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Sonntag, 15.06.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Der Kommentar

Kommentar zu Eva Weber: Warum politische Haltung nicht durch Verwaltungskunst ersetzbar ist

Die Frage, ob der von der Augsburger Friedensinitiative hofierte Journalist Jakob Reimann BDS-nah oder gar ein Antisemit ist – oder nicht, ist eine akademische Frage, die in dem Zusammenhang, ob Reimann in Augsburg in städtischen Gebäuden vortragen darf – oder nicht, keine Rolle spielen sollte.

Kommentar von Siegfried Zagler

Foto: S.Kerpf/Stadt Augsburg

Antisemitismus ist eine Krankheit, deren Diagnose von politischen Wertungsparametern und individuellen Fieberkurven abhängig ist. Es wäre falsch, sich bei Jakob Reimann um eine Diagnose dieser Art zu bemühen. Allein schon deshalb, weil es sich offensichtlich um eine Krankheit handelt, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Doch es soll an dieser Stelle nicht um Jakob Reimann gehen, sondern um Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber, die offenbar nicht in der Lage ist, in dieser Angelegenheit ein politisches Statement abzugeben. Dabei wäre mit ein paar OB-Sätzen die Causa Reimann in Augsburg ad acta zu legen.

Doch bleiben wir kurz bei Jakob Reimann. Reimann ist innerhalb seiner Blase ein respektierter Welterklärer und Palästinaversteher. „Nahostexperten“ nannte man die Reimanns in der Vergangenheit. Allen voran Peter Scholl-Latour, der lange Zeit (zusammen mit Gerhard Konzelmann) in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit als Experte für die islamische Welt galt, und über lange Zeiträume nichts anderes als ein wortgewandter Medienscharlatan war, der populäre Klischees, Polit- und Ethnoplattitüden verbreitete. Scholl-Latour schrieb viel für die „Junge Freiheit“, eine Wochenzeitung, die heute von der Politikwissenschaft zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus taxiert wird.

Man darf davon ausgehen, dass der Verfassungsschutz bei Reimann mitliest

Jakob Reimann schreibt für die „Junge Welt“. „Gaza schlägt zurück“ titelte die „Junge Welt“ am 7. Oktober, als die Gräueltaten der Hamas bekannt wurden. Die jWelt gilt heute als linksextremistisch und DKP-nah. Im Verfassungsschutzbericht 2022 steht, dass „einzelne Redaktionsmitglieder und einige Stamm- und Gastautoren dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen sind.“ – Man darf also davon ausgehen, dass der Verfassungsschutz bei Reimann mitliest.

Die Narrative der „selbsternannten Nahostexperten“ sind nicht wissenschaftsbasiert, sondern von emotionaler Parteinahme gekennzeichnet. Reimann empfindet und beschreibt den Überfall der Hamas aus seiner Blase heraus und gibt seiner Leserschaft folgenden Tipp: „Für die aktuellen Updates zum sich anbahnenden Krieg in #Gaza#Israel folgt unbedingt Younis Tirawit.“

Tirawit nennt palästinensische Kämpfer „Märtyrer“ und israelische Kämpfer „Besatzungskräfte“. Nur zwei Sätze aus dem Twitter-Kanal von Tirawit: The Israeli terrorists are f***ng murdering anyone on their sight. (Die israelischen Terroristen ermorden verdammt noch mal jeden, der ihnen in den Blick kommt.). Tirawit berichtet ausschließlich aus der Perspektive der Palästinenser, „die möglicherweise keine Gerechtigkeit für 75 Jahre Kriegsverbrechen und Unterdrückung finden, die uns durch diese israelische Besatzung zugefügt wurden.“

