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Donnerstag, 30.10.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kunst

Die Kahnfahrt und Walter Käsmair: Die Welt hinter den Dingen

Der viel zu früh verstorbene Fotograf Walter Käsmair war viele Jahre Stammgast in der Augsburger Kahnfahrt. Sein Werk zeigt uns die Welt hinter den Dingen

Von Siegfried Zagler

Foto © Walter Käsmair

Die Augsburger Kahnfahrt ist ein Ort, der die Stadt und ihre unbeschreibliche Eigentümlichkeit, ihr Wesen dergestalt intensiv reflektiert, sodass es schwer fällt, ihn länger als einen Nachmittag zu ertragen. Das mag auch an den Ruderkähnen liegen, die wie ein Versprechen am Ufer vor der Kneipe liegen. Ein Boot, das sich aus dem Blickwinkel des Betrachters entfernt, erzeugt die Illusion, dass es die uns bekannte Welt verlässt. – Um an das andere Ufer zu kommen, braucht man ein Boot. Boote sind mythische Gefährte, die uns eine Reise aus dem selbst verschuldeten Elend des Alltags versprechen, ein Abenteuer oder eine kleine Flucht. Ein Boot, das im Hafen liegt, ist eine Metapher für ungestillte Sehnsucht. Der Meisterfotograf Walter Käsmair schien die Welt hinter den Dingen zu kennen. Das Foto von der Augsburger Kahnfahrt ist ein klassisches Dokument seiner Fähigkeit, das Verborgene sichtbar zu machen. Käsmair nahm es während eines Fußballspiels der deutschen Mannschaft im Rahmen der Fußball-WM 2014 auf. Wenn die Stadt menschenleer war, erwachte Käsmairs Obsession.

Walter Käsmairs Obsession war nichts Geringeres als die Erfindung einer anderen Welt. Der fotografische „Sucher“ sucht nicht, sondern inszeniert. Der Künstler unter den Fotografen steuert den Lauf des Lichts in einen unentdeckten Raum. Der Raum hieß bei Käsmair „Augsburg“. Ein Augsburg, das es außerhalb seiner Lichtgemälde nicht gibt. Augsburg ist, das könnte man beim längeren Betrachten der fotografischen Kunstwerke Walter Käsmairs leicht vergessen, nämlich eine bewohnte Stadt, also voller umtriebiger Menschen und wie alle Städte geprägt von Baustellen, Verkehr, Lärm und Schmutz. In Käsmairs Fotogemälden ist Augsburg ein sakraler Ort, ein Kunstwerk, in dem gewöhnliche Menschen nichts verloren haben. Die Maximilianstraße, die Kahnfahrt, die Stadtmetzg, der Rathausplatz, die Altstadt, der Stempflesee: Es gibt keinen Ort, der ohne Geheimnis wäre. Augsburg als glanzvolle Dämmerung am Vorabend eines Ausbruchs, als atmender Ort einer versunkenen Geschichte, als Mitte einer Welt, die nur für höhere Geister bestimmt zu sein scheint.

Walter Käsmair vertrat in einem Gespräch mit der DAZ ironischerweise die Auffassung, dass man die Fotografie für ein „weitestgehend authentisches Medium“ zu halten habe. Ein Medium kann nicht authentisch sein, sonst wäre es kein Medium. Weder die Fotografie noch der Film waren in keiner Phase ihrer Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte mehr als auf „die Wirklichkeit verweisende Zeichen“, um es mit Umberto Eco zu sagen. Zeichen, die wegen ihrer realistischen Abbildungsartistik von Semiotikern als „Kurzschlusszeichen“ bezeichnet werden. Käsmair wusste das natürlich, deshalb spielte er mit der Illusion des Rezipienten, der sich beim Betrachten von Fotografien seit mehr als hundert Jahren einbildet, nachträglich an einem authentischen Moment teil zu haben. Ein vergangener, aber wirklich geschehener Augenblick im Lauf der Zeit: Das ist die Illusion jeder Fotografie.

Jeder Nachtspaziergang eröffnet einen aufregenden, einen genaueren Blick auf die Stadt. Wer das noch nicht erfahren hat, sollte unter diesem Gesichtspunkt spazieren gehen. Wenn die Stadt schläft, dann ist sie nämlich der erste Ausgang aus der platonischen Höhle, also der Übergang in die wahre Welt aus Schatten und Licht, wo Stein und Beton nicht abbilden, sondern erzählen. Das schlafende Augsburg erforschte mit unerreichter Genauigkeit und Kunstfertigkeit der Fotograf Walter Käsmair. Es ist nicht leicht zu verstehen, dass die Welt zwar farbig ist, aber die Schwarzweiß-Fotografie realistisch wirkt.

Die Verfremdung suggeriert Realität, also etwas, das man für wahr hält. Das ist der Zauber der großen Fotografie, der uns stärker als alle anderen Künste die Notwendigkeit der Kunst vor Augen führt. Walter Käsmairs Fotos sind Monumente der „wahren Schönheit“, die uns umgibt, die uns formt und die wir trotzdem noch nie gesehen haben.

Walter Käsmair © Karin Strauß

Als Lichtbildner war Walter Käsmair ein Perfektionist und dabei ein Handwerker, der sich mit seinen Schwarz-Weiß-Gemälden an dem Werk des großen Amerikaners Ansel Adams orientierte. Weil seiner Meinung nach der „Blitz“ durch sein pralles, flaches Licht die Tiefenwirkung eines Foto-Gemäldes zerstört, verzichtete Käsmair auf diese Technik und brannte mit zarten Übergängen von Weiß zu Schwarz eine Entrücktheit und Überzeitlichkeit auf seine Bilder, die im Lauf der Jahrzehnte zur unverwechselbaren Signatur seiner Besessenheit wurden. In den Schwarz-Weiß-Fotografien des Augsburger Fotokünstlers Walter Kaismair zeigt sich eine Welt, die nur wenige Momente existierte und dennoch für die Ewigkeit geschaffen wurde. Eine Welt, die wir zwar alle kennen, die uns aber verborgen bleibt. Der 1957 geborene Walter Käsmair wohnte die meiste Zeit seines Lebens im Lechviertel und zählte zu den wenigen Augsburger Persönlichkeiten, die ausschließlich ihre Stadt ins Zentrum ihrer Schaffenskraft stellten.

Im Oktober 2016 starb der Augsburger Meisterfotograf Walter Kaismair im Zentralklinikum an den Folgen einer Lungenembolie. Seine Fotos veröffentlichte er überwiegend durch den Verkauf von selbst produzierten Kalendern. Eine professionell kuratierte Ausstellung seines Werkes gab es bisher nicht. Walter Käsmair wäre im April 66 Jahre alt geworden.

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