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Dienstag, 23.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Rinder haben in der Wolfzahnau nichts zu suchen

Warum die Stadt gegen ihre eigene „Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Wolfzahnau“ verstößt

Von Siegfried Zagler



Verordnungen sind etwas Sinnvolles, weil sie das Zusammenleben der Menschen ordnen. Bei Verordnungen zu Landschaftsschutzgebieten geht es in erster Linie um die sich nicht selten im Widerspruch befindlichen Interessen zwischen Landschaft/Natur und dem erholungssuchenden Mensch. Die zusammenwirkende Kräfte einer Gesellschaft und einer Landschaft verlaufen in einer fortgeschrittenen Zivilgesellschaft nicht ungesteuert. Das Gleiche gilt für den Naturschutz. Gäbe es keine menschliche Siedlungen und Städte, bräuchte die Natur keinen Schutz. Eine Landschaft, ein Naturgebiet muss immer vor dem Menschen geschützt werden, nicht vor sich selbst. Der Mensch, soviel Philosophie muss an dieser Stelle erlaubt sein, bewegt sich nicht außerhalb der Natur und er ist auch nicht außerhalb der Natur seiend, wie uns das Heidegger vormachen wollte, sondern er ist Natur. Naturschutz bedeutet also auch immer, dass sich der Mensch vor sich selbst schützt. Deshalb verfolgen Landschaftsschutzgebiete wichtige Zwecke. „Zweck des Landschaftsschutzgebietes Wolfzahnau ist es, die Leistungsfähigkeit des Naturschutzhaushaltes zu gewährleisten sowie den Naturgenuss und die Eigenart des Landschaftsbildes zu erhalten“, wie es in der städtischen „Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Wolfzahnau“ wörtlich heißt. Die Beweidung der Wolfzahnauwiesen mit hübsch anzusehenden Hochlandrindern verändert aber das Landschaftsbild gravierend.

des Landschaftsbildes

"Bereicherung des Landschaftsbildes": weidende Rinder


„Nicht zuletzt tragen die grasenden Rinder auch zu einer Bereicherung des Landschaftsbildes bei“, so der Bericht des Grünamtes im Umweltausschuss. Das ist falsch. Die Rindviecher mögen putzig anzusehen sein, aber nicht im Naherholungsgebiet von Lechhausen und der Jakobervorstadt und der Bleich. Die Bewohner dieser Stadtviertel erfreuen sich seit Jahrhunderten an der Verzahnung von Industrielandschaft und urwaldartigem Auwald. Unter ihnen auch ein gewisser Bertolt Brecht.

Wenn ihr aus eurem Wasser steigt am Abend –

Denn ihr müßt nackt sein und die Haut muss weich sein –

Dann steigt auch noch auf eure großen Bäume (…)


So beginnt das berühmte Brechtgedicht „Vom Klettern in Bäumen“. Von einem Zeitgenossen und Freund Brechts (Otto Münsterer) ist verbrieft, dass Brecht in seiner Jugend oft die Wolfzahnau durchstreifte. Die Wolfzahnau sei laut Münsterer die Blaupause für dieses Gedicht gewesen. Ende des 19. Jahrhunderts plante die Stadt Augsburg den Bau eines Zentralfriedhofs in der Wolfzahnau. Die Ausführung hätte große Eingriffe in die Landschaft mit sich gebracht, zum Beispiel eine Begradigung des Lechs. Aufgrund von Naturschutz-Bedenken wurde dieses Projekt erstaunlicherweise nicht realisiert. In der Wolfzahnau wollte Hitler noch 1944 ein großangelegtes Bunkernetzwerk bauen lassen, um dort die MAN-Schiffsdieselmotoren produzieren zu lassen. Nur wenig davon sollte fertig werden. 1970 sollte die Berliner Allee durch die Wolfzahnau vierstreifig zur Donauwörther Straße verlängert werden. Das Vorhaben wurde ebenfalls nicht realisiert. Es existierten viele Jahre Planungen, aus dem Gebiet einen öffentlichen Park zu gestalten. Und es gab immer wieder Pläne von Industriebetrieben, die Wolfzahnau abzuholzen, um sie komplett in ein Gewerbegebiet umzuwandeln. Alle Pläne hätten dazu geführt, dass es die Wolfzahnau, wie wir sie heute kennen, nicht mehr geben würde. Die ironische Wendung dieser erstaunlichen Überlebensgeschichte: Kaum hat die Stadt Augsburg einen Grünen Umweltreferenten, sorgt er in Windeseile dafür, dass die Wolfzahnau den typischen Charakter ihrer Landschaft verliert.

Landschaft

Wolfzahnau: Biotop mit Wasserkanal für Hochlandrinder


Unabhängig davon sollte man nicht nur konservativ auf die Argumente des Umweltreferenten Erben schauen. Erstens: Eine Umzäunung hält Besucher auf fünf Hektar (von insgesamt 76) davon ab, Biotopflächen zu zerstören. Das ist aber nur dann richtig, wenn der Augsburger Umweltreferent davon ausgeht, dass sich die Robustrinder gegenüber Biotopen sensibler verhalten als der Mensch. Zweitens: Eine Beweidung schützt die dort ansässigen Kleintiere besser als eine zweimalige Mahd im Jahr. Das mag ebenfalls richtig sein, aber nur deshalb, weil vermutlich dort, wo Rinder grasen, nicht viele Kleintiere sind. Und schließlich drittens, geht es um allgemeine Besucherlenkung in diesem Landschaftsschutzgebiet. Besser: um die Veräppelung der Augsburger Bürger, die nun um die eingezäunten Rinder kreiseln dürfen. Im Umweltausschuss fiel das Wort “Besucherlenkung” stets im Zusammenhang mit Hundebesitzern oder Hundeschulen, die man nicht anders hätte kontrollieren und lenken können. “Besucherlenkung” heißt in diesem Fall, dass die Rindviecher in der Wolfzahnau Vorfahrt vor den Bürgern haben.

Mitten in der Stadt ist in Augsburg im Laufe von Jahrhunderten ein Schatz gewachsen, der in seiner Einzigartigkeit ohne Beispiel ist. Elektrozäune und Hochlandrinder haben dort nichts zu suchen.

» Umweltausschuss: Bericht über Beweidung der Wolfzahnau