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Samstag, 04.05.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Interview

“Da habe ich ich als Oberbürgermeisterin eine Vorbildfunktion” – DAZ-Interview mit Eva Weber

Ein Interview zur Halbzeit ihrer ersten Stadtratsperiode als Oberbürgermeisterin war bereits vor einem Jahr vereinbart worden. In dieser Woche war es nun soweit: DAZ-Herausgeber Siegfried Zagler und Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber trafen sich im OB-Büro zum Gespräch. Dabei ging es nicht nur um lokalpolitische Themen wie die Krise der Augsburger Regierungskoalition, Klimacamp, Innenstadtbelebung, Bahnhof oder um die großen Fragezeichen zur Wohnungs- und Verkehrspolitik, sondern auch um Bundespolitik und EU-Politik. Die Situation der Kommunen in Sachen Geflüchtete werde zunehmend schwieriger. “Wir kommen an unsere Grenzen”, so Weber. Ein Ministeramt nach der Bayernwahl kommt für Eva Weber nicht in Frage: “Mein Platz ist und bleibt in Augsburg”. Es war ein intensives Gespräch, das trotz der langen Dauer und der harten Fragen durchgehend eine freundliche Tonalität hatte.

“Bis 2026 läuft noch viel Wasser den Lech und die Wertach hinunter” – Eva Weber im Gespräch mit Siegfried Zagler © DAZ

DAZ: Frau Weber, die Junge Union Augsburg ist gegen das Gendern, die CSU-Fraktion im Stadtrat ist dagegen, Markus Söder geißelt das Gendern und macht damit Wahlkampf gegen die Grünen, während Sie und “Ihre” Verwaltung gendern. Wie geht das zusammen?

Weber: In der Augsburger Stadtverwaltung handeln wir schon seit 2018 nach unserem Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache, der im Übrigen später vom Bayerischen Städtetag übernommen wurde. Wie ich finde, zurecht. (Verwaltungs-)Sprache soll alle Menschen ansprechen. Und genauso handhabe ich es, weil sensible Sprache einfach Wertschätzung und Respekt ausdrückt. Politik, die sprachlich niemanden ausgrenzt, muss im Jahr 2023 normal sein. 

DAZ: Ich kenne den Leitfaden nicht. Eine “Oberbürgerinnenmeisterin” oder ein “Römerinnenmuseum” kommt darin vermutlich nicht vor. “Ein bisschen gendern, der Konvention halber” kann ja wohl nicht im Leitfaden stehen.

Weber:  Na, da wollen wir doch mal nicht päpstlicher sein als die Päpstin, Herr Zagler. Hier haben Sie ihn, bitte schön…

DAZ: Danke! Sie gehen von der umstrittenen Annahme aus, dass nicht gegenderte Sprache unsensibel sei und ausgrenze. Das ist eine Annahme, die ich nicht teile. Fast zwei Drittel der Bundesbürger bewerten gegenderte Sprache als aufgesetztes Obrigkeitsdeutsch, die meisten Sprachwissenschaftler kritisieren das Gendern. Die Unionsparteien ebenfalls. Vielen angesehenen Medien, Philosophen, Schriftstellern, die nicht gendern, unterstellen Sie indirekt sprachliche Grobheit. Gendern spaltet. Gendern – so der aktuelle Stand – ist zu einem harten Politikum geworden. Mit einem Verwaltungsleitfaden von 2018 kommen wir bei der Angelegenheit wohl kaum weiter. Mit Markus Söder und der CSU liegen Sie, wie gesagt, mit Ihrer Haltung zum Gendern auch nicht unbedingt auf einer Linie.

Verwaltungsleitfaden für geschlechtersensible Sprache © DAZ

“Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt, Glottisschlag – und das mache ich nicht”

Weber: Wie definieren wir gendern? Für mich ist gendern Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt, Glottisschlag – und das mache ich nicht. Das, was ich mache, ist: Ich sage nicht mehr Mitarbeiter, sondern Mitarbeitenden. Oder ich sage bei Veranstaltungen statt „Sehr geehrte Damen und Herren“ lieber „Sehr geehrte Gäste“, weil das einladender ist – und ich sage „Augsburgerinnen und Augsburger“, also nicht mehr nur „Augsburger“. Und Markus Söder macht das im Übrigen auch, beim Parteitag in Nürnberg begrüßte er uns mit „Liebe Freundinnen und Freunde“. Ich finde, das kann man in der heutigen Zeit auch erwarten. Und ich finde, man sollte sich schon bewusst machen, was man mit Sprache bewirkt. Beispiel: Ich war neulich auf einer Veranstaltung, bei der ein Redner, männlich, Anfang 50, von „Ingenieuren und Hausfrauen“ gesprochen hat. So sprachlich vermittelte Geschlechtsstereotype finde ich, gelinde gesagt, schwierig. Und da habe ich als Oberbürgermeisterin auch eine gewisse Vorbildfunktion, damit solche Schubladen nicht mehr aufgemacht werden.

DAZ: Und schon befinden wir uns bei einem komplexen Thema auf einer Linie. Können also das Thema wechseln. Das Klimacamp wird von vielen Bürgern als Ärgernis empfunden, wird von der CSU und anderen Parteien als “provokative Zumutung” bezeichnet, und zwar nicht nur wegen des Erscheinungsbilds vor dem Rathaus, sondern auch wegen verschiedenen Initiativen der Aktivisten. Sie haben vor langer Zeit einen Dialog angekündigt, der bisher nur einmal stattgefunden hat. Macht es keinen Sinn, mit den Klimacampern in den Dialog zu gehen, weil die Forderungen der Aktivisten zu weit gehen?

