Am Samstag, den 19. Juli 2025 von 12 bis 17 Uhr findet auf dem Königsplatz vor der Deutschen Bank die Veranstaltung „Aufbruch zur Klimastadt – Fuggerallee jetzt!“ statt.
Ziel der Veranstaltung ist es, die Wiederbegrünung der Fuggerstraße als Symbol für eine umfassende Begrünung der Augsburger Innenstadt im Kontext des Klimawandels zu fordern. Acht umwelt- und verkehrspolitische Initiativen haben sich zusammengeschlossen, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen und einen Aufbruch zur Klimastadt einzuleiten, da bisherige politische Versprechungen nur zu unzureichenden Maßnahmen geführt haben.
Die Veranstaltung bietet Live-Musik von den Künstlern Manuel Bolling, Martin Dix, Taljesin und Songhill Garten sowie Informations- und Infostände.

Artikel vom
19.07.2025
| Autor: Bruno Stubenrauch
Rubrik: Kurznachrichten, Aktion, Demo, Städtebau, Umwelt, Verkehr
Anlässlich der Jakober Kirchweih 2025 bietet die Fuggerei am kommenden Samstag und Sonntag, den 19. und 20. Juli, ab 9 Uhr freien Eintritt für ihre Besucher. Geboten wird ein abwechslungsreiches Programm für Jung und Alt.
In der Fuggerei, die Teil der Kirchweih ist, öffnet an beiden Tagen ab 12 Uhr ein Waffelstand und ein Eiswagen. Darüber hinaus gibt es eine Bastelstation, Gartenschach, eine Waldstation und viele weitere Mitmachangebote. Führungen durch die Geschichte und das Leben in der ältesten Sozialsiedlung der Welt stehen ebenfalls auf dem Programm, darunter zwei Kinderführungen jeweils um 15 Uhr.
Auch Bienen wohnen hier
An beiden Tagen um 14.30 Uhr gibt Imker Andreas Stiel Einblicke in die süße Seite der Fuggerei. Er erklärt alles rund um seine Tätigkeit und die hier lebenden Bienen. Das Ergebnis, der Bienenhonig, kann auch gekauft werden: von 9 bis 20 Uhr in der Herrengasse beim gelben F.
Die Museen der Fuggerei sind am Fest-Wochenende länger geöffnet: am Samstag von 9 bis 22 Uhr und am Sonntag von 9 bis 20 Uhr. Der Eintritt sowohl in die Fuggerei selbst als auch zu allen Veranstaltungen an den beiden Festtagen ist kostenlos. Unter dem Jahr beträgt der Eintrittspreis für Erwachsene 8 Euro (ermäßigt 7 Euro) und für Kinder von 8 bis 17 Jahren 4 Euro.

Eingang zur Fuggerei in der Jakoberstraße 26 – Foto: DAZ
Artikel vom
17.07.2025
| Autor: Bruno Stubenrauch
Rubrik: Geschichte, Aktion, Baukultur, Kurznachrichten, Lifestyle, Veranstaltungshinweise, Wissen
Die Stadt Augsburg und die Fuggerschen Stiftungen feiern wieder einmal gemeinsam ein 500-Jahre-Jubiläum. Die historische Problemfigur Jakob Fugger soll erneut als Lichtgestalt auf die Stadt abstrahlen und dabei auch noch als angeblich innovativer Denker und Sozialreformer in die Zukunft wirken. Peter Bommas nennt das Geschichtsklitterung und empfiehlt zur Revision einen Museumsbesuch.
Kommentar von Peter Bommas
In Zeiten von Trump und Musk, wo Geld, Macht und Gier die Politik bestimmen, den alten Fugger und sein über Jahrhunderte waberndes Nachbeben hochzuhalten, ja abzufeiern und Augsburg als Medaille umzuhängen, ist mehr als grotesk, passt aber zum Verkauf politischer Souveränität und Wahrhaftigkeit an Marketingspezln. Es scheint in Augsburg in Vergessenheit geraten zu sein, wofür der „Fugger“ in den 70er, 80er und 90er Jahren stand – ein Symbol als Eintrittskarte in die Abhängigkeit, die Währung für ein Gramm H – nicht nur am Königsplatz. Wenn heute mit der Marketingidee „Fuggerei der Zukunft“ für ein soziales Vorzeige-Modell in Afrika geworben wird, das in Drittweltstaaten Armut und Wohnungsnot lindern soll, gefeiert als soziale, postmoderne Wohltat, so erinnert das doch sehr an die aktuellen, trumpschen Allmachtsphantasien, des Gottvaters des Geldes und der Macht, quasi eine evangelikale Reinkarnation des Jakob Fugger.
Der Godfather von Ausbeutung und Krieg
Der war im ausgehenden Mittelalter und heraufziehenden Frühkapitalismus der mächtigste Mann in Europa und damit der damaligen eurozentristisch definierten „Welt“, hat Kaiser und Könige finanziert und abserviert, war der Godfather von Ausbeutung und Krieg. Hat sich lustig gemacht über das „Volk“, die Niederlage der Bauern im Bauernkrieg 1525 gefeiert und mitfinanziert – der ersten noch vordemokratischen Erhebung gegen das Feudalsystem.

