommentar
Wenn die Oberbürgermeisterin zur Influencerin wird
Instagram-Accounts inszeniert wie Hochglanz-PR, ein Podcast mit Wohlfühlthemen aus dem Rathaus, ein WhatsApp-Kanal für städtische „Good News“ – alles professionell produziert, bezahlt aus Steuergeldern: Was als Bürgernähe verkauft wird, ist in Wahrheit oft nichts anderes als geschickte Selbstdarstellung.
Kommentar von Bruno Stubenrauch
Aktuelles Beispiel: der per Pressemitteilung beworbene Podcast #19 „Sommerferien“, in dem OB Eva Weber als „besonderen Gast“ ihre zweite Bürgermeisterin Martina Wild interviewt.
Das Problem: Derartige PR verdrängt die unabhängige lokale Berichterstattung. Während Journalisten recherchieren und Quellen prüfen müssen und Missstände aufdecken, liefert das Social-Media-Team im Rathaus ausschließlich die erwünschte Version der Realität: unkritisch, gefiltert, perfekt inszeniert. 34 Mitarbeiter hat die dem OB-Referat direkt unterstellte „Hauptabteilung Kommunikation“ der Stadt inzwischen, allein sechs davon im zuletzt 2021 aufgestockten „Team Social Media“.
Filterblase der Macht
Kommunale Kanäle müssen keine zweite Quelle heranziehen, bevor sie eine Geschichte veröffentlichen. Sie müssen niemanden fragen, ob die Darstellung korrekt ist. Sie erzählen einfach ihre Sicht. Das gilt dann als „offizielle“ Information. Oder noch raffinierter: als nicht offizielle, quasi private, aber vom städtischen Angebot kaum unterscheidbare Information von „Eva Weber, Oberbürgermeisterin“.
Aus einem Guss, inhaltlich kaum unterscheidbar (siehe Pfeile): die Insta-Accounts der Stadt Augsburg und von Eva Weber
Besonders Instagram hat sich zum Schaufenster der Macht entwickelt – ohne den störenden Zwischenschritt kritischer Fragen. Wer so kommuniziert, kontrolliert die Botschaft und umgeht bewusst die „Vierte Gewalt“.
Good News – Bad News
„Wie eine Freundin, die sich meldet“ – O-Ton Eva Weber zum WhatsApp-Kanal der Stadt (Screenshot WhatsApp)
Dazu kommt: Jede Minute, die für PR-Clips und Podcast-Folgen draufgeht, fehlt im Tagesgeschäft. Und jeder Klick, der auf städtische Kanäle fließt, fehlt lokalen Medien, die sich im freien Markt behaupten müssen – der einzigen Instanz, die Fehlentscheidungen im Rathaus wirklich ans Licht bringen kann. Und für die zunehmend nur noch „Bad News“ übrigbleiben: die „Good News“ publiziert die Stadt selbst. Tröstlich: Schlechte Nachrichten ziehen wenigstens Leser an. In der DAZ hatte der Artikel über den Bombenalarm in der Halderstraße zehnmal mehr Klicks als der Bericht über die Eröffnung des Info-Pavillons am Rathausplatz.
Schöne Bilder sind keine Demokratie
Die Grenze zwischen moderner Öffentlichkeitsarbeit und gefährlicher Propaganda ist schmal. Wird sie überschritten, wird aus Information Selbstdarstellung und aus Demokratie eine Werbeveranstaltung. Demokratie braucht aber kritische Kontrolle – nicht nur schöne Bilder aus dem Rathaus.
Podcast „Sommerferienspaß“
Instagram-Account Stadt Augsburg
Instagram-Account Eva Weber
WhatsApp-Kanal Stadt Augsburg
Beitragsbild: Reel-Screenshot Instagram-Account Stadt Augsburg