“Mir gefällt das Klimacamp neben dem Rathaus nicht”

Weber: Mir gefällt das Klimacamp neben dem Rathaus nicht. Inhaltlich muss man hier aber zwei Sachen trennen: Die ursprüngliche Forderung der jungen Generation, wie beispielsweise von Fridays for Future, mehr für den Klimaschutz zu tun und sich mehr dafür einzusetzen, ist berechtigt und nachvollziehbar, solch ein Engagement ist auch elementar wichtig, es ist sogar unbedingt wünschenswert. Wurde davor nicht lange beklagt, dass die Jugend sich nicht für Politik interessiert? Beim Klimacamp stelle ich inzwischen aber mehrheitlich Aktivismus und teilweise radikalen Aktivismus fest. Damit wären wir auch beim Dialog …

DAZ … der nicht wirklich ins Rollen kommt …

Weber … Dialog ist immer wichtig in einer Demokratie. Aber – radikaler – Aktivismus zeigt oft wenig Bereitschaft zum Dialog. Ein Dialog dient der Erörterung, der Annäherung, soll Kompromisse fördern. Aktivismus dagegen ist in seinen Forderungen absolut. Aktivismus erwartet eine eins zu eins Umsetzung der eigenen Forderungen und begreift nicht: Wir haben einen von Augsburgerinnen und Augsburgern gewählten Stadtrat, der die Entscheidungen in Abwägung einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung trifft. Das ist der Wesenskern unserer Demokratie.

Klimacamp © DAZ

DAZ: Einverstanden. Dass aber das Klimacamp nun bald so lange auf dem Fischmarkt demonstriert, wie Sie im Amt sind, hat auch damit zu tun, dass die jungen Leute von Ihnen dazu ermuntert wurden, indem Sie das Camp räumen lassen wollten – statt in den politischen Diskurs zu gehen. Durch die juristische Fehleinschätzung der Stadt und die damit verbundenen Feststellungen der Verwaltungsgerichte, dass der Aufenthalt der Camper vor dem Rathaus durch das Versammlungsrecht gedeckt ist, wurden die Klimaaktivisten stark gemacht. Stimmen Sie dieser These zu?

Weber: Nein. Wir wollten feststellen lassen, ob es sich beim Klimacamp um eine Versammlung handelt, die dauerhaft einen Platz belegen darf. Auch um Rechtssicherheit bei anderen Formen von Kundgebungen zu bekommen. Die Verwaltungsgerichte haben entschieden, dass es sich um eine Versammlung handelt. Versammlungsrecht ist ein hohes Gut. Das gilt es zu akzeptieren.

DAZ: Eigentlich müsste das Klimacamp die Grünen stärker schmerzen als Sie und die CSU, doch die Grünen scheinen von der Existenz des Camps eher zu profitieren, da sie es irgendwie verstehen, sich selbst so hinzustellen, als würden sie alle Forderungen des Camps erfüllen, wenn man sie nur ließe. Mir kommt es so vor, als hätten Sie diese Kröte geschluckt. – Haben Sie?

Weber: Das klingt ja schön einfach. Ist es aber nicht. Ich setze mich in meinem Verantwortungsbereich, nämlich in der Stadt Augsburg, für den Klimaschutz ein. Der Stadtrat hat ein vom grünen Umweltreferenten federführend erarbeitetes Klimaschutzprogramm beschlossen, das es nun umzusetzen gilt. Außerdem versuche ich in meinen verschiedenen Funktionen wie beispielsweise im deutschen und bayerischen Städtetag oder im Parteivorstand der CSU zu sensibilisieren und Klimaschutzthemen voranzubringen.

“Das war ein Schock, der uns nochmal deutlich bewusst gemacht hat, wie es um unsere Ressourcen steht”

DAZ: Lassen Sie uns über den vergangenen Sommer reden. Ein Highlight war die Kanu-WM. Toller Sport, tolles Wetter, dann kam der Wasserschock. Die Kanu-WM förderte mit der zwischenzeitlichen Wasserknappheit zutage, dass selbst eine mit Wasserreichtum beschlagene Stadt wie Augsburg vom aktuellen Wetter, abhängig werden könnte. Seitens der Verwaltung war zu hören, dass diesbezüglich eine Untersuchung angesagt sei. Was ist bisher geschehen, was wird noch geschehen?

Kanu-WM stand auf der Kippe – zu wenig Wasser im Eiskanal: “Ein Schock” © DAZ

Weber: Das war ein Schock, der uns nochmal deutlich bewusst gemacht hat, wie es um unsere Ressourcen steht. Die Verwaltung wurde im letzten Sommer von mir beauftragt zu prüfen, wie zukünftig eine dauerhafte Wasserversorgung des Olympiaparks am Eiskanal gewährleistet werden kann. Konzepte und Pläne, die insbesondere den Umwelt- und Naturschutz sowie das Wasserrecht berücksichtigen, werden derzeit ausgearbeitet. Darüber hinaus sollen die Wettkämpfe nicht mehr im Hochsommer stattfinden, wenn die Wassersituation am Lech am angespanntesten ist. Dies wurde für das Wettkampfjahr 2023 bereits realisiert, alle Wettkämpfe finden in dem Monaten April, Mai und Juni statt. Die aktuelle Niederschlagssituation plus die großen Mengen an Neuschnee in den Bergen, entspannen die Lage für dieses Jahr zusätzlich.

DAZ: Na dann kommt gleich der nächste harte Schnitt – vom Eiskanal zur Innenstadt: In Augsburg hat gerade die Diskussion um Sportkind zutage gefördert, dass Inhaber kleiner Geschäfte die Auffassung pflegen, dass die Stadt sie kleinteilig gängelt, mit Satzungen, Auflagen undsoweiter. Nehmen wir Sportkind als pars pro toto: Was soll sich zugunsten der Geschäfte in der Innenstadt ändern? Dabei kann es nicht nur um die Schaufenstergestaltung gehen. Sie haben beim Thema Sportkind gegen die eigene Verwaltung gegrätscht und eine andere Lösung in Aussicht gestellt. Was ist bisher geschehen, was wird noch geschehen?

Weber: Ich möchte festhalten, dass ich nicht gegen die eigene Verwaltung gegrätscht habe. Denn die Verwaltung hat ihren Job gemacht: Sie hat die Regelungen, die ihr der Stadtrat mit auf den Weg gegeben hat, umgesetzt. Was ich angestoßen habe, ist ein Prozess der Veränderung mit der Frage, wie unsere Innenstadt sich modern entwickeln kann. Und hier müssen wir jetzt mal die Sachverhalte abschichten.

