Maxstraßensanierung: Was geschieht mit der Ulrichschule?
Im Forum der Augsburger Allgemeinen wird derzeit mit offenem Visier und grobem Korn ein Vorgang diskutiert, der weit in die Regenbogenära zurückreicht. Ausgelöst wurde die Debatte von Architekt Volker Schafitel, der öffentlich die These verbreitete, Pro Augsburg sei nach wie vor an einem Verkauf der Ulrichschule (Hallschule) interessiert. Um die Aufregung um die Vorgänge zu verstehen, muss man allerdings weit zurückblättern.
Im Jahr 2005 stieß ein Vorschlag eines möglichen Investors für das Gebäude der Ulrichschule und den angebauten Wohn- und Geschäftskomplex auf Wohlwollen in der städtischen Verwaltung. Der Investor wollte das marode Schulgebäude in einen Hotelkomplex umbauen. Die Stadt bewertete damals den geplanten Hotelkomplex in der Maxstraße Ecke Hallstraße als städtebauliche Aufwertung. Außerdem hätte man sich die auf 2,5 Millionen geschätzten Sanierungskosten sparen und in einen Schulneubau investieren können. Dass das „Win-Win-Projekt“ beim Regenbogen dennoch auf der langen Bank landete, lag an komplexen formalen Bedenken. Außerdem war das Liegenschaftsamt bereits 2005 davon überzeugt, dass es eine europaweite Ausschreibung geben müsse.
„Der OB müsste die Debatte unterbinden“
Knapp zwei Jahre später nahm der OB-Kandidat der CSU, Dr. Kurt Gribl, die Ulrichschule bzw. Hallschule – gemeint ist das gleiche Gebäude – in Verbindung mit dem Holbeingymnasium als Punkt 55 in seine 100-Punkte-Wahlkampfliste auf:
- „Das Holbein-Gymnasium ist das größte innerstädtische Gymnasium. Die zugehörigen Gebäude werden durch die Hallstraße getrennt; ein Zustand, der von Schülern, Eltern und Lehrern bemängelt wird. Ich werde mich daher dafür einsetzen, dass der Status und die Funktionalität des Gymnasiums aufgewertet und gleichzeitig eine städtebaulich positive Entwicklung gestaltet wird. Dazu soll ein Wettbewerb durchgeführt werden, der aus dem zerrissenen Schulgelände einen „Holbein-Kampus“ entstehen lässt. Dies kann durch Verschmelzung der Gebäude bzw. durch Nutzung und Gestaltung der Vorplatzbereiche und eine Schließung der Hallstraße für den allgemeinen Verkehr geschehen. Die Bedeutung und die Funktionalität der Schule soll durch die Einbeziehung der Hall-Schule gestärkt werden. Damit wird gleichzeitig ein jahrelang bestehender städtebaulicher Missstand im Bereich der Maximilianstraße (Ecke Maximilianstraße/Hallstraße) gelöst.“
Gribl bezog sich dabei auf die sanierungsbedürftigen Gebäude Maximilianstraße 52 und 54, die für das Hotelprojekt in Frage kamen und in der politischen Warteschleife standen. Mit dieser Wahlaussage stehe, so sieht das jedenfalls Architekt Volker Schafitel, Gribl bei seinen Wählern im Wort: „Punkt 55 der Gribl-Liste schließt im Prinzip eine Debatte um die Umwandlung des Gebäudes in ein Hotel aus“, so Schafitel zur DAZ. Der streitbare Architekt kann sich in Rage reden, wenn es um die Rolle von Pro Augsburg in der aktuellen Diskussion um die Hallschule geht: „Eigentlich müsste der OB die Debatte unterbinden, weil er diesbezüglich eine klare politische Aussage gemacht hat“, so Volker Schafitel.
„Ein Verkauf ist laut EU-Rechtsprechung unzulässig“
Der „Holbein-Kampus“ mit der eingegliederten Ulrichschule (Hallschule) und einer verkehrsberuhigten Hallstraße im Sinne einer autofreien Zone ist eine OB-Initiative. Die Idee dafür hatte Schafitel entwickelt, weshalb der Mitinitiator des aktuellen Bürgerbegehrens „Sanierung Maxstraße“ das politische Hickhack um die Hallschule mit Argusaugen verfolgt. Nach Schafitels Auffassung besteht bei Pro Augsburg weiterhin großes Interesse daran, die Hallschule in einen Hotelkomplex zu verwandeln, obwohl das Thema wegen der OB-Wahlaussage längst ad acta gelegt sein müsste.
