...AUSGELEUCHTET
Turmzwiebel 60 Prozent schwerer: Hält der Pavillon?
Am 11. August öffnet der Info-Pavillon vor dem Rathaus für Besucher. Er besteht aus der Perlach-Turmzwiebel, die auf einer drei Meter hohen Stahlkonstruktion mit acht schlanken Stützen ruht. Aber ist die Konstruktion stabil? Kann man den Pavillon gefahrlos betreten?
Stahlkonstruktion des Pavillons – die Zwiebel im Hintergrund
Die Vorgeschichte:
Bis zur Abnahme der Zwiebel ging man davon aus, dass diese nur 8 Tonnen wiegt. Beim Abheben stellte sich aber heraus, dass die Zwiebel mit 13 Tonnen viel schwerer ist. Der große Kran konnte sie am Ausleger nicht weit genug ausfahren, um sie direkt auf dem Pavillon abzusetzen. Für die letzten zehn Meter musste ein Autokran ran.
Die Stahlkonstruktion wurde allerdings nicht verändert! Statt der erwarteten einen Tonne lasten nun auf jeder der acht Stützen 1,6 Tonnen, das Gewicht eines VW Tiguan.
Wiegt unerwartet 13 statt 8 Tonnen: Zwiebel auf dem Pavillon
Die nicht unberechtigte Frage:
Kann die Stahlkonstruktion des Info-Pavillons mit ihren acht schlanken Stützen auch die nunmehr 13 Tonnen schwere Turmzwiebel sicher tragen, ohne einzuknicken?
Ausgeleuchtet:
Ja! Die acht Stützen könnten sogar die 11-fache Last der Turmzwiebel tragen.
En détail:
Profil IPB 120 – Maße in mm
Die acht Stützen bestehen aus Breitflanschträgern ähnlich dem Profil IPB 120. Das Profil IPB 120 hat einen Querschnitt von 3.277 mm².
Der Berechnung wird die einfachste Stahlsorte S235 mit einer Druckfestigkeit von 235 N/mm² zugrunde gelegt. Eine Stütze kann folgende Druckkraft aufnehmen, bevor das Material versagt:
- 235 N/mm² * 3.277 mm² = 770 kN
Sie könnte folgendes Gewicht abtragen:
- 770 (kN) / 9,81 = 78,5 to
Die Drucksicherheit bezogen auf das Material hätte den Faktor 78,5 to / 1,6 to = 49. Der Stahl der Stütze könnte also das 49-fache der Auflast abtragen, bevor das Material versagt.
Unheimliches Einknicken
Bei schlanken Stützen ist die Drucksicherheit allerdings nicht durch die Materialfestigkeit bestimmt, sondern vor allem durch das sogenannte Knicken, ein unheimliches, plötzlich auftretendes Phänomen.
Zur Veranschaulichung: Man nehme einen ein Meter langen Eichenholzstab mit dem Querschnitt 1×1 cm, stelle diesen senkrecht auf den Boden und drücke von oben mit der Handfläche darauf. Der Holzquerschnitt von einem cm² könnte das Gewicht eines Menschen tragen. Die Mitte des Stabs wird aber schon bei einer wesentlich geringeren Belastung aufgrund kleinster Asymmetrien im Holz plötzlich seitlich ausweichen. Der Stab biegt sich durch und wird bei fortgesetzter Belastung abknicken und brechen.
Die Berechnung der maximalen Knickdruckkraft von Stäben ist komplex. Es müssen die Schlankheit des Bauteils und die Lagerungsbedingungen berücksichtigt werden (z.B. eingespannt, gelenkig gelagert). Deshalb wurde zur „Ausleuchtung“ das anerkannte Online-Tool von Johannes Strommer verwendet. Dort wurden die Querschnittsmaße des IPB 120, die Stahlsorte S235 und folgende Kraft F eingegeben:
- F = 1,6 (to) * 9,81 = 15,696 kN
Unter der ungünstigsten Annahme „Stab einseitig eingespannt“ (Eulerfall 1) und einer Stützenlänge von 3,0 m ergibt sich folgende Knickdruckkraft, bei der es zum geometrischen Versagen der Konstruktion kommt:
- FK = 182,519 kN
Dies entspricht einer Auflast von
- 182,519 (kN) / 9,81 = 18,6 to
Setzt man FK und F ins Verhältnis, ergibt sich die Knicksicherheit S mit
- S = 182,519 kN / 15,696 kN = 11,63
Die Stützen können also etwa das 11-fache der tatsächlichen Last abtragen, bevor sie einknicken.
Screenshot des Online-Tools