Faktencheck
Augsburger Gas-Aus: Stadtwerke-Unterstützung durch fragwürdigen Faktencheck
Die Internetseite volksverpetzer.de hat einen zweifelhaften Versuch unternommen, die Stadtwerke Augsburg (swa) gegen einen Bericht der BILD-Zeitung zu verteidigen. BILD hatte zunächst mit der Schlagzeile “Erste Großstadt will Gasnetz stilllegen”1) den swa Kundenfeindlichkeit unterstellt. Die als Faktencheck gelabelte Antwort unterstellt jetzt der BILD, am Weiterbetrieb von Gasheizungen zu verdienen.
Ein Medium, das derben Sprachstil praktiziert wie die BILD, als “Fake-News-Schleuder” und “Lügen-Blatt” zu bezeichnen, das skrupellos “massive Manipulation” betreibt, mag von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Das hat nur mit einem seriösen Faktencheck nichts zu tun. Wenn dann aber eine Verschwörungstheorie präsentiert wird, die so manchem Schwurbler zu höchster Ehre gereichen würde, wird es peinlich. Genau das hat die Internetseite volksverpetzer.de in einem Text mit der Überschrift “Gasnetz-Fake: BILD will, dass Du ihren Investoren Milliarden bezahlst”2) nun getan. Sinngemäß geht die Geschichte so:
“BILD gehört dem Verlag A, der gehört wiederum einem Herrn B und einer Gesellschaft C. C wiederum investiert in Firmen D, die ihrerseits in fossile Energien E investieren.” Der BILD-Artikel sei deshalb dreistes Anlügen der Leserschaft “im Profitinteresse”.
Faktenschnipsel sind keine Fakten
Auch im eigentlichen Faktenteil nimmt es volksverpetzer.de nicht so genau und glänzt durch Weglassen. So wird der im Gebäudeenergiegesetz vorgesehene Ersatz von Erdgas durch Wasserstoff3) beim Heizen – Stichwort “H2 Ready” – mit folgender Argumentation ad absurdum geführt:
Beim Einsatz einer Wärmepumpe werde aus einer Kilowattstunde Strom mehr als eine Kilowattstunde Heizleistung. Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und dessen Transport würden hingegen Verluste entstehen. Deshalb sei es “schon mal rein logisch besser, mit Strom direkt zu heizen”.
Das mag zwar als Fakten-Schnipsel für sich korrekt sein. Andere Aspekte der Wasserstofftechnologie unterschlägt volksverpetzer.de jedoch völlig. Grüner Wasserstoff ist nämlich weit mehr als nur eine Alternative zum Energietransport von A nach B.
Das ganze Bild
Fakt Eins: Die Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse erfolgt nicht zeitgleich mit der Beheizung von Häusern, wo sie in winterlichen Dunkelflauten um den knappen und teuren Wärmepumpenstrom konkurrieren würde. Elektrolyseure werden sinnvollerweise mit Überschussstrom aus regenerativer Erzeugung betrieben. Zurzeit wird dieser Strom zu extrem niedrigen oder sogar negativen Preisen ins Ausland verschleudert4). Grüner Wasserstoff kann also teilweise mit negativen variablen Kosten erzeugt werden5). Wasserstoff heißt nicht “wir werfen einfach Strom weg”, wie volksverpetzer.de suggeriert. Im Gegenteil: Strom, der sonst weggeworfen wird, wird sinnvoll genutzt.
Auch Fakt Zwei fällt bei volksverpetzer.de völlig unter den Tisch: die Speicherfähigkeit. Mit Wasserstoff werden Stromerzeugung und Heizenergiebedarf zeitlich entkoppelt. Wasserstoff – oder auch das daraus erzeugte Derivat Methan – kann beliebig lang in der Gasinfrastruktur gespeichert werden.
In Haunstetten funktioniert es schon
Wie gut und praktikabel per Photovoltaik erzeugter Wasserstoff zu Heizzwecken genutzt werden kann, zeigt ein gemeinsames Projekt von WBG und Stadtwerken (sic!) in der Marconistraße in Augsburg6) (DAZ berichtete). Dort werden seit fünf Jahren 70 Wohneinheiten mit “Power to Gas” 7) beheizt. Scheint die Sonne, wird Wasserstoff und daraus Methan erzeugt, in einem Tank gespeichert und später zum Beheizen der Wohnungen verwendet.
Für Faktenchecker nochmals zum Mitschreiben: In der Marconistraße geht der Einsatz der Wasserstofftechnologie weit darüber hinaus, Energie just in time vom Hausdach ins Wohnzimmer zu transportieren.
Alles in allem darf bezweifelt werden, dass der in Teilen doch sehr faktenbefreite und aktivistische “Faktencheck” den Stadtwerken hilft. Die Frage “Cui bono” muss dennoch immer gestellt werden.
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Weiterführende Links:
1) Erste Großstadt will Gasnetz stilllegen
2) Gasnetz-Fake: BILD will, dass Du ihren Investoren Milliarden bezahlst
3) § 71k Gebäudeenergiegesetz
4) Überschussstrom: Wohin mit all der Energie?
5) Variable Kosten von grünem Wasserstoff erstmals negativ
6) Weltweit erste dezentrale Power-to-Gas-Anlage in Augsburg
7) Power-to-Gas: Aus grünem Strom wird grüner Wasserstoff