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Sonntag, 05.10.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kulturpolitik

Kommentar: Warum es im Stadtrat einen Linksruck gibt und die neue Stadtregierung mit Strohfeuern zu kämpfen hat

Strohfeuer sind auch Feuer, treten sie gleichzeitig an verschiedenen Stellen auf, sollte man sie ernst nehmen, auch wenn sie in aller Regel schneller erlöschen als sie entfacht werden. Die Augsburger Stadtregierung in spe hat noch nicht alle Referenten vorgeschlagen, ist noch nicht vereidigt, hat sich nicht konstituiert – und doch steht sie bereits im Feuer. 

Kommentar von Siegfried Zagler

Erster Brandherd sind diverse Personalien, weil es menschlich wie politisch problematisch ist, wenn Referenten aus einem ehemaligen Bündnis aus der Regierung fliegen, obwohl das Bündnis in der Gesamtheit fortbestehen hätte können. Dass sich das Regierungsbündnis aus CSU/Grüne/SPD ohne die SPD verschlankt hat, ist ein Fortschritt im demokratischen Sinn, also eine Verbesserung in Sachen Transparenz und Debattenkultur. Und es untermauert einen Linksruck, der auch im Wählerwillen abgebildet ist: Die CSU wird mit den Grünen als Koalitionspartner nach links rücken müssen und die SPD mit ihrem zukünftigen Fraktionspartner (Die Linke) noch mehr. Ein Abstimmungsergebnis wie zum Beispiel bei der Umbenennung der Werner-Egk-Schule wird es im neuen Augsburger Stadtrat nicht mehr geben. Und das ist gut so!

Ein „Weiter-so“ wäre nichts als Hohn und Spott in Richtung Wähler

Zurück zur Referentenproblematik: Wenn die Entscheidung richtig ist, dass Schwarz-Grün ohne die SPD in ein Zweierbündnis geht, dann ist es konsequenterweise auch richtig, dass man die Referenten der SPD vor die Tür setzt. Wäre das nicht der Fall, hätte man auf die Klarheit und die saubere Kante verzichtet, auf die die neue Stadtregierung korrekterweise abzielt. Ein „Weiter-so“ mit der aktuellen Referentenriege wäre nach einer Wahl mit dergestalt dramatischen Wählerstimmenverschiebungen nichts als Hohn und Spott in Richtung Wähler.

Und die SPD? Die SPD befindet sich seit vielen Jahren in einer personellen Verkapselung, die sie selbst nicht aufzulösen vermag. Es ist zwar möglich, dass sie sich in der Opposition (mit Linken Fraktionspartnern) regeneriert, wahrscheinlich ist es nicht. Dass sich die beiden SPD-Referenten möglicherweise wieder zur Wahl stellen werden, hat rentenversicherungstechnische Gründe.

Bei der Referentenwahl, die der Stadtrat in geheimer Abstimmung ausführt, haben weder Dirk Wurm noch Stefan Kiefer Chancen. Das hat mit dem einfachen Sachverhalt zu tun, dass die CSU aus politischen Gründen bereits einen neuen Mann für das Ordnungsreferat bestellt hat und in Sachen Sozialreferat sicher keinen Mann bestellen wird, der einer SPD/Linke-Fraktion angehört und die Verfristung eines 28-Millionen-Antrags politisch zu veranworten hat.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die alten Referenten wiedergewählt werden, geht gegen Null

Einem Bewerber eine absolute Chancenlosigkeit zu attestieren, ist nicht nur politisch nicht korrekt, sondern unmöglich, weil die Zahl 0 in der Wahrscheinlichkeitsberechnung nicht existiert.

Doch stellen wir uns Stefan Kiefer und Dirk Wurm vor, die beide im Mai 2014 am Hochablass zwei unverwechselbare Kieselsteine in den Lech geworfen haben. Beide stehen nun sechs Jahre später kurz vor Gersthofen unter der Autobahnbrücke, um mit einem blinden Griff ins Flusswasser nach ihren Kieselsteinen zu greifen. Mit dieser kurzen Geschichte kann man sich vorstellen, wie „hoch“ die Wahrscheinlichkeit ist, dass Kiefer/Wurm wieder ins Amt gewählt werden.

Geringer noch ist die Wahrscheinlichkeit der Wiederwahl beim Kulturreferenten Thomas Weitzel. Kiefer und Wurm werden Stimmen bei der Opposition generieren können. Weitzel auch dort nicht. Die Tränen, die ihm von einigen Kulturschaffenden nachgeweint werden, sind Krokodilstränen und sollten eher dazu beitragen, dass Thomas Weitzel immer stärker zur Reizfigur wird. Aktuell ist es jedenfalls unvorstellbar, dass er zu seinem alten Job zurückkehrt. Weitzel war Kulturamtsleiter und bekannt dafür, dass er sich gegenüber seinen beiden Chefs (Kulturreferenten) nicht immer besonders loyal verhalten hat. Vorstellbar ist dagegen ein Plan, den CSU und SPD in der Grab-Ära bereits einmal kurzfristig ins Auge fassten, nämlich Weitzel als Geschäftführer der deutschen Mozartgesellschaft zu verstecken – gut dotiert mit Sitz in Augsburg.