Die Empfindsamkeit der Juden hat mehr Bedeutung als alles andere

Nun geht es an dieser Stelle, wie gesagt, nicht darum, Herrn Reimann und seine Mitstreiter politisch einzuordnen. Das macht wohl bereits der Verfassungsschutz, doch selbst dessen Kategorisierung hat weniger Relevanz als die Empfindsamkeit der in Augsburg lebenden Juden. Was sie empfinden und denken, wenn im städtischen Zeughaus ein Palästinaversteher vom Schlage Reimanns referiert, hat mehr Bedeutung als alles andere. Die Israelitische Kultusgemeinde Augsburg Schwaben sieht Reimann als Affront und hat aus diesem Grund dem Bündnis für Menschenwürde die Mitarbeit (Einladung) zu einer Gedenkfeier abgeschlagen. Allein dieser Vorgang spricht Bände, doch damit nicht genug: Das israelische Konsulat wie der Zentralrat der Juden haben bereits im Sommer, als die Stadt nach langem Zögern dafür gesorgt hat, dass Reimanns Vortrag aus dem Rahmenprogramm des Friedensfestes gestrichen wurde, den städtischen Zusatz kritisiert, dass der Vortrag verschoben werde.

Eine offizielle Solidaritätsbekundung ist unverzichtbar

Aus diesem Grund ist es vollkommen inakzeptabel, dass die Stadt Augsburg angesichts des aktuellen Terrors und den Gräueltaten an der Zivilbevölkerung Israels noch keine offizielle Solidaritätsbekundung abgegeben hat – wie zum Beispiel die Stadt München auf deren Homepage. (Eine gehisste Fahne und ein halbprivates Statement der OB auf Instagram ist keine städtische Stellungnahme.). Käme ein offizielles Statement zum Fall Reimann dazu, etwa in der Art, dass die Stadt alles versuche, Reimann und Co. aus städtischen Räumen fernzuhalten, dann wäre die Stadt Augsburg, die seit Juli 2023 nichts unternommen hat, um den verschobenen Reimann-Vortrag erneut abzuwehren, nach einer langen Irrfahrt auf dem richtigen Weg.

Eva Weber wurde von der Rathausopposition wie der DAZ nicht selten dafür kritisiert, dass sie den Augsburger Stadtrat entpolitisiert hat. „Verwalten, statt gestalten“, so der Vorwurf, der der Augsburger Oberbürgermeisterin nicht selten zurecht von der Rathausopposition um die Ohren geschlagen wurde. Die Riege der Referenten und ihr eigener Werdegang untermauern das, denn Eva Weber kam nicht über politische Meriten in ihr Amt, sondern über ihre Verwaltungslaufbahn.

Politik machen gehört nicht zu Eva Webers Stärken

Politik machen gehört nicht zu Eva Webers Stärken, weshalb sie vieles über die Verwaltung organisiert, regelt und glattbügelt. Dass der Oberbürgermeisterin der drittgrößten Stadt Bayerns der Mut fehlt, sich mit der jüdischen Community in Augsburg zu solidarisieren und mit allem, was die Stadt hat, sich politisch gegen einen für die jüdische Gemeinschaft untragbaren Referenten zu positionieren, ist schmerzlich und peinlich zugleich.

Am gestrigen Mittwoch hat OB Weber dem städtischen Ältestenrat vorgetragen, dass ihr von der Gemeindeordnung die Hände gebunden seien, also eine Verhinderung des Reimann-Vortrags verwaltungsrechtlich nicht möglich sei. Belastet hat sie diese These mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das der Stadt München nicht gestattet habe, Veranstaltungen mit BDS-Inhalten generell zu untersagen. Doch in Augsburg geht es nicht darum, ob der Stadt die politischen Inhalte des Referenten passen oder nicht. Es geht bei Reimanns Vortrag nicht um Antisemitismus oder BDS-nähe. Es geht auch nicht darum, ob Eva Webers Rechtsauffassung zutrifft oder nicht, sondern um Haltung, um eine ungetrübte Positionierung, die Augsburgs OB Hand in Hand mit den Juden in Augsburg, in Bayern und Deutschland zu treffen hat.

Es geht darum, eine rigorose Haltung sichtbar zu machen

Man denke nur an OB Gribl, der Kopf und Kragen riskierte, als er 2016 mit unglaublichem Aufwand versuchte, Frauke Petry vom Augsburger Rathaus fernzuhalten. Gribl ist damit gescheitert und schwer von der DAZ kritisiert worden, aber er hat als höchster Repräsentant der Stadt Augsburg alles unternommen, um eine rigorose Haltung sichtbar zu machen.

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