DAZ: Die Opposition und die Medien haben zwar dafür nicht den Begriff des Grätschens gewählt, aber sinngemäß …

“Für Außenstehende wirkt es oft so, dass die Verwaltung sehr kleinteilig ist und wir sehr strikte Auflagen haben”

Weber: Ich gebe Ihnen in dem Punkt recht, dass es für Außenstehende oft so wirkt, dass die Verwaltung sehr kleinteilig ist und wir sehr strikte Auflagen haben. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass Dinge oft sehr schnell möglich sind und erfolgreich umgesetzt werden können. Und genau da möchte ich ansetzen.

DAZ: Sie wollen größere Spielräume schaffen?

Weber: Auflagen, Verordnungen und Satzungen haben sich über Jahrzehnte entwickelt und haben manchmal eine Eigendynamik entwickelt. Da passt manches nicht mehr mit der heutigen Realität zusammen. Das gilt es nun zu überprüfen und neu zu justieren. Dafür habe ich ein Programm gestartet, das ich “Augsburg Update” genannt habe.

DAZ: Augsburg Update?

Weber: Um es vereinfacht darzustellen: Das ist wie bei einem Computer, der ein neues Betriebssystem braucht. Von Zeit zu Zeit muss die Hardware und auch die Software erneuert werden. Das ist ein stetiger Prozess, der mit den neuen Anforderungen und Gegebenheiten wächst. Dabei mache ich kein Geheimnis daraus, dass dieses Projekt natürlich gefahrgeneigt und das Erwartungshaltungsmanagement entsprechend hoch ist. Die Erwartungshaltung kann manchmal nicht mit den Möglichkeiten zur Veränderung einhergehen und einige Punkte oder Wünsche sind schlichtweg nicht machbar. Die Problemstellungen aber nicht anzugehen, wäre doch auch keine Lösung, oder? Und wenn man von 30 Anliegen bei 15 Verbesserungen schaffen kann, dann ist das in meinem Sinne.

DAZ: Wer mag da widersprechen?

© DAZ

Weber: Und jetzt zum Auslöser der Debatte, Sportkind: Hier müssen wir unsere Regularien an die Gegebenheiten versuchen anzupassen und dabei allen Anforderungen gerecht zu werden. Die Situation rund um den Rathausplatz ist da schon ein bisschen die Königsdisziplin. Da ist eine UNESCO-Welterbe Schutzzone, der Denkmalschutz ein hohes Gut, aber auch den Anforderungen an eine moderne Innenstadt, die für den Handel und die Besucherinnen und Besucher attraktiv ist, müssen wir gerecht werden. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch hier eine gute Lösung finden werden. Aktuell tagt dazu noch die Arbeitsgruppe in der neben Mitgliedern des Stadtrats, verschiedenen Interessensvertretungen auch viel fachliche Expertise vorhanden ist.

“Mit einer Leerstandsquote von unter drei Prozent ist die Augsburger Innenstadt aber von einer Verödung weit entfernt”

DAZ: Man darf also gespannt sein. Die Verödung der Innenstädte ist ein bundesweites Problem. Augsburg ist davon stark betroffen. “Innenstadtbelebung” ist eine gängige Formel der Lokalpolitik geworden. Ich sehe bei der aktuellen Stadtregierung diese und jene Einzelmaßnahme und Werbung, aber kein Konzept. Wäre das nicht eine der dringlichsten Aufgaben?

Weber: Die Entwicklung der Innenstadt hatte ich schon in meiner Zeit als Wirtschaftsreferentin ganz oben auf der Agenda. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten können wir mit einem diversen Ladenangebot punkten, ergänzt durch die Altstadt mit den vielen inhabergeführten Geschäften und dem Stadtmarkt.

DAZ: Ich sehe aber gerade auf dem Stadtmarkt und in der Annastraße, also den beiden zentralen innerstädtischen Verkaufsmärkten sehr viel Leerstand.

Weber: Mit einer Leerstandsquote von unter drei Prozent ist die Augsburger Innenstadt aber von einer Verödung weit entfernt. Der bundesweite Vergleich mit anderen Großstädten zeigt, dass Augsburg mit dieser Quote überdurchschnittlich gut abschneidet. In allen Städten gibt es eine höhere Fluktuation. Bei uns werden die meisten Flächen sehr schnell wieder vermietet. Wir haben reihenweise Neueröffnungen seit 2022.

DAZ: Aber auch reihenweise Schließungen …

Weber: Kurios ist: Der Handel wurde in der Pandemie schon totgesagt, da sich alles nur noch aufs Internet konzentriere. Da bin ich aber ganz anderer Meinung und das sehen wir gerade auch: Die Menschen wollen in den Laden, die Waren auch sehen, fühlen und vor Ort kaufen. Das gilt mit Sicherheit nicht mehr für alle Artikel, daher ist eine Spezialisierung des Handels natürlich ein Thema. Da hat die Stadt nur bedingt Möglichkeiten zu steuern. Aber wir haben die Möglichkeit, einen Besuch in der Stadt zum Erlebnis zu machen, das haben wir beim Stadtsommer gesehen, der überregional Beachtung fand und vom Freistaat in die Liste der Musterprojekte als Best-Practice-Beispiel aufgenommen wurde. Und genau daran arbeiten wir: Wir können diese Urbanität, die Augsburg hat, noch besser ausspielen.

DAZ: Mit Verlaub, aber Events helfen dem Einzelhandel in der Innenstadt wohl kaum weiter.

Weber: Da ist nicht immer jede Idee oder Lösung das Gelbe vom Ei. Allgemein müssen wir aber die Aufenthaltsqualität und Verweildauer stärken. Das versuchen wir mit Aktivitäten in der Innenstadt wie La Strada oder der Nacht der 1.000 Lichter, mehr Freiraum für die Gastro, wir prüfen gerade, wo in der Innenstadt Spielmöglichkeiten für Kinder entstehen können und vieles mehr. – Auch der Verkehrsversuch in der Maximilianstraße gehört dazu.

DAZ: Der Maximilianstraße beziehungsweise den Geschäften dort hilft der aktuelle Verkehrsversuch weiter?

