DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Donnerstag, 18.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Unterbrochenes Gedicht“

Lesung: Jiddische Literatur im Jüdischen Kulturmuseum

Tamar Lewinsky (Foto: Universität Basel)

Tamar Lewinsky (Foto: Universität Basel)


In dem von ihr herausgegebenen Buch „Unterbrochenes Gedicht“ stellt die Literaturwissenschaftlerin Tamar Lewinsky ein vergessenes Kapitel der Holocaustliteratur vor: die jiddisch-sprachige Literatur osteuropäisch-jüdischer Displaced Persons, die diese in den unmittelbaren Nachkriegsjahren verfassten, während sie im besetzten Deutschland auf eine Ausreise nach Palästina oder die USA hofften. Die in diesem Buch erstmals ins Deutsche übertragenen Gedichte und Prosastücke zählen zu den frühesten Versuchen jüdischer Überlebender, sich der erlittenen Katastrophe literarisch zu nähern.

Der Churbn, wie der Holocaust auf Jiddisch genannt wird, umfasste für die Verfasser nicht nur den nationalsozialistischen Genozid, sondern auch unterschiedliche Kriegserfahrungen, die traumatische Begegnung mit der Zerstörung und den Verlust von Familie und Heimat. Darüber hinaus zeugen die Texte von der unmittelbaren und schmerzlichen Begegnung zwischen Tätern und Opfern in der Nachkriegszeit auf deutschem Gebiet. Sie dokumentieren damit auch die Neu-Anfänge der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte.

Am Mittwoch, 20. Juni um 19 Uhr liest Tamar Lewinsky im Festsaal der Synagoge (Halderstraße 6-8) aus ihrem Buch. Die Lesung ergänzt die aktuelle Wechselausstellung des Jüdischen Kulturmuseums „GEHEN? oder BLEIBEN!“, die sich mit dem Neuanfang jüdischen Lebens im Augsburg der Nachkriegszeit beschäftigt. Lewinsky wurde 2007 an der LMU München zum Thema „Displaced Poets. Jiddische Schriftsteller im Nachkriegsdeutschland, 1945-1951“ promoviert und war in der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur der LMU von 2002-2009 Dozentin für Jiddisch sowie von 2007-2009 Koordinatorin des Forschungsprojektes „Geschichte der Juden in Deutschland seit 1945“. Seit 2010 ist sie als Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Jüdische Studien der Universität Basel tätig.