Heiligenbild (Grafik: DAZ)
Ebenso skrupellos die Zurichtung des „niederen Volks“ im heiligen römischen Reich deutscher Nation, das sich totschuften durfte in Bergwerken und frühkapitalistischer Heimarbeit. Zur ideologischen Rechtfertigung seines „Lebenswerks“ hat er sich gemein gemacht mit der mächtigen römischen Kirche und ihrem Unterdrückungs- und Verblendungsapparat. Dieses – realistische, historisch legitimierte – Fuggerbild ist in der wissenschaftlichen Forschung und im Lehrbetrieb schon lange bekannt und gründlich dargestellt. Das von zahlreichen Schulklassen besuchte, kleine, aber feine Fugger- und Welser-Museum in Augsburg legt dafür dankenswerterweise Zeugnis ab und zeigt uns das wahre Fuggerbild.
Jeder von diesem vor fünfhundert Jahren wütenden Machtmenschen beeindruckte Fugger-Fan, alle Lobhudler auf das als cleveres Geschäftsmodell initiierte Wohn-Projekt der Fuggerei – kleinhäuslerische Vereinzelung von prekärer Heimarbeit, nun bettelarmen „failed states“ mit dubiosen Versprechungen dargeboten als Projekt eines „Zusammenlebens der Zukunft für Entwicklungsländer“ (siehe die gründliche Recherche von Bernhard Schiller in der DAZ zu dem Projekt in Sierra Leone), möchte doch bitte einen Museumsbesuch machen. Und sich dort die Wirkungen Fuggerschen Wirtschaftens, Geldanhäufens und menschenverachtenden Handelns vor Augen führen.
Eine eher glanzlose Gegenwart, in der es nichts zu feiern gibt
Wer dort war und aufmerksam die Stationen betrachtet hat, der kann nicht mehr goutieren, was wichtige Teile der Augsburger Stadtgesellschaft partout festhalten wollen: Jakob Fugger als Lichtgestalt, als Identifikationsfigur für eine an der Armutsgrenze dahinsiechende Stadt mit maroden Schulen, Kitas, Sportplätzen, Schwimmbädern und ihre – zu fast fünfzig Prozent migrantischen – Bewohnerinnen und Bewohner, die nach über fünfhundert Jahren noch immer abstrahlen soll auf eine eher glanzlose Gegenwart. Es gibt nichts zu feiern! Diese kritiklose Lobhudelei auf einen frühneuzeitlichen Potentaten ist pure Geschichtsklitterung.
Artikel vom
25.04.2025
| Autor: Bernhard Schiller
Rubrik: Der Kommentar
Halb Deutschland gedenkt der Revolution von 1525. Landesausstellungen in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Reinland-Pfalz und Baden-Württemberg verleihen dem bedeutenden Ereignis prominenten Raum und auch das Land Bayern hat ihm eine eigene Ausstellung in Memmingen gewidmet. Nur in Augsburg scheint man sich schwer zu tun mit dem gemeinen Volk und dem Krieg.
Obwohl Augsburgs Jakob Fugger durch seine Finanzhilfen maßgeblichen Einfluß auf die Niederschlagung der Bauern und gemeinen Leute und somit wesentlichen Anteil an dem großflächigen historischen Ereignis hatte. Die Fuggerschen Stiftungen feiern indes schon wieder, diesmal den 500. Todestag ihres Gottvaters Jakob und die Stadt feiert mit, zum Beispiel mit einer Sonderausstellung zu den reichen Kunstschätzen aus der Zeit der Fugger. Außerdem konzentriert sich die Stadt auf das 375. Jubiläum des sogenannten Friedensfestes, verpasst dabei aber das Thema Bauernkrieg komplett, obwohl es zur Geschichte des Friedensfestes gehört wie die Reformation und der Dreißigjährige Krieg.

Lutherstiege mit Jakob Fugger (Foto: Regio Augsburg Tourismus GmbH, Katharina Dehner)
Fast bliebe der Bauernkrieg nur eine Randerscheinung jenseits der Stadtmauern – doch immerhin: Das Fugger- und Welser-Erlebnismuseum widmet dem Thema an jedem ersten Samstag im Monat eine Führung und will damit die Gegensätze zwischen Martin Luther und Jakob Fugger beleuchten. Die kombinierte Führung beginnt in der St.-Anna-Kirche, wo die Lutherstiege und die das Mausoleum der Fugger besichtigt werden, anschließend folgt ein Rundgang durch die Dauerausstellung des Fugger- und Welser-Erlebnismuseums anhand der Fragestellung, weshalb es aus Sicht Luthers notwendig geworden war, den Fuggern „einen Zaum ins Maul zu legen“.
Führung im Gedenkjahr:
»Von der Freihaitt aines Christenmenschen«: Luther – Fugger – 1525
Weitere Termine: 03.05. | 07.06. | 05.07. | 02.08. | 06.09. | 04.10. | 06.12.2025
Beginn: 14:30 Uhr
Treffpunkt: St. Anna im Kreuzgang (Eingang Lutherstiege)
Kosten: 16 € | 14 € erm. inkl. Eintritt ins Fugger und Welser Erlebnismuseum
Dauer: 2 Stunden
Artikel vom
22.04.2025
| Autor: Bernhard Schiller
Rubrik: Kurznachrichten
Mit Riesenspektakel wurden im Sommer 2022 die Feierlichkeiten zum 500-jährigen Bestehen der Augsburger Fuggerei begangen. Öffentlichkeitswirksam angekündigt wurde dabei der Bau sogenannter „Fuggereien der Zukunft“ auf der ganzen Welt. Im Dezember 2022 verkündeten die Fuggerschen Stiftungen den Baubeginn einer solchen in Sierra Leone. Im Oktober 2024 teilte die Augsburger Allgemeine am Rande eines Berichts aus der Fuggerei den Abschluss des Projekts mit. Eine Fuggerei der Zukunft sei „in Afrika entstanden“. Die DAZ hat nachgefragt. Bei dem Verein PfefferminzGreen e.V. und bei den Fuggerschen Stiftungen. Beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und bei Akteuren in Sierra Leone. Das Ergebnis enttäuscht zwar im Hinblick auf die vollmundigen Ankündigungen der Fuggerschen Stiftungen. Immerhin wird aber ein besonderes Projekt in einem der ärmsten Länder der Welt sichtbar – das „Rothumba-Projekt“.