Weber: Wir sind nicht die erste Stadt, die den öffentlichen Raum den Fußgängerinnen und Fußgängern und den Radfahrenden überlässt und damit mehr Aufenthaltsqualität in die Stadt bringt. Schauen Sie sich mal Barcelona an. Oder Kopenhagen. Tolle Städte, die mit einem wunderbaren Flair punkten. Ob es auch in Augsburg funktioniert und der Handel, die Gastronomie und die Dienstleistungsbetriebe davon profitieren, werden wir nach dem Versuch in einem Jahr feststellen. Und dann der Stadtmarkt. Er hat eine ganz entscheidende Funktion für unsere Innenstadt. Ich finde es super, dass wir hier mit der IHK in einem ganz intensiven Austausch sind, wie unser Stadtmarkt sich in Zukunft entwickeln kann.

DAZ: Niemand sagt, dass es für die Belebung der Innenstadt ein Patentrezept gibt – und doch habe ich den Eindruck, dass es in Augsburg eine Grüne Faustformel gibt: “Autos raus, Menschen rein”. In dieser Hinsicht beschleicht mich das Gefühl, dass die CSU mitmacht und zuschaut, ob es funktioniert. – Können Sie unseren Lesern mit einfachen Worten skizzieren, mit welchen konkreten Konzepten die Stadtregierung die Augsburger Innenstadt aus wirtschaftspolitischer und verkehrspolitischer Sicht stärken kann und will?

“Natürlich gibt es im Rathaus unterschiedliche Ansichten” © DAZ

Weber: Natürlich gibt es da im Rathaus unterschiedliche Ansichten. Zunächst will ich mal deutlich klarstellen: Ein reines „Autos raus“ wird es mit mir und der CSU definitiv nicht geben. Die mediale Schwarz-Weiß-Haltung lässt den Eindruck entstehen, dass wir andauernd nur Parkplätze streichen. Dieser Aspekt erscheint wie unter einem Vergrößerungsglas. In Wirklichkeit sind Stadt und Zentrum immer noch super erreichbar. Das neue Parkleitsystem leitet ganz gezielt zu freien Parkplätzen in Parkhäusern, von denen wir alleine in der Innenstadt 18 (!) haben. Das ist das eine. In der Diskussion müssen wir außerdem unterscheiden zwischen Autos mit und Autos ohne Emissionen. Ich persönlich mag es überhaupt nicht, wenn Autos per se als schlecht deklariert werden. Wir sollten an Elektro-Autos und neue Antriebstechnologien denken, dann wären Autos überhaupt kein Problem für das Klima, weil Technologie und Innovation Autos auch klimafreundlich machen werden. Wir leben in einer Zeit der Veränderungen, aber wir machen keine „Autos raus“-Politik, das liegt mir fern.

DAZ: Wenn man Parkplätze reduziert, Parkgebühren erhöht, die beliebte Semmeltaste abschafft und zugleich neue Stellplätze für Fahrräder schafft, neue Fahrradstraßen baut, dann zielt das schon auf eine Verkehrswende ab.

Weber: Was besser werden muss: Die Kommunikation ins Umland. Klar wollen wir, dass die Menschen aus den Nachbarstädten und Gemeinden nach Augsburg kommen und nicht nach München oder Ulm fahren. Die Frage ist, wie sie bei uns ankommen und was wir ihnen bieten. Da müssen wir auch an unserer Willkommenskultur hier arbeiten, besser kommunizieren und auch weg vom herbei geschriebenen autofeindlichen Image kommen. Mir ist schon klar, dass die eine oder der andere Journalistin/Journalist verstärkt auf Polarisierung setzt. Leider bleiben dabei Fakten auf der Strecke, bei den Menschen bleiben oft nur die Überschriften hängen.

DAZ: Womit wollen Sie denn nun in Sachen Innenstadt konkret punkten?

Weber: Wir wollen unseren Gästen einfach mehr bieten als Parklätze, wir wollen ihnen auch eine schöne Umgebung bieten. Dass die Aufenthaltsqualität das Kernelement der zukünftigen Nutzung und Qualität der Innenstadt ist, bestätigt nicht nur die jährliche Passantenbefragung in Augsburg, sondern auch bundesweite Studien. Einkaufen und Gastronomie bleiben wesentliche Punkte, die mehrheitlich für eine attraktive Innenstadt notwendig sind. Begrünung, Aufenthaltsqualität und Aufenthaltsflächen zum Verweilen und Ausruhen sind bei der Bewertung der Attraktivität einer Innenstadt besonders wichtig. Der Mix muss stimmen, das ist meine Haltung, das ist das Konzept: Gute Erreichbarkeit, ein gutes Angebot und eine gute Aufenthaltsqualität, das alles muss gleichzeitig gegeben sein. Dass wir da nicht so ganz auf dem Holzweg sind, zeigt sich ja auch, wenn zu den Light Nights oder der Shopping night oder auch jetzt an den ersten schönen Frühlingstagen die Innenstadt aus allen Nähten platzt, der Augsburger Stadtsommer funktioniert gut – und genau diesen Kurs setzen wir fort.

Ewigkeitsbaustelle Bahnhof – Foto: swa

DAZ: Der Bahnhof wird und wird nicht fertig. Die Linie 5 hängt in der Luft. Der kurze Tunnel ist eigentlich kein komplexes Ding. Warum dauert das so lange? Gibt es dafür politische Gründe?

Weber: Ob ich politisch die Eröffnung des Hauptbahnhofs herauszögere? Herr Zagler, so gut sollten Sie mich kennen, dass ich für solche Spielchen nicht zu haben bin. Die letzten Verzögerungen bei der Bahnhofsbaustelle sind den Lieferengpässen bei den Baumaterialien geschuldet. Geplant ist nun, den Bahnhof in zwei Schritten zu eröffnen: Den Zugang über das Hauptgebäude und die Verteilerebene 1 im Oktober dieses Jahres, die zweite Verteilerebene für die Straßenbahnen folgt im nächsten Jahr. Und die Linie 5, ja, das ist tatsächlich ein großes Ärgernis, aber auch das ist ein geerbtes Thema. Infrastrukturmaßnahmen, vor allem in einem eng bebauten Innenstadtbereich, bringen immer extrem komplizierte Planungen mit sich und sind per se nicht gerade einfach. Ich wäre hier auch gerne schon weiter.