Als Beleg für seine These stellte Schafitel einen Pro Augsburg-Antrag ins Forum der Augsburger Allgemeinen, in dem die Politgruppierung im Juli 2008 an das OB-Referat die Forderung stellte, zu prüfen „unter welchen Voraussetzungen das Anwesen Maximilianstraße 52 ohne Ausschreibung an die bekannten Interessenten veräußert werden könnte“. Dieser Antrag wurde kurz nach der Sitzung des Liegenschaftsausschusses am 22. Juli 2008 gestellt. Trotz dieser Sitzung, in der – nach Informationen der DAZ – das komplette Hallschulen-Verkaufsszenario in einem Sachstandsbericht nochmals aufgerollt und in der unmissverständlich daran festgehalten wurde, dass das Gebäude bei einem Verkauf europaweit ausgeschrieben werden müsse, war es für Pro Augsburg am Tag danach „nicht ganz nachvollziehbar, warum das Anwesen nicht ohne Ausschreibung an die bekannten Interessenten veräußert werden kann.“
Prof. Dr. Rolf Harzmann, der für Pro Augsburg in dieser Liegenschaftssitzung saß, ließ über Geschäftsführer Johannes Kopp, der im AA-Forum mitschreibt, der Öffentlichkeit bestellen „was Fakt ist“: „Die Hallschule zu verkaufen und das mit einem Schul-Neubau untrennbar zu verbinden, ist laut EU-Rechtsprechung (Düsseldorfer Urteil) unzulässig. Daher wurde im Liegenschafts-Ausschuss der Bericht – auch mit meiner Stimme – zustimmend zur Kenntnis genommen, die Hallschule trotz des Charmes der anderen Lösung als Schule zu erhalten, was zwangsläufig eine umfassende Renovierung zur Folge hat“, so Harzmann.
Vermutlich hat der „urologische Professor“ (Schafitel) dabei vergessen, dass er den umstrittenen Antrag, der aktuell im Netz zitiert wird, zusammen mit Beate Schabert–Zeidler unterzeichnet hatte. „Warum setzt sich Pro Augsburg so vehement für einen Hotelkomplex in der Maximilianstraße ein?“, lautet demnach die meistgestellte Frage im undurchsichtigen Twist um die Immobilie, deren Verkehrswert auf zirka 6 Millionen Euro geschätzt wird. Weder Schabert-Zeidler, Harzmann noch Kopp, der den Antrag nach eigener Aussage mitverfasst hat, argumentieren städtebaulich. Vertritt Pro Augsburg die Interessen der Schulleiterin der Förderschule, die derzeit im Jugendstilgebäude der Ulrichschule untergebracht ist? Schulleiterin Burgit Geissler hoffte auf einen Neubau neben der Agnes-Bernauer-Realschule und betrachtete deshalb die Pläne des Investors als bessere Lösung im Sinne „ihrer“ Förderschule. Oder vertritt Pro Augsburg die Interessen „des bekannten Investors“?
„Dafür kann es nur einen Grund geben“
Wie mit dem vor fast genau einem Jahr von Pro Augsburg gestellten Antrag im OB-Referat verfahren wurde, war nicht in Erfahrung zu bringen. Auf fruchtbaren Boden scheint er nicht gefallen zu sein, denn auf der Sondersitzung des Stadtrats zur Umsetzung des Innenstadtwettbewerbs am 22. Juli 2009 sollte neben den „Jahrhundertbeschlüssen“ auch über den zukünftigen Zweck der Hallschule abgestimmt werden. Die Formulierung der Beschlussvorlage lautete: „Die Ulrichschule (Hallschule) bleibt weiterhin für Schulzwecke vorbehalten.“
Dieser Punkt wurde jedoch auf Empfehlung des Bauausschusses, der eine Woche vor der Stadtratssondersitzung tagte, von der Tagesordnung genommen. Das Thema Ulrichschule wurde in eine gemeinsame Sitzung des Liegenschaftsausschusses und des Bildungsausschusses nach der Sommerpause verwiesen. Die offensichtlich nachhaltig am Verkauf der Ulrichschule interessierte Fraktion von Pro Augsburg war Antragstellerin. Mit einer Gegenstimme (Rainer Schönberg) wurde der Antrag bewilligt und als Tischvorlage in die Stadtratssitzung eingebracht. Die beiden Ausschüsse sollen nun nach der Sommerpause darüber befinden, ob eine schulische Nutzung an diesem Ort zwingend notwendig ist.
Diese Wendung überrascht: Schulreferent Hermann Köhler hatte noch am 25. Juni gegenüber der Augsburger Allgemeinen erklärt, dass die Pläne des Investors vom Tisch seien und davon auszugehen sei, dass die Schule am Ort bleibt und es keine andere Planung gebe. „Für dieses hartnäckige Verkaufsinteresse kann es“, so mutmaßte Architekt Volker Schafitel gegenüber der DAZ, „eigentlich nur einen Grund geben, nämlich dass ein Mitglied von Pro Augsburg mit dem Projekt wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt.“