Referatszuschnitte unter Beschuss

Ein anderer Brandherd wirft dunklere Schatten auf die zukünftige Stadtregierung. Gemeint sind die Referatszuschnitte, die den Kritikern als zu grob geschnitzt vorkommen. Gemeint ist zuvorderst der Sachverhalt, dass dem Kulturreferat der Sport angehängt wurde. Ausgehend vom Schnaps, den sich Peter Grab als Kulturreferent erlaubte, nämlich nach Schnittmengen zu suchen (KuSpo), sehen die Kritiker darin eine Inkompatibilität. Kritiker aus den Reihen der Kultur und aus den Reihen des Sports – wohlgemerkt. Beide Seiten argumentieren ähnlich. Sie sehen den neuen Referenten als ein überfordertes Wesen an, das sich a) sowohl in Sport als auch in Kultur auskennen muss und b) als eine Frau/Mann, die/der stets im Spannungsfeld der Fördergeldanträge zwischen Kultur und Sport entscheiden müsse und dabei nur scheitern kann. Beide Befürchtungen sind unzutreffend.

Beide Bereiche werden, wie der polititische Coronadiskurs schön vor Augen führt, von Kultur- wie Sportfunktionären als systemrelevant betrachtet. Das führt bei den Lobbyisten und Interessenverbänden von Kultur und Sport zu der Vorstellung, dass ein Mensch übermenschlich sein müsste, müsste er den Förderdruck der beiden mächtigen Antragsteller aushalten. Mit unmissverständlichen Budgetierungen und klar getrennten Ämtern mit starken Amtsleitern und einem ausnahmsweise mal fähigen Kulturreferenten könnte sich der aktuelle Hotspot kritischer Betrachtungen schnell in Luft auflösen.

„Erinnerungskultur“ und „Frieden“ wandern zur Kontrolle ins OB-Referat

Wesentlich substanzieller ist dagegen die Kritik an dem Sachverhalt, dass die Themen „Erinnerungskultur“ und „Frieden“ vom Kulturreferat ins OB-Referat verschoben wurden. Zurecht organisiert sich diesbezüglich gerade eine interessante wie kompetente Schar von Kritikern, die darin eine Zensur oder zumindest Kontrollmaßnahmen sehen, da der CSU und OB Kurt Gribl in der Vergangenheit das Rahmenprogramm zum Friedensfest als zu unterschwellig und linksverdreht geschnitzt vorkam. Erinnert werden soll in diesem Zusammenhang an die verquaste OB-Verfügung, als der ehemalige Kaufhausbrandstifter Thorwald Proll zum Erinnern an die 68er Bewegung in die Kresslesmühle eingeladen wurde. Diese Verrenkung ist ein Skandal und sollte nicht nur die Kulturpolitiker unter den Augsburger Grünen auf die Barrikaden treiben.

Win-Win und Wählertäuschung: Fraktionsgemeinschaft zwischen den Grünen und Generation Aux – Fotomontage: DAZ

Ein weiterer Brandherd heißt „Brandmiller“. Das Politikertalent mit SPD-Vergangenheit hat es nach zwei vergeblichen Anläufen leicht verspätet doch noch in den Stadtrat geschafft, und zwar mit einer Liste, die in allen Wählermilieus auf Stimmenfang ging, um wenige Wochen nach der Wahl mit „seiner“ Liste eine Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen zu bilden. Für die Generation-Aux-Wähler, die niemals ein Kreuz bei den Grünen gemacht hätten, handelt es sich eindeutig um Wählertäuschung.

Dieser Makel haftet nun an der neuen Fraktionsgemeinschaft. Auch wenn Raphael Brandmillers Wechsel keine erhöhten Mittel und keinen weiteren Sitz für die Grünen bedeutet, muss das in aller Sachlichkeit aus Wählersicht festgehalten werden. Aus der Sicht der Grünen und Generation Aux sieht dieses Manöver natürlich anders aus.

Brandherd Brandmiller: Win-Win und Wählertäuschung bei den Grünen

Brandmiller wird für die Grünen im Wirtschaftsausschuss sitzen und dort sicher kein Mauerblümchen sein. Der Abstand zur mächtigen CSU veringert sich für die Grünen auf fünf Sitze und die kreativen Köpfe von Generation Aux können über die Grünen ihre Projektpolitik viel einfacher umsetzen als in einer Ausschussgemeinschaft mit Lisa McQueen und anderen Einzelstadträten. So gesehen birgt diese neue Fraktionsgemeinschaft nicht nur einen hygienischen Makel, sondern möglicherweise auch wertvolle Input-Varianten, die in einer anderen politischen Konfiguration nicht zum Tragen kämen.

Die Coronakrise wird der Stadt Augsburg und der zukünftigen Stadtregierung vieles abverlangen, wovon man sich heute noch keine Vorstellungen machen kann. Niemand weiß, was die Zukunft bringt, doch ein zukünftiger Sachverhalt scheint in Stein gemeißelt: Im Augsburger Stadtrat wird wieder Politik gemacht. Politik, die sich von einer starken Opposition überprüfen lassen muss. Politik, die das Begleitrauschen der Bürgerschaft wahr- und ernstnimmt. Die Stadt scheint aus ihrem politischen Tiefschlaf zu erwachen. Das ist eine gute Nachricht in einer finsteren Zeit.

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