DAZ: Die Taktausdünnung wegen Fahrermangel, Fahrgastrückgang, die Tarifreform ist nicht befriedigend. Das Gaswerk mit seinem Interim-Theaterbau hat swa-Millionen verschlungen und nun die Energiekrise: Hohe Ausgaben stehen niedrigeren Einkünften gegenüber. Nun müssen allem Anschein nach die GmbHs mit zwei hochbezahlten Managern an der Spitze von der Stadt gestützt werden. Im Haushalt 23 steht ein Posten von 4 Millionen einmaliger Zuschussleistung. 22 wie 23 hat die Stadt auf ihren Anteil der Eigenkapitalverzinsung verzichtet – jeweils 3,6 Millionen Euro: 11,2 Millionen von der Stadt zu den Stadtwerken: Die swa-GmbHs brauchen die Stadt, brauchen Kredite, um ihre Investitionen zu finanzieren. Kurt Gribl hat sich genau davor immer gefürchtet – zu seiner Zeit, das wissen Sie als seine Finanzreferentin am besten, schossen die Stadtwerke der Stadt Mittel zu — heute ist es umgekehrt. Ich finde das beunruhigend, Sie nicht?

Weber: Achtung! Die Stadtwerke haben mit Ausnahme der Eigenkapitalverzinsung der Wasser GmbH seit Beginn der Amtszeit von Kurt Gribl keine Ausschüttungen an die Stadt vorgenommen. Das war unter OB Paul Wengert anders, da wurden Abermillionen aus den Stadtwerken abgezogen. Kurt Gribl hat damals erkannt, dass die Investitionskraft für all die Aufgaben, die die Stadtwerke schultern müssen, auch im Unternehmen bleiben muss.  Heute stehen wir vor der Situation, dass die Stadtwerke landauf, landab aufgrund der Coronapandemie, des Ukrainekrieges und der Energiekrise vor besonderen Herausforderungen stehen, die sie in den letzten Jahrzehnten so nicht hatten.

DAZ: Dass aber eine GmbH zur Mutter Stadt gehen muss, um Mittel für Investitionen herauszuschlagen, ist ein Novum in der Geschichte der Augsburger Stadtwerke.

Weber: Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit im Herbst 2020 – und da haben wir von Ukraine und Energiekrise noch gar nichts gewusst – einen Strategieprozess bei den Stadtwerken angestoßen, der zum Ziel hatte, die Parameter zu definieren, wie die Stadtwerke sich für die nächsten zehn Jahre aufstellen. Um diese Strategie umzusetzen und vor allem um Zukunftsinvestitionen wie den Ausbau der Fernwärme oder weitere Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur zu unterstützen, greift die Mutter Stadt der Tochter Stadtwerke befristet unter die Arme. Wichtig ist zu verstehen, dass wir bei den Stadtwerken eine andere Herangehensweise wählen müssen. Wir haben in den vergangenen 15 Jahren sehr viel in den Bereich ÖPNV investiert und im Hinblick auf die Mobilitätswende war das richtig und wichtig. Aber wir müssen den Versorgungsbereich im Auge haben, denn dort wird das Geld verdient, mit dem die Stadtwerke Investitionen – auch in Umsetzung des städtischen Blue City Klimaschutzprogramms – tätigen und den ÖPNV überhaupt finanzieren können. Das ist eben im Moment eine große Herausforderung.

“Um weitere Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur zu unterstützen, greift die Mutter Stadt der Tochter Stadtwerke befristet unter die Arme” – Foto: swa / Thomas Hosemann

DAZ: Dann kann man im Nachhinein doch eher froh sein, dass es nicht zur Fusion gekommen ist!?

Weber: Falsch. Erdgas Schwaben heißt ja nicht mehr Erdgas Schwaben, sondern Energie Schwaben, weil sich das Unternehmen inzwischen komplett neu aufgestellt hat. Eine Fusion hätte uns am Markt stärker gemacht und uns eine Stabilität gegeben, die wir jetzt nicht haben.

DAZ: Es entstehen in der Politik oft Probleme aus dem scheinbaren Nichts. Stichwort Sportkind, Stichwort Kahnfahrt, Stichwort Friedensfest, Stichwort Überstunden-Desaster. Bei allen Themen, so unterschiedlich auch sind, hat die Stadt, hat Herr Hübschle, Herr Merkle und haben Sie in der Kommunikation Fehler gemacht – was ja auch Ihrerseits und von Herrn Hübschle eingeräumt wurde. Nun hätten/haben Sie Gelegenheit zu allen Themen rückblickend Stellung zu beziehen. Wie geht es mit der Kahnfahrt weiter? Gibt es eine Wasserstandsmeldung zur Programmarbeit Friedensfest?

Weber: Tagtäglich entstehen in einer Stadt Problemstellungen und diese werden glücklicherweise größtenteils reibungslos gelöst. Das vergisst man manchmal. Und: Auch wenn viele Themen ärgerlich und emotional sind: in der Regel sterben daran keine Menschen. Und glauben Sie mir: diese Erfahrung hatte ich in meiner Zeit als OB schon und das war eine schreckliche Erfahrung. Aber es gibt natürlich auch die Aufreger und die Themen, die politisch gespielt werden und eine mediale Aufmerksamkeit genießen. Bei den von Ihnen genannten lief es nicht rund. Aus ganz unterschiedlichen Gründen.