Von Bernhard Schiller
Anfang des Jahres 2021 erhielt die Frankfurterin Dr. Stella Rothenberger eine Anfrage der Fuggerschen Stiftungen aus Augsburg. Ob sie sich eine Zusammenarbeit anlässlich des bevorstehenden Fuggerei-Jubiläums vorstellen könne. Rothenberger musste nicht lange überlegen. Die promovierte Pädagogin mit Schwerpunkt interkulturelle Zusammenhänge in der Sozialarbeit erhoffte sich eine Steigerung der öffentlichen Wahrnehmung für die Projekte ihrer gemeinnützigen Organisation PfefferminzGreen e.V. (siehe Infokasten) und damit mehr finanzielle Unterstützung. Die Ideen und Werte der Fuggerschen Stiftungen waren ansprechend und ließen Großes erwarten. Die Fuggerei als Beweis für Nachhaltigkeit, für Hilfe zur Selbsthilfe, die Jahrhunderte überdauert.

Fuggerei-Pavillon auf dem Augsburger Rathausplatz (Foto: DAZ)
Rothenberger willigte ein, befragte die Menschen des Dorfes Rothumba in Sierra Leone, was diese brauchen und entwickelte mit ihnen gemeinsam eine Idee. Eines kam zum anderen und Rothenberger fand sich im Frühjahr des Jahres 2022 auf einem Podium im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses wieder – anlässlich der Eröffnung des „Fuggerei Next 500“-Pavillons auf dem hiesigen Rathausplatz. Gäste der Eröffnungsfeier waren die Präsidentin der europäischen Kommission Ursula von der Leyen (CDU), der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung Gerd Müller (CSU), kurz zuvor noch Bundesminister für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) erklärte vor der feierlichen Versammlung, dass sich die Fuggerei nach fünfhundert Jahren „als internationaler Impulsgeber für soziale Innovation“ erweise. Wie eine solche Innovation aussehe, sollte Rothenberger demonstrieren, indem sie ihr „Rothumba-Projekt“ vorstellte, zu welchem die Anfrage der Fuggerschen Stiftungen Anfang 2021 den Anstoß gegeben hatte.
PfefferminzGreen e.V. engagiert sich seit dreizehn Jahren in Sierra Leone
Die Steine in Sierra Leone ins Rollen gebracht hatte Rothenberger jedoch schon lange vorher. Seit dem Jahr 2012 engagiert sie sich mit PfefferminzGreen e.V. in dem westafrikanischen Land, immer in enger Kooperation mit der lokalen, unabhängigen Frauenrechtsorganisation Amazonian Initiative Movement (AIM) und deren Gründerin Rugiatu Turay. Neneh – wie Rothenberger ihre Freundin nennt und von der sie begeistert erzählen kann – kämpft seit ihrer Jugend für die Abschaffung des Rituals der weiblichen Genitalverstümmelung. Unter Turays Regie wurde ein Schutzhaus für betroffene Mädchen und Frauen gebaut. Mittlerweile seien auch größere internationale Nichtregierungsorganisationen an Turays Strategie, den Menschen im Land unblutige, aber kulturell akzeptierbare Ersatzrituale zu vermitteln, interessiert. Vielen Frauen ist auf diese Weise bereits ein Martyrium erspart worden. Rugiatu Turay erhielt dafür im Jahr 2020 den Menschenrechtspreis der Stadt Esslingen.
Das Amazonian Initiative Movement wird von PfefferminzGreen e.V. finanziell und organisatorisch unterstützt. Vor allem gehe es bei der Zusammenarbeit der beiden Organisationen aber darum, auf Augenhöhe miteinander und voneinander zu lernen, so Rothenberger. Die weibliche Genitalverstümmelung ist indes nur eines von zahlreichen Problemen, die Sierra Leone als eines der ärmsten Länder zu bewältigen hat. In dem Fischerdorf Rothumba zeigen sich diese wie durch ein Brennglas.

Dr. Stella Rothenberger, Rugiatu Turay, Bewohner von Rothumba (Foto: Manon Mariëlle Fransen)
Das „Rothumba-Projekt“: Kolonialismus auch in der Entwicklungshilfe überwinden
Rothumba (andere Bezeichnungen lauten Thumba/ Tumba) ist ein abgelegenes Fischerdorf am Flussufer des Sierra Leone Flusses, im Distrikt Port Loko an der westafrikanischen Atlantikküste. Die Einwohner leben vor allem vom Fischfang und von Landwirtschaft, die hauptsächlich für den Eigenbedarf produziert. Der Ort ist historisch bedeutsam. Hier wurden seit dem 15. Jahrhundert bis zum Ende des Sklavenhandels versklavte Menschen „gelagert“. Von Rothumba aus wurden die Sklaven nach Amerika, Großbritannien und in weitere Länder verschifft. Auf den Plantagen der Reisbarone in South Carolina und Georgia waren Sklaven von der als „Reisküste“ bezeichneten Gegend um Rothumba besonders begehrt. Sklavenjäger machten in den westafrikanischen Reisfeldern gezielt Jagd auf Reisbauern. Ruinen der ehemaligen „Slave Factory“ sind noch heute zu sehen.

