Barrierefreiheitsstärkungsgesetz tritt in Kraft
Am 28. Juni 2025 tritt das so genannte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Es verpflichtet erstmals auch private Unternehmen in Deutschland, bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten.
Von Bruno Stubenrauch
Im Paragraphendschungel (Symbolbild)
Allein die Verwendung des aus 32 Buchstaben bestehenden Wortungetüms „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ auf einer Webseite könnte schon dazu führen, dass der Begriff gegen sich selbst verstößt. Um was geht es konkret? Kurz gesagt: um weniger Hürden und mehr Teilhabe im Alltag für rund 13 Millionen Menschen mit Behinderungen oder altersbedingten Einschränkungen.
Zahlreiche Produkte und Dienstleistungen betroffen
Mit dem BFSG setzt Deutschland die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 – European Accessibility Act um. Diese Richtlinie legt einheitliche Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen in der EU fest. Neben einer Reihe technischer Geräte wie Smart-TVs, Smartphones, Tablets und Computer sowie Geld- und Fahrkartenautomaten sind vor allem digitale Dienstleistungen betroffen.
So verpflichtet das BFSG Anbieter von Apps, Webseiten und digitalen Diensten, ihre Angebote barrierefrei zu gestalten, wenn sie sich an Endverbraucher (B2C) richten. Beispiele hierfür sind Telekommunikationsdienste, Messenger-Dienste, Bankdienstleistungen, Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr wie Online-Shops und sogar Kontaktformulare. Diese Dienste müssen künftig so gestaltet sein, dass sie mindestens über zwei Sinne wahrnehmbar sind. Konkret heißt das unter anderem:
- Gut lesbare, größenanpassbare Schrift
- anpassbare Helligkeit und Kontrast
- strukturierte, verständliche Texte, ggf. in Leichter Sprache
- Alternativtexte für Bilder und Grafiken
- Vorlesefunktion für Texte und Bildunterschriften
- Bedienbarkeit auch ohne Maus
Die Vorgaben sollen sicherstellen, dass Menschen mit Einschränkungen ohne fremde Hilfe auf digitale Inhalte zugreifen können.
Wer ist verpflichtet – wer nicht?
Grundsätzlich gilt das BFSG für alle Hersteller, Händler und Dienstleister, die entsprechende Produkte oder Dienste anbieten. Ausgenommen sind nur kleine Dienstleister mit weniger als zehn Mitarbeitern und unter 2 Millionen Euro Jahresumsatz.
Vorsicht Abmahnung!
Zeigen muss sich jetzt, ob das Gesetz echte Erleichterungen im Alltag bewirkt oder nur zu einem neuen Spielfeld für Abmahner wird. Bei Nichteinhaltung drohen nämlich nicht nur behördliche Änderungsauflagen, Bußgelder bis zu 100.000 Euro und die Abschaltung von Websites und Online-Shops: Verstöße können auch wegen Wettbewerbswidrigkeit von Mitbewerbern oder anerkannten Verbänden abgemahnt werden.
Tückisch ist insbesondere die Anlage 3 zum §14 BFSG: Demnach reicht es nicht, einfach seine Webseite barrierefrei bereitzustellen. Darüber hinaus muss eine jährlich zu aktualisierende, barrierefrei von jeder Unterseite erreichbare „Erklärung zur Barrierefreiheit“ vorhanden sein, die darüber informiert, wie die Webseite die Anforderungen des BFSG erfüllt. Inhalt: Beschreibung der Dienstleistung, Hinweise zur Umsetzung der Barrierefreiheit, nötige Erläuterungen zur Nutzung sowie die zuständige Marktüberwachungsbehörde.