DAZ: Fangen wir bei der Kahnfahrt an …

Kahnfahrt: “Das Gebäude ist absolut marode, nicht ein bisschen, sondern richtig marode” – © DAZ

Weber: Bei der Kahnfahrt hat die Stadt in der Vergangenheit gegenüber dem Pächter viel Entgegenkommen gezeigt, damit die Wirtschaft an dieser schönen Augsburger Location weiterbetrieben werden konnte. Erst als wegen weiterer Verschlechterung der Gebäudesubstanz und mangelnder Standfestigkeit keine Handlungsoptionen blieben, wurde der Betrieb im Anbau untersagt und gleichzeitig nach Lösungen gesucht, einen Teilbetrieb zu ermöglichen. Im Klartext: Das Gebäude ist absolut marode, nicht ein bisschen, sondern richtig marode. Dass nicht rechtzeitig nach außen kommuniziert wurde, wie sehr wir uns im Hintergrund um Lösungen bemüht und gekämpft haben für den Erhalt, den Schuh müssen wir uns tatsächlich anziehen. Leider wurde diese Lösungsorientierung der Stadtverwaltung in der Breite so nicht wahrgenommen. Jetzt aber gilt es, nach vorne zu schauen. Die Kahnfahrt ist ein Augsburger Kleinod, welches für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben muss. Deshalb prüfen wir, wie der Pächter – trotz der Einschränkungen im Betrieb – die Kahnfahrt mit Bootsverleih und Außengastronomie wirtschaftlich betreiben kann. Parallel arbeiten wir daran, einen zweiten Rettungsweg herzustellen. Dieser ist als Anforderung des Brandschutzes zentrale Voraussetzung für einen größeren gastronomischen Betrieb. Und schließlich laufen die Überlegungen zum künftigen Nutzungskonzept: Hier wollen wir auch mit externem Sachverstand Lösungen erarbeiten: Ist ein Neubau an dieser Stelle wirtschaftlich sinnvoll, oder sollte eher ein saisonaler Biergartenbetrieb angestrebt werden?

DAZ: Stichwort Friedensfest …  

Bei der Frage, wie wir das Thema Friedensstadt neu aufstellen wollen – sowohl in unserer unterjährigen Friedensarbeit, als auch bezüglich des Rahmenprogramms rund um das Hohe Friedensfest, werden wir gemeinsam mit der Universität Augsburg eine Befragung der unterschiedlichen alten und auch neuen Stakeholder durchführen, um eine Datenbasis zur Erwartungshaltung zu bekommen. Danach werde ich nach einem Hearing den zuständigen städtischen Gremien einen Vorschlag unterbreiten. Dabei wird es auch um die Frage der Personalausstattung gehen müssen.

DAZ: Frau Weber, die Pandemie, der Krieg gegen die Ukraine, Energieengpässe, die Inflation beherrschen die politische Diskussion. Auch in der Lokalpolitik. Bei der Pandemie übernahm die Staatsregierung die Regie. Bei der Aufnahme der Geflüchteten zeigte die Stadt Flexibilität und große Hilfsbereitschaft. Dennoch sind die bürokratischen Hürden für die Geflüchteten hoch. Kann daran eine Kommune etwas verändern oder ist das auch nur vom Freistaat zu ändern?

“Der Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt war eine vorhersehbare Enttäuschung”

Solidaritätskundgebung für die Ukraine und vollumfängliche Unterstützung für die Geflüchteten © DAZ

Weber: Augsburg nimmt seine humanitäre Verpflichtung sehr ernst. Dies ist auch unserer Geschichte geschuldet. Wir versuchen unser Möglichstes, die Flüchtlinge bei uns in Augsburg willkommen zu heißen und ihnen ein gutes Ankommen in unserer Stadt und in unserer Gesellschaft anzubieten. Das haben wir im letzten Jahr deutlich unter Beweis gestellt, als wir sehr schnell alle notwendigen Strukturen für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gut und zielorientiert aufgebaut haben. 

DAZ: Da schwingt ein großes Aber mit …

Weber: Stimmt. Ich bin ganz ehrlich: Wir kommen an unsere Grenzen. Das betrifft nicht nur die Frage, wo und welcher Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann, sondern auch die Kinderbetreuung, die Beschulung oder die ärztliche Versorgung. Uns fehlen inzwischen die personellen Ressourcen, um von Anfang an aktiv Integrationsarbeit leisten zu können. Der Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt war insoweit eine vorhersehbare Enttäuschung. Es geht schon lange nicht mehr nur ums Geld, sondern um die Frage, welchen Plan die Bundesrepublik hat, um einerseits die ungesteuerte Zuwanderung zu kanalisieren und andererseits den Fachkräftebedarf, der zweifelsohne besteht, zu decken. Schutz der Außengrenzen, eine effektive Steuerung der Zuwanderung auf europäischer Ebene, bessere Kontrolle der Einreise – all das fordern die bayerischen Kommunen über den Städtetag. Gleichzeitig sind schnellere Asylverfahren und schnellere Verfahren zur Feststellung von Bleiberechten und zur Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht nötig.

DAZ: Lassen Sie uns übers Wohnen sprechen: “Die schnellere Bearbeitung von Baugenehmigungen durch digitalisierte Verfahren für alle mit Baugenehmigungsrecht befassten Teilverwaltungen wird im Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung zeitnah umgesetzt.” So die Ankündigung vor der Wahl. Bis jetzt ist diesbezüglich wohl nicht viel passiert, worauf mich Architekten hingewiesen haben. Baugenehmigungsanträge würden in Augsburg immer noch zu lange dauern.

“Das Bauordnungsamt steckt in einem grundlegenden Change-Prozess”

Weber: Da passiert eine Menge, auch wenn es noch nicht so richtig spürbar ist, weil die Neuerungen sich noch nicht eingespielt haben und weil uns einfach das Personal fehlt – ein ganz grundlegendes Problem für unsere gesamte Verwaltung übrigens, das Amtsgänge für Bürgerinnen und Bürger mühsamer machen wird. Umso wichtiger: Das Bauordnungsamt steckt in einem grundlegenden Change-Prozess. Seit Anfang des Jahres können Bauanträge online eingereicht werden, was die Bearbeitung leichter und schneller macht. Wir haben die Gebietszuständigkeiten aufgelöst, sodass Anliegen unabhängig von der Anwesenheit einzelner Mitarbeitender bearbeitet werden können. Dazu haben wir auch eine zentrale Hotline eingerichtet. Wenn jemand krank ist, ruft man nicht mehr vergebens durch und erreicht niemanden. So ist immer eine Ansprechperson verfügbar. Ab Mitte Juni führen wir den Onlinesprechtag und die Onlineterminbuchung ein. An der ein oder anderen Stelle rumpelt es noch etwas, wir feilen an der Technik, aber wir sind da auf einem guten Weg und haben wirklich eine Menge Maßnahmen ins Rollen gebracht. Auch hier gilt: Wir verändern, was wir verändern können.

DAZ: Eine Baugenehmigung erhält man also künftig schneller?