Ehemalige „Slave Factory“ in Rothumba (Foto: Manon Mariëlle Fransen)
Heute gelte die Menschen in Rothumba zwar als frei, sie leben jedoch unter extremer Armut. Es mangelt an allen lebensnotwendigen Dingen. An Zugang zu medizinischer Versorgung und sauberem Wasser. An Elektrizität, angemessenem Wohnraum, Arbeitsmöglichkeiten und Bildungschancen, vor allem zu weiterführenden Schulen.
Hier setzt der Zehn-Jahres-Plan des Rothumba-Projekts an mit dem Ziel, den Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Schritt für Schritt sollen die Mängel behoben werden und den Dorfbewohnern die Möglichkeit gegeben, die erreichten Ziele unabhängig und selbständig zu erhalten. Der Verein PfefferminzGreen verfolgt dabei einen Ansatz, der sich unterscheiden soll von dem Bild, das in Deutschland landläufig von sogenannter Entwicklungshilfe existiert und oft kritisiert wird. Der Leitgedanke des Rothumba-Projekts heißt: „Shift the Power!“ Entscheidungsfindungen und Kontrolle über Entwicklungsprojekte sollen den unmittelbar betroffenen Menschen vor Ort überlassen werden. Ihre Perspektiven und Bedürfnisse sollen in den Mittelpunkt des Handelns gestellt, sollen gehört und gesehen werden. Nicht zuletzt will dieser Ansatz die Machtverhältnisse zwischen globalen und lokalen Akteuren hinterfragen und verändern. Rothenberger und ihre lokale Partnerin Rugiatu Turay mit dem Netzwerk AIM sorgen sich dabei längst nicht mehr ausschließlich um die Themen weibliche Genitalbeschneidung und weibliche Armut. Mit dem Zehn-Jahres-Plan des Rothumba-Projekts verfolgen sie vielmehr einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Bewohner teilhaben lassen soll.
Die Zusammenarbeit mit der Fuggerei war im Ergebnis enttäuschend
Im Dezember 2022 meldeten die Fuggerschen Stiftungen den „Baubeginn der ersten Fuggerei der Zukunft“ in Rothumba und den „Start eines Zehnjahresplans“ (gemeint ist der o.g. Zehn-Jahres-Plan) mit dem eine „nachhaltige, soziale Siedlung basierend auf den Ideen der Menschen vor Ort umgesetzt werden soll.“ Die Pressemitteilung zitiert Stella Rothenberger, die sich sehr freuen würde, wenn das Projekt durch die „ideelle“ Partnerschaft mit der Fuggerei mit Menschen und Organisationen in Kontakt kommen würde, welche die „Idee einer nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit“ unterstützen wollen.
Dazu ist es laut Rothenberger bisher nicht gekommen, zu ihrer großen Enttäuschung. Außer der öffentlichkeitswirksam vorgetragenen Idee von sogenannten „Fuggereien der Zukunft“ und den Darstellungen auf dem eigenen Internetauftritt, haben auch die Fuggerschen Stiftungen selbst laut Rothenberger keinen weiteren substanziellen Beitrag geleistet. Es habe aber immer wieder Kontakt bestanden und es seien auch Rückfragen aus Augsburg gekommen. Die Fuggerschen Stiftungen selbst erkundigen sich auf die Presseanfrage der DAZ hin zunächst bei Rothenberger nach dem Stand des Projekts und verweisen auf die Pressemitteilung der Stiftungen vom 5. Dezember 2022. Trotz dieses ernüchternden Sachverhaltes, glaubt Rothenberger weiterhin an die gute Ursprungsidee, an die Idee der Nachhaltigkeit und eines selbstbestimmten Lebens in Würde, die sie noch immer mit der Fuggerei verbindet.
Eine neue Grundschule und ein Trainingscenter
Ungeachtet dieser Umstände hat sich im kleinen Fischerdorf Rothumba an der Mündung des Sierra Leone-Flusses seit dem Baubeginn vor über zwei Jahren viel getan. Unter dem Projekttitel „Bildung für Thumba“ wurden tatsächlich die Grundschule für 350 Kinder wiederaufgebaut und ein Trainingscenter für 200 Frauen errichtet. Die Frauen lernen dort, Seife herzustellen, Nähen und „Gara tie dye“, eine Färbetechnik für Textilien. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel kamen zu 25 Prozent von PfefferminzGreen e.V. und zu 75 Prozent vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Förderung durch das BMZ erfolgte innerhalb des Programms Engagement Global (EG), mit dem die deutsche Bundesregierung Entwicklungsinitiativen des bürgerschaftlichen und kommunalen Engagements unterstützt. Ansprechpartner für Engagement Global vor Ort ist Rugiatu Turay mit AIM. Ein Sprecher des BMZ erklärt gegenüber der DAZ, dass dem Ministerium keine Informationen zu einer etwaigen finanziellen Beteiligung der Fuggerei vorliegen.
Kaum nachvollziehbare Darstellung der Fuggerei
Der Begriff „Fuggerei der Zukunft“ ist den Menschen in Rothumba vollkommen unbekannt. Rothenberger erklärt, dass Wohnraum in Rothumba hinreichend vorhanden sei und deshalb nicht das drängendste Problem für die Menschen vor Ort. Insofern ist auch die Darstellung auf der offiziellen Internetseite der Fugger zur Architektur der Gebäude des Rothumba-Projekts für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar. In der dort veröffentlichten
Pressemitteilung vom 5. Dezember 2022 zum „Baubeginn der ersten Fuggerei der Zukunft“ heißt es, dass „die Grundsteinlegung einer … sozialen Siedlung“ stattgefunden habe und dass die „Architektur Planungen von MVRDV… nun umgesetzt“ würden.
