Zwischen Schönfärberei und gewagten Hoffnungen
Kommentar von Frank Heindl
Das sind so die Schönfärbereien des politischen Tagesgeschäfts: Wo man sich uneinig ist, spricht man von grundsätzlicher Übereinstimmung, wo nichts nach Plan läuft, warten Chancen und Herausforderungen. Wer ein bisschen in den Mienen lesen wollte, der konnte bei Weitzel/Vottelers Hintergrundgespräch Frustration auf der einen, Unsicherheit auf der anderen Seite schwerlich übersehen.
Kulturreferent Thomas Weitzel, der sich „im Auftrag der Fraktionen“ unterwegs sah, hofft mit diesen nach dem Weggang von Juliane Votteler auf ein neues Theaterteam, das dem Haus ab 2017 vielerlei Vorteile bringen soll: Ein neuer Intendant und ein neuer kaufmännischer Direktor werden dann im Team die Zeit ohne festen Spielort managen, das Theater künstlerisch erfolgreich leiten und alles etatmäßig sauber „über die Bühne“ kriegen. Gleichzeitig werden sie, wiederum in bester Teamlaune, die Sanierung des Großen Hauses ebenso steuern wie den Neubau von Verwaltung, technischen Gebäuden und des Neuen zweiten Schauspielhauses. Und daneben werden sie mit ihren neuen Konzepten – einer weiteren Öffnung ihrer Häuser für neue Publikums- und Bevölkerungsschichten, neuen Theaterformen, neuen Kooperationen mit vielerlei ambitionierten Initiativen in der Stadt – das Publikum zufriedenstellen, genügend Tickets verkaufen und keinesfalls ihren knappen Etat überziehen. Das sind, kurz gesagt, gewagte Hoffnungen. Rückschläge in diesem Prozess dürften ähnlich sicher sein wie Kostensteigerungen bei Sanierung und Neubau.
Wie soll „der Neue“ das alles schaffen?
Merkwürdig ist nur, dass all diese Themen nicht wirklich für eine neue Theaterleitung sprechen. Denn unter Vottelers Führung ist das Haus derzeit künstlerisch und ökonomisch bestens aufgestellt. In der Tat stellt sich die Frage, wie ein/e neue/r Intendant/in mit neuer Mannschaft und neu in Augsburg ab 2017 die vielfältigen Probleme bewältigen soll, die ihn/sie erwarten. Selbst unter der Voraussetzung, dass der designierte „Neue“ schon frühzeitig vor Ort wäre, wird es nicht leicht werden, sich in die diffuse Gemengelage einzuarbeiten. Er wird in dem Augenblick antreten, in dem das Große Haus für die Sanierung geschlossen wird, er wird das Publikum mit Alternativen bei der Stange halten müssen, die erst noch gefunden werden müssen. Er wird all das, was oben beschrieben wurde, gleichzeitig tun müssen – und dabei einer misstrauisch-erwartungsvollen Stadtgesellschaft gegenüberstehen, die erst mal sehen möchte, was „der Neue“ will und kann. Von den Kassenwarten in Stadt und Freistaat ganz zu schweigen, die nicht nur sich selbst, sondern auch die Theaterleitung mit ihren Plänen in ein enges Sparkorsett zwängen mussten. Und von den Kritikern ebenfalls abgesehen, die Sanierung und Neubau in der geplanten Form komplett ablehnen und von denen einige nicht offiziell, aber doch hinter vorgehaltener Hand bereits mit einem Bürgerbegehren liebäugeln, falls die betreffenden Planungen nicht zum größten Teil neu aufgerollt werden. Fast möchte man von Bewerbungen für diesen Job abraten!
Es war gestern nicht allzu schwierig herausfinden, dass hinter den Kulissen bei vielen eine Stimmung zwischen Trauer und Wut überwiegt: Im Theater herrsche, so wird versichert, derzeit eine hervorragende Teamstimmung – und nun werde man harsch ausgebremst. Der oder die Neue wird viel zu tun haben, bis alles rund läuft. Und er wird auf einen weiteren Widerspruch stoßen: Diejenigen, die sich teils heftig an Vottelers engagiertem Kampf für Theaterziele und ihren gelegentlich wenig zurückhaltenden Äußerungen gestört haben, sind oft dieselben, die sich nun von einer neuen Intendanz Aufbrüche zu ganz neuen Ufern erhoffen. Wenn da mal nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden ist…