Weber: Von einem Bauantrag bis zu einer Baugenehmigung bedarf es einiger Schritte, die gesetzlich festgelegt sind, an denen wir nicht rütteln können: Erstprüfung, gegebenenfalls Nachforderungen, nach Vollständigkeit Beteiligung der Fachstellen, durch Fachstellen veranlasste Nachforderung, Prüfung der Stellungnahmen der Fachbehörden, Entscheidung ob genehmigungsfähig oder nicht, Entwurf der Genehmigung, Freigabe der Genehmigung, Versand. Und der Fachkräftemangel ist wirklich ein riesen Problem, alleine im Bauordnungsamt sind sieben Stellen unbesetzt, weil sich schlichtweg niemand dafür findet. 

DAZ: Das Thema “bezahlbares Wohnen” eignet sich schlecht für den Wahlkampf, weil es ein Langzeitthema ist. Also eine Aufgabe ist, mit der man nachhaltig Politik machen könnte. 1000 bezahlbare Wohnungen soll die städtische Wohnbaugruppe bis 2026 laut CSU Wahlprogramm (“Stadt der Chancen”) bauen. Ist man im Plan?

Wohnungsbau: “Wir werden das Ziel knapp verfehlen”

Weber: Wir werden das Ziel knapp verfehlen und in 2026 gut 700 Wohnungen mehr im Bestand unserer Wohnbaugruppe haben, 125 weitere werden dann bereits im Bau sein. Bis vor einem halben Jahr war ich guten Mutes, dass wir die 1.000 Wohnungen schaffen. Aber die aktuelle Zinsentwicklung, die Schwierigkeiten bei den Fördermitteln und natürlich auch die explodierenden Baupreise zwingen uns abzuspecken. Die WBG sorgt seit über 90 Jahren für bezahlbaren Wohnraum in Augsburg und damit das auch so bleibt müssen wir auf die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen eingehen. 

DAZ: Die CSU “Offensive Wohnraum II” bedeutet auch, dass dichter und höher gebaut werden soll, dass “die Vergabe von Baugrundstücken an Menschen mit wenig Einkommen, aber auch die Normal- und Besserverdienenden sowie neue Wohnformen in den Blick genommen werden: So ist der Ausbau von Angeboten für Generationenwohnen und Wohngemeinschaften wichtig und zeitgemäß”. Ich zitiere aus Ihrem Wahlprogramm. Sind diese Ideen bereits umgesetzt?

“Die Koalition funktioniert und wir werden das in Verantwortung für die Stadt bis 2026 durchziehen” © DAZ

Weber: Es gibt eine Reihe von Projekten, die zum Teil schon in der letzten Periode auf den Weg gebracht wurden. Beispielsweise das Wohnprojekt am Westendorfer Weg, in dem wir Menschen mit besonderem Wohnbedarf ein Zuhause geben wollen. Oder die Bauherrengemeischaften und Baugruppen im Sheridanpark: Leider haben auch diese Projekte mit den aktuellen konjunkturellen Entwicklungen zu kämpfen, aber die ersten notariellen Verträge sind unterschrieben. Wir haben das Familienförderprogramm reaktiviert und Grundstücke in der Schillstraße vergeben. Außerdem habe ich die bayerische Staatsregierung dafür sensibilisiert, dass das aktuelle Förderszenario nicht auf die veränderten Lebenswelten anwendbar ist: Das Förderszenario bei Wohnungen für Single- und Paarhaushalte ist bezüglich der Einkommensgrenzen zu niedrig angesetzt, Wohngemeinschaftsmodelle sind derzeit im Förderkanon nicht enthalten. Hier Veränderungen herbeizuführen ist aber eine wirksame Möglichkeiten im Instrumentenkasten gegen Altersarmut.

DAZ: Augsburgs ehemaliger Baureferent Gerd Merkle sagte kürzlich, dass in den vergangenen drei Jahren Neubaugebiete mit insgesamt 1434 Wohnungen auf den Weg gebracht worden seien, sodass dort Baurecht herrsche. Gebaut werde aber viel zu wenig. Woran liegt das? In Zeiten der Wohnungsnot sollte man doch bauen, bauen und bauen.

“Sozial ist, was Arbeit schafft”

Weber: Die Zurückhaltung bei Bauträgern und Investoren ist bedingt durch die Folgen des Ukraine-Krieges, Materialknappheit, steigende Finanzierungskosten, Inflationsängste sowie die Bau- und Energiekostensteigerungen. Dinge, auf die wir als Stadt keinen Einfluss haben. An den Bedingungen, die wir verbessern können, sind wir wie gesagt dran. 

DAZ: Das “S” bei der CSU steht für sozial. Hohe Mieten, hohe Energiepreise, niedrige Einkommen. Vielen Augsburgerinnen und Augsburger drückt der Schuh gewaltig und viele sehen eher mit Sorgen als mit Zuversicht in die Zukunft. Welche Perspektiven geben Sie jenen mit, die heute mehr denn je jeden Euro zweimal umdrehen müssen?

Weber: Alte Weisheit: Sozial ist, was Arbeit schafft. Erlauben Sie mir einen kurzen Ausflug in die Geschichte: Augsburg ist seit Jahrzehnten mit Strukturwandel beschäftigt. Ende der 70-er Jahre haben noch 20.000 Menschen in der Textilindustrie gearbeitet, heute fast niemand mehr. Die Stadt musste sich also zwangsläufig neu erfinden. Und: Dieser Prozess wird auch nie zu Ende sein. Mit der Fokussierung auf neue Materialien, Automatisierung und Mechatronik, Umwelt und IT, mit dem Produktionsnetzwerk für künstliche Intelligenz, mit dem Ausbau von Uni und Hochschule, mit der Uniklinik und dem Innovationspark stärken wir den Produktionsstandort, damit die Unternehmen und fördern damit die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Zahlen beweisen: Wir legen zu, insbesondere auch was die Qualität der Arbeitsplätze betrifft. Derzeit sind so viele Menschen in der Region Augsburg in Arbeit wie noch nie und die Arbeitslosenquote beträgt gut 5 Prozent, das ist für eine Großstadt sehr ordentlich. Gleichzeitig leisten wir mit unserer sozialen Infrastruktur wertvolle Arbeit. Der Bildungsmittelpunkt in Lechhausen – übrigens auch ein Punkt aus meinem Wahlprogramm – ist beispielsweise ein niederschwelliges Angebot, um Eltern und damit die Familien zu stärken. Ein wichtiger familienpolitischer Baustein für mich, neben vielen anderen.