Das niederländische Architekturbüro MVRDV konstruierte den gigantischen Holzwurm, der anlässlich der Fuggerei-Feierlichkeiten im Sommer 2022 über den Augsburger Rathausplatz kroch. Eine Sprecherin des Architekturbüros erklärt gegenüber der DAZ, dass MVRDV darüber hinaus an einem Handbuch für die „Fuggerei der Zukunft“ gearbeitet und Studien zu möglichen Anwendungen an bestimmten Standorten entwickelt habe, darunter auch Sierra Leone. Nach Abschluss dieser Studien im Jahr 2022 sei man jedoch nicht mehr in das Projekt involviert gewesen und könne deshalb nichts zu einer möglichen Umsetzung sagen.

Bootsbau in Rothumba (Foto: Stella Rothenberger)
Das nächste Ziel: Eine überdachte Schreinerei für den Bau von Fischerbooten
Die Grundschule und das Trainingscenter jedenfalls sind seit Ende Dezember 2023 erfolgreich in Betrieb. Davon konnten sich laut BMZ Mitarbeiter von Engagement Global im vergangenen November selbst überzeugen. Stella Rothenberger erzählt der DAZ in mehreren Telefonaten während einer Reise nach Rothumba begeistert von den Fortschritten vor Ort und schwärmt von den Menschen dort, die so großartige Arbeit leisten würden. Mit der jetzt beginnenden zweiten Phase des Rothumba-Projekts sollen die Fischer unterstützt werden. Eine überdachte Schreinerei soll entstehen, in der die Männer Boote auch in der Regenzeit bauen und instand halten können. Es fehlt an Werkzeugen und Material. Für den Bau eines kleineren Holzbootes werden Bretter, Korkbeutel, Nägel und Farbe benötigt. Zur Ausstattung eines Bootes zählen weiter die Netze, eine Kraftmaschine, eine Kühlkammer samt Solaranlage und letztendlich der Treibstoff. Ein funktionsfähiger Bootssteg fehlt dem Dorf auch.
Weiterhin Partner für eine Entwicklungszusammenarbeit gesucht
Es gibt noch viele Entwicklungsziele in Rothumba, dem nicht mehr ganz so unscheinbaren, geschichtsträchtigen Fischerdorf hinter der westafrikanischen Atlantikküste. Die Einwohner wissen, was sie brauchen, um Armut zu überwinden und Teilhabe herzustellen, erklärt Pädagogin Rothenberger. Die Einzelprojekte des Rothumba-Projekts seien grundsätzlich darauf ausgelegt, sich mittelfristig selbst tragen zu können und unabhängig zu sein. Doch es mangele vor allem an finanziellen Mitteln als Anschubfinanzierung. Dafür brauche es externe Partner. Guten Ideen und Ziele seien hinreichend vorhanden. Zu den vorhandenen Kräften zählen auch Unterstützerinnen wie Stella Rothenberger und Rugiatu Turay, die mit vielen weiteren engagierten Helfern an die Fähigkeiten und die Kraft der Menschen vor Ort glauben und daran, dass diese ihr Leben aktiv selbst in die Hand nehmen können. Denn um diese Menschen geht es, betont Rothenberger, die auch drei Jahre nach den Augsburger Feierlichkeiten Unterstützer sucht, die mit der Idee einer nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit mehr verbinden als eine „ideelle Partnerschaft“.
Weiterführende Informationen
PfefferminzGreen e.V.
Der Verein feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Unter den Leitgedanken „Shift the Power!“ und „No white Saviourism!“ strebt er ein Ende des europäischen Kolonialismus auch im Denken der Entwicklungshilfe an. Der Verein glaubt „an einen afrikanischen Kontinent, der frei von ausländischer Hilfe ist und in der Lage, von innen heraus eine starke und gesunde gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Stabilität zu entwickeln“. Zu diesem Zweck fördert der Verein die Arbeit von lokalen NGO und Gemeinschaften wie beispielsweise das Amazonian Initiative Movement. Die Gründerin und Vorsitzende des Vereins, Dr. Stella Rothenberger, hat zu den Möglichkeiten einer solchen Theorie „Indigener Sozialer Arbeit“ und der Entkolonisierung von Bildungs- und sozialen Unterstützungssystemen promoviert. Die Ergebnisse ihrer mehrjährigen Studien und Erfahrungen mit indigener sozialer Arbeit in Sierra Leone hat sie in einem Buch zusammengefasst („Indigene soziale Arbeit: Kulturadäquate Ansätze einer lokalen Nichtstaatlichen Organisation in Sierra Leone“, Campus Verlag, 2021).
https://www.pfefferminzgreen.com/
Spendenaufruf auf betterplace.org
https://www.betterplace.org/de/organisations/19791-pfefferminzgreen-e-v

TUBS, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
Sierra Leone
Die Republik Sierra Leone liegt an der westafrikanischen Atlantikküste zwischen Guinea und Liberia. Der Vielvölkerstaat zählt rund acht Millionen Einwohner, die sich aus zahlreichen Ethnien mit jeweils eigenen Sprachen zusammensetzen. Das Land hat eine bewegte Geschichte. Die Region wurde seit über zweitausend Jahren von wechselnden Gruppen besiedelt, erobert und umkämpft. Nach der Ankunft der portugiesischen Seefahrer wurde sie zu einem Dreh- und Angelpunkt des transatlantischen Sklavenhandels. Profiteure des portugiesischen Handels mit versklavten Menschen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren die Augsburger Kaufmanns-Familien der Welser und Fugger. Letztere lieferten den portugiesischen Sklavenhändlern die Manillen (Messingarmbänder), die in Westafrika als Zahlungsmittel beim Kauf von Sklaven eingesetzt wurden.