Landtagswahl: “Mein Platz ist und bleibt in Augsburg”

DAZ: Im Oktober wird der Bayerische Landtag gewählt, alles deutet darauf hin, dass Herr Söder wieder Ministerpräsident wird und immer öfters schlägt bei mir die Spekulation auf, dass das Sie einen Ruf als Ministerin bekommen könnten. Bei Markus Söder muss man auf alles gefasst sein. Also: Können Sie ihren Wählern an dieser Stelle versichern, dass Sie der Stadt für Stadtratsperiode als Oberbürgermeisterin erhalten bleiben?

Weber: Ich hoffe, Sie verstehen das jetzt nicht als Drohung, aber: Mein Platz ist und bleibt in Augsburg. 

DAZ: Zur Kommunikation fällt mir noch ein, dass man zum größten Projekt der jüngeren Stadtgeschichte viel zu wenig hört. Gerne würde ich auf die großen Informationsshows der Stadt verzichten, wenn man dazu öfters auf der städtischen Homepage informiert werden würde. Wie läuft es bei der Theatersanierung? Muss man demnächst mit neuen Kostenschätzungen rechnen?

“Wir werden in Kürze mehr informieren” – Jahrhundertbaustelle Großes Haus © DAZ

Weber: Beim Theater haben wir letztes Jahr den entscheidenden Beschluss gefasst, dass das neue Haus gebaut wird. Die Musik spielt derzeit im sogenannten Bauteil 1, das hauptsächlich das große Haus umfasst. Um es bildlich zu machen: Wir haben aktuell eine Dürreperiode der Informationen, da gerade für das große Haus die großen Ausschreibungen anstehen und die Ergebnisse ausstehen. Natürlich spielt die allgemeine Entwicklung bei den Baukosten, von der alle betroffen sind, eine Rolle. Aktuell beruhigt sich die Lage wieder etwas, die Preise und Verfügbarkeiten normalisieren sich. Ich hoffe, dass uns dies in die Karten spielt. Wir werden in Kürze auch wieder mehr informieren. Da arbeiten wir bereits daran. Aber schon heute kann ich sagen, dass die Informationen immer unter dem Vorbehalt stehen, dass in den kommenden vier beziehungsweise fünf Jahren Planungs- und Bauzeit jederzeit – vor allem auch externe – Risiken in Bezug auf Zeit und Kosten eintreten können, die noch nicht eingestellt werden konnten.

DAZ: Die schwarz-grüne Koalition ist in der Hauptsache Ihr Kind. Nach der CSU-PK zur Halbzeitbilanz ist festzuhalten, dass CSU-Parteichef Ullrich keinen Wahlkampf mit dem Koalitionspartner machen will. Mein Eindruck: Ihre Partei hat von den Grünen die Nase voll. Geht es Ihnen ähnlich? Ist aus Ihrer Sicht eine Koalition mit den Grünen über 2026 hinaus anzustreben?

“An dieser Stelle möchte ich mich auch mal bei der Opposition bedanken”

Weber: Es war keine Liebesheirat und es liegt in der Natur der Sache, dass wir in einigen Punkten unterschiedliche Ansichten haben. Aber: Wir arbeiten in der Sache gut und fair zusammen. Die Koalition funktioniert und wir werden das in Verantwortung für die Stadt bis 2026 durchziehen. Bis 2026 läuft noch viel Wasser den Lech und die Wertach hinunter und bis dahin müssen und wollen wir gemeinsam noch einiges wegarbeiten. Dennoch: Wir sind die CSU und ich bin die Oberbürgermeisterin. Unser Koalitionspartner sind die Grünen. Ich finde es auch gut, dass wir nicht mehr die 100-prozentige Einigkeit nach außen tragen, wie es am Anfang der Legislatur aufgrund der krisenhaften Situation angebracht war. Aber es war in den Krisenjahren sehr wichtig, geschlossen aufzutreten. Das hätten die Augsburgerinnen und Augsburger nicht verstanden, wenn wir uns im Rathaus gekloppt hätten. Künftig – da bin ich mir ziemlich sicher – wird wieder mehr und intensiver öffentlich um Themen gerungen. Und das wollen die Bürgerinnen und Bürger auch. Das ist gelebte Demokratie. Und an dieser Stelle möchte ich mich auch mal bei der Opposition – zwar nicht für alles – aber doch bedanken, dass sie in den schwierigen letzten drei Jahren vieles mitgetragen hat. Da haben wir gesehen, wie verantwortungsvoll unser Stadtrat, trotz aller unterschiedlicher Ansichten, handelt. 

DAZ: Sind Sie für eine zweite Amtszeit nun zu haben – oder nicht?

Weber: Darüber informiere ich Sie rechtzeitig. 

DAZ: Was würden Sie, wenn es möglich wäre, heute anders machen, als in den vergangenen drei Jahren?

Weber: Wie heißt es so schön: Im Nachhinein ist man immer schlauer und auch ich lerne tagtäglich dazu. Natürlich würde ich die ein oder andere Sache mit heutigem Wissen anders angehen. Rückblickend betrachtet ist die Maskenpflicht an Lech und Wertach eine, sagen wir mal, kuriose Entscheidung meiner Amtszeit. 

DAZ: Was hat Sie in den vergangenen drei Jahren bisher am meisten geärgert?

Weber: Ich bin nicht frei von Fehlern und da gibt es schon Sachen, über die ich mich selber ärgere. Und natürlich, lieber Herr Zagler, mache ich bei mancher Berichterstattung oder Kommentierung keine Flasche Sekt auf. Aber: Das gilt es auszuhalten. So funktioniert unsere Demokratie und es gibt das hohe Gut der Pressefreiheit. Und das ist auch gut so. Auch wenn natürlich nicht immer alles richtig ist, was Sie schreiben (lacht).

DAZ: Frau Weber, vielen Dank für das Gespräch. ——————– Fragen: Siegfried Zagler