Später wurde Sierra Leone mehrmals zum Symbol der Hoffnung. Die Hauptstadt Freetown wurde 1792 von ehemaligen Sklaven gegründet, die aus Amerika und Großbritannien zurückgekehrt waren. Der verheerende Bürgerkrieg um die sogenannten „Blutdiamanten“ von 1991 bis 2002 hinterließ Zerstörung und Traumata, die bis heute andauern. Nach dem Krieg befand sich das Land auf einem Weg der politischen Stabilisierung und Demokratisierung und galt lange Zeit als Musterbeispiel für gelungene Konfliktlösung und Wiederaufbau. Seit August 2022 häufen sich jedoch Anzeichen eines Systemwandels hin zu einer Autokratie. Das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) spricht von einer extrem schwierigen Lage. Die große Armut der Bevölkerung und die heikle Ernährungssituation sind Risiken für die politische Stabilität und den sozialen Frieden. Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner. Größtes Exportgut nach Deutschland ist das Mineral Rutil (Titandioxid), das hierzulande als weißes Farbpigment in Lacken und Papier verwendet wird.
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Artikel vom
01.02.2025
| Autor: Bernhard Schiller
Rubrik: Soziales
Am zweiten Sonntag im Monat können Besucher des Fugger und Welser Erlebnismuseums an einer Sonderführung teilnehmen.

Im November geht es um die Rolle und Lebensgeschichten der Frauen der Fugger und Welser.
Parallel findet für Grundschulkinder die Führung »Geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst!« statt. Beide Führungen finden am Sonntag, den 12. November um 11.00 Uhr statt.
Was wissen wir eigentlich über die Frauen der Fugger und Welser? Weshalb schloss Jakob Fugger Frauen grundsätzlich von allen Geschäften aus? Warum wurden die bedeutenden Rollen von Jakob Fuggers Mutter und Großmutter im Ehrenbuch der Familie verschwiegen? Wie war Sibylla Fuggers Verhältnis zu ihrem Ehemann Jakob? Welche spannenden Lebensgeschichten verbergen sich hinter den Namen Margarete Peutinger und Philippine Welser?
Diese Museumsführung gibt interessante Einblicke in ein bisher weitgehend unbekanntes Kapitel Augsburger Geschichte.
Kinderführung »Geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst!«
Alle kennen dieses Sprichwort – doch woher kommt es eigentlich? Um das herauszufinden, begeben wir uns auf eine Reise entlang der Handelsrouten der Welt um 1500. Wie veränderten sich das Leben und der Handel durch die Anfänge der Globalisierung? Wie sahen die Kommunikationswege vor 500 Jahren aus und wie schnell waren sie?
Treffpunkt ist das Fugger und Welser Erlebnismuseum – Äußeres Pfaffengässchen 23, 86152 Augsburg.
Kosten: 12 € | 10 € erm. | 5 € Kind | 25 € Familie | 14 € Mini-Familie
inkl. Eintritt
Dauer: 1 Stunde
Tickets unter https://www.fugger-und-welser-museum.de/programm/
Artikel vom
10.11.2023
| Autor: sz
Rubrik: Museen
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch haben Aktivisten aus dem Umfeld des Klimacamps mit einer sogenannten „Fuggerkorrektur“ auf die unzureichende Aufarbeitung der Augsburger Kolonialgeschichte aufmerksam gemacht.
Dabei brachten sie ein Schild mit der Aufschrift „Sklavenhändler“ neben der Welsertafel in der Annastrasse an und ergänzten die Aufschrift der Fuggerstatue am Fuggerplatz „Hans Jakob Fugger, Beförderer der Wissenschaft“ um den Zusatz „Beförderer des Sklavenhandels“. „Die Fugger haben das kapitalistische koloniale System mit aufgebaut, das bis heute Menschen und Umwelt ausbeutet, und werden in Augsburg für ihren Reichtum gefeiert. Das schickt die ganz falsche Botschaft in die Welt, dass das Erlangen von Reichtum rühmlicher ist, als es verwerflich ist Menschenrechte mit Füßen zu treten“, so Felix Strobel.
Wie die Bundeszentrale für politische Bildung beschreibt, bereicherten sich die Handelshäuser Fugger und Welser ab dem 16. Jahrhundert durch den Sklavenhandel. Die Welser waren am direkten transatlantischen Sklavenhandel beteiligt, die Fugger Geldgeber für den portugiesischen Sklavenhandel. Dieser Handel wurde im 17. Jahrhundert zu einem kolonialen System aufgebaut, welches bis heute Menschen und Umwelt ausbeutet. In Augsburg wird vor allem die Familie Fugger glorifiziert ohne den Ursprung des Reichtums kritisch zu hinterfragen oder die Motivation zur Errichtung der Fuggerei – dem Wunsch nach eigenem Seelenheil – zu benennen.
Artikel vom
26.04.2023
| Autor: sz
Rubrik: Gesellschaft, Kurznachrichten
500 Jahre Fuggerei: Augsburg feiert wo es wenig zu feiern gibt
Kommentar von Peter Bommas

Kein Wohnmodell für die Zukunft: Augsburger Fuggerei
Jakob Fugger – Frühkapitalist, kolonialer Ausbeuter, Kriegsfinancier, Machtmensch – genügend Material für eine kritische Würdigung. Doch Augsburgs Stadtgesellschaft samt politischer Führung gefällt sich im Gratulations- und Feiermodus. Kein kritisches Wort fällt. Während sich das von der Regio Augsburg betreute „Fugger- und Welser Erlebnismuseum“ inzwischen erfolgreich und sehr ambitioniert um eine kolonial- und rassismuskritische Aufarbeitung und eine angemessene museale Konzeptionierung bemüht, Schulklassen sich dort eine neue, erinnerungskulturell vorbildliche Sichtweise zu eigen machen können, nimmt die Stadtspitze samt Regierungsfraktion diese Anstrengungen offensichtlich nicht zur Kenntnis und feiert auf dem Rathausplatz ein Fuggerbild, das so nicht mehr vorzeigbar, wissenschaftlich offenkundig falsch und aus der Zeit gefallen ist.
Die Fuggerei als soziales Vorzeigemodell für den Wohnungsmarkt der Zukunft – das ist angesichts des Zustandekommens und der sehr speziellen Wohnbedingungen doch sehr frivol. Das passt ganz und gar nicht zum aktuellen erinnerungskulturellen Diskurs. Jakob Fugger kann man nicht umstandslos abfeiern, es gibt viel zu kritisieren und stadthistorisch aufzuarbeiten. Dabei stünde es der Stadt gut zu Gesicht, zum Jubiläum die aktuelle kritische Bestandsaufnahme der Fugger-Historie zu berücksichtigen – ein partizipatives, wissenschaftliches Symposion wäre angebracht gewesen. Wer sich angesichts der dem Frühkapitalismus eigentümlichen Auslöschung indigener Kulturen zwecks Ausbeutungsbarbarei und Gewinnmaximierung sowie deren kirchlich-religiöser Verbrämung noch „Fuggerstädter“ nennen will, kann das als Form der Selbstentlarvung tun, aber bitte nicht als Repräsentationsmuster für eine ganze Stadt anbieten.
Artikel vom
14.06.2022
| Autor: sz
Rubrik: Der Kommentar
Der Traum vom erfolgreichen Bluff wurde in Augsburg immer geträumt
Kommentar von Siegfried Zagler

König der Bluffer: D´Stoinerne Ma Foto: DAZ
Augsburg ist eine erstaunliche Stadt. Nicht ganz so wie Venedig, wo hinter jeder Ecke etwas Erstaunliches zu finden ist, aber immerhin: In Augsburg wurde der Kapitalismus erfunden (Fugger), in Augsburg wurde die ästhetische Kritik am Kapitalismus erfunden (Brecht) und in Augsburg wurde der Verbrennungsmotor und die Musik revolutioniert (Diesel und Mozart). Und in Augsburg wurde neben der Wasserwirtschaft (Martin Kluger) der Bluff aus der Not heraus erfunden ( „d´ Stoinerne Ma“).
Zur „Stadt der Chancen“ (OB Eva Weber) gehören also nicht nur die Nörgler, wie Brecht und Diesel, sondern auch grandiose Bluffer, wie Jakob Fugger, der Reiche oder Konrad Hacker, der Bäcker, besser: der König der Bluffer. Der Adelsstand der Bluffer hat sich in Augsburgs DNA besser gehalten als die Stadtmauer und das Andenken an die Römer.
Ein Bluff, der funktioniert, wird von der Nachwelt als raffinierte Tat gefeiert, da man damit Interessen und Absichten durchsetzen konnte, ohne die Mittel oder die Fähigkeiten dazu gehabt zu haben. Ein Bluff dagegen, der nicht funktioniert, entlarvt den Bluffer als Hochstapler.
In Augsburg wird man Baureferent Gerd Merkle weder ein Denkmal setzen, noch einen Platz nach ihm benennen, wenn er im Frühjahr 2023 abdankt. Es sei denn, man nennt die heutige Fuggerstraße in „Straße der großen Trickser und Bluffer“ um. Darin bekäme er selbstverständlich neben Konrad Hacker und einigen Mitgliedern der hiesigen Fugger-Familie einen Ehrenplatz, den man ihm später streitig machen könnte, da ihn die Forschung möglicherweise als Hochstapler entlarven würde.
Man muss sich das „Goldene Zeitalter“ in Augsburg als Horror-Szenario vorstellen: Von der Pest entstellte Kinderleichen lagen auf den Straßen neben ihren verhungerten Eltern. In eiskalten Wintern wurde alles verheizt, was brannte, alles gegessen, was essbar erschien, Kannibalismus und Wahn beherrschten die einst reiche und stolze Reichsstadt – und es wurde gestorben: Die Bevölkerungszahl sank innerhalb kurzer Zeit von 49.000 auf 19.000, schließlich wurde 1635 die Stadt nach langen Blockaden, die den Horror verursachten, aufgegeben und an die bayerische Armee übergeben. Es gab keinen Abzug der Belagerungstruppen, deren Strategie voll aufging.
Doch im historischen Bewusstsein der Augsburger Stadtgesellschaft verfing sich, trotz dieser größten Katastrophe der Stadtgeschichte, die Legende von der Unverdrossenheit und die Idee des „All in“, die sich im Gedenken an den Steinernen Mann spiegelt, stärker als die Realität, die diese Legende erschuf. So wie sich die geschlagenen und gedemütigten Augsburger im 17. Jahrhundert den Bäcker Konrad Hacker zusammen fantasierten, der im 30-jährigen Krieg während der Belagerung der Stadt aus Sägemehl und Kleie einen riesigen Brotlaib geformt haben soll, den er von der Stadtmauer aus den Belagerern zugeworfen habe, sodass sie wohl denken mussten, dass sie weder die Stadt nehmen noch aushungern können – und abzogen, so versucht Augsburgs Baureferent heute die „eigenen Leute“ wie die „Bayerischen Truppen“ (=Staatsregierung) mit einer ebenfalls frei erfundenen Legende davon zu überzeugen, dass man mit Sägemehl und Kleie (KfW-Bank) ein Staatstheater sanieren, ja ein Theater-Viertel erschaffen kann.
Nach der Informationsshow von Gerd Merkle, Jürgen Enninger und Co. zum Sanierungsstand des Augsburger Staatstheaters darf man in Augsburg davon ausgehen, dass der „große Bluff Theatersanierung“ aufgeflogen ist. Der Bluff der Zocker bestand und besteht darin, dass Kurt Gribl, Eva Weber, Gerd Merkle und die CSU wie die Grünen so tun, als würde sich die Stadt ein Theater leisten können, dessen Sanierung wohl mehr als 400 Millionen Euro verschlingen wird. Geblufft wurden die Augsburger Bürger und die Fördermittelgeber. Der Einsatz liegt auf dem Tisch. Am 23. Juni wird der Stadtrat „All in gehen“ und das Spiel mit der Methode „Augen-zu-und-durch“ verlieren, indem er Bauteil II der Theatersanierung durchwinken wird. „Durchwinken“ deshalb, weil man in Augsburg den Bluff offensichtlich höher schätzt als die gesellschaftliche Realität, die den Bluff benötigt.
Dies haben sich wohl auch die Erben von Jakob Fugger gedacht, als sie – zwar nach 500 Jahren immer noch reich, aber längst nicht mehr reich genug, um gesellschaftlichen Einfluss zu besitzen – mit der Idee des Fugger-Pavillon vorstellig wurden. Die Stadt ließ sie machen und siehe da: Die Stadtgesellschaft und die Augsburger Allgemeine ließen sich zusammen mit Eva Weber, Ursula von der Leyen und Claudia Roth von einer Inszenierung vereinnahmen, wie sie die Welt seit Konrad Hacker nicht mehr gesehen hat. Crowdfunding á la Fugger! Wie gesagt: Von allen erstaunlichen Städten wird Augsburg nur von Venedig übertroffen – und bekanntermaßen ist die Lagunenstadt dem Untergang geweiht.
Artikel vom
12.06.2022
| Autor: sz
Rubrik: Der Kommentar
Nach rund 60 Jahren erhält das Augsburger Fugger-Denkmal am Fuggerplatz gestohlene Schreibfeder zurück

Theresia Gräfin Fugger von Glött, Finderin Dagmar Reitmeir und Oberbürgermeisterin Eva Weber mit Schreibfeder des Denkmals am Fuggerplatz — Foto: Ruth Plössel / Stadt Augsburg
Nach mehr als einem halben Jahrhundert bekommt das Denkmal am Fuggerplatz seine gestohlene Schreibfeder zurück. Sie tauchte im Nachlass einer Verstorbenen auf. Die inzwischen in Landsberg lebende Tochter der Verstorbenen gab sie nun an die Stadt Augsburg zurück. Nach ihren Angaben hatte ihr Stiefvater als Kind die Schreibfeder Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre zusammen mit Freunden dem Denkmal entrissen.
Die 35 cm lange Schreibfeder zierte vor ihrem Verschwinden die Hand der vom abgedankten Bayern-König Ludwig I. gestifteten Staute, die 1857 in Augsburg aufgestellt wurde. Ironischerweise erinnert das einzige Fuggerdenkmal in der „Fuggerstadt Augsburg“ an den Bankrotteur der drei großen Generationen der mächtigen Augsburger Handelsfamilie. Wegen seiner Schulden musste er seine wertvolle Büchersammlung an Albrecht V. von Bayern verkaufen. Der Herzog von Bayern schuf auf dieser Grundlage die Hofbibliothek in München, aus der die heutige Bayerische Staatsbibliothek entstand. Hans Jakob Fugger gilt als einer der größten Buchsammler des 16. Jahrhunderts. Die 2,60 hohe und 1,8 Tonnen schwere Statue in der Augsburger Innenstadt zeigte ihn deshalb mit einer Pergamentrolle in der linken und einer Schreibfeder in der rechten Hand – und zeigt ihn wohl demnächst wieder mit einer Nachbildung der zurückgegebenen Schreibfeder, da das Original ins Museum wandert.

Foto: Ruth Plössel / Stadt Augsburg
„Dieser außergewöhnliche Augsburger hat mit seiner kostbaren Sammlung das Fundament für die Bayerische Staatsbibliothek gelegt, eine Kathedrale des bayerischen Geistes und eine der größten und bedeutendsten Gedächtnisinstitutionen Europas. Und fast 500 Jahre nach seinem Tod schenkt er unserer Stadt ausgerechnet mit einer Schreibfeder eine weitere bemerkenswerte Geschichte!“ So wird Augsburgs Oberbürgermeisterin in einer städtischen Pressemitteilung zitiert.
Artikel vom
11.06.2022
| Autor: sz
Rubrik: Gesellschaft