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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Max09: Es liegt ein toter Fisch im Wasser

Kommentar von Siegfried Zagler

Die Maxnullsoundso-Partysausen auf der historischen Maxstraße sind vielleicht gerade deshalb erfolgreich, weil die Veranstalter sich über Kulturkonzepte nie große Gedanken machten, sondern ihre konzeptionelle Planung und Durchführung allein darauf beschränkten, wie man möglichst viele Menschen nächtens zum Konsumieren in die Maximilianstraße locken könne. Ob Kneipe oder Kirmes, jeder Profi-Gastronom kennt die „Dreifaltigkeit“ seines Erfolgs: Populäre Musik, Alkohol und die Mitteilungsbedürfnisse der Menschen sind die drei Komponenten, die jede Kneipe und jede Party zusammenhalten.

„Party pour la Party“

Das ist per se auch noch nichts Schlimmes. Das ist bei Hochzeiten so, bei Geburtstagen oder eben bei Mega-Events wie bei Rockkonzerten, den „Love-Paraden“ oder den weltberühmten Full-Moon-Partys am Strand von Haddrin. Auch wenn bei den zuletzt genannten Events das Drogenspektrum ein wenig breiter angelegt ist, haben alle Veranstaltungen einen historischen Background oder verweisen auf ein im kollektiven Gedächtnis der Feiernden eingelagertes kulturelles Ereignis in der Vergangenheit. „Party pour la Party“, also Party ohne Grund und Anlass ist eher etwas Seltenes, aber deshalb noch nichts Verwerfliches. Allerdings muss man in diesem Fall ein kritisches Auge auf den Veranstalter werfen. „The City of Peace“, die Friedensstadt Augsburg, kann sich nämlich auf Dauer nicht jedes Jahr einen Imagebruch in diesem Ausmaß leisten.

„Max04 hat die Maxstraße als Partymeile definiert“

Um das „Party pour la Party“ von Maxnullsoundso überhaupt verstehen zu können, muss man fast 15 Jahre zurückgehen. X-Large, das erste städtische Jugendfestival im Jahr 1995, wurde von ein paar illustren Köpfen entwickelt und mit konzeptionellen Grundsätzen auf die Beine gestellt. X-Large brachte Augsburg in seiner Selbstwahrnehmung und in seinen eigenen Ansprüchen einen großen Schritt nach vorne. Der Stadtjugendring war danach eine andere Adresse in der Stadt. Der Club Pavian ging aus X-Large hervor, andere folgten. X-Large I war Initialzündung für viele positive Entwicklungen in der städtischen Jugendkultur. Es gab acht Bühnen ein 12-stündiges Stage- und Sound-Konzept, Relaxzonen und erstmalig Sportveranstaltungen auf dem Rathausplatz.

Die damaligen Verantwortlichen können sich noch gut daran erinnern, mit welcher Penetranz die Profi-Gastronomie immer wieder versuchte, das Konzept zu unterlaufen. „Wein-Müller“ rechnete dem Stadtjugendring auf die Mark genau vor, um wie viel höher seine Gewinnerwartung anzusetzen wäre, wenn eine Band in regelmäßigen Abständen „Es liegt ein toter Fisch im Wasser“ neben seinem Stand spielen würde. Ein in der Szene nicht unbekannter Wirt bestellte gar eine Band während des Festivals auf eigene Faust und Kosten, weil es ihm um seinen Stand herum zu ruhig war. Der Stadtjugendring ließ sich beim zweiten X-Large ein bisschen stärker auf die Wünsche der Gastronomie ein. Beim dritten X-Large fingen die Dämme an zu brechen, aber es gab immer noch ein Kulturkonzept, von dem sich die Profi-Gastronomie beschnitten fühlte. Falls die Informationen der DAZ richtig sind, war es genau jener Wirt, der seinerzeit die Band nachbestellte, der zusammen mit Citymanager Peter Grab das für die Profi-Gastronomie optimale Konsumkonzept ohne Beschnitt aus der „weltfremden und nicht umsatzorientierten“ Kulturszene vorantrieb. Die irrwitzigen Umtriebe auf der historischen Maximilianstraße bei „Maxnullsoundso“ waren und sind nur so zu verstehen.

Maxstraße: Trading-Down-Effekt

Oberbürgermeister Kurt Gribl, Schirmherr der sinnfreien Sause, und Kulturreferent Peter Grab haben Max09 eröffnet, obwohl die Maxnullsoundso-Partys in der Augsburger Bürgerschaft immer noch einen katastrophal schlechten Ruf haben. Die hervorgehobene Bewertung von Grabs Nachfolger CIA-Chef Heinz Stinglwagner zu Max09 („Ein ruhiges und entspanntes Fest“) unterstreichen diese Einschätzung. Jahrelang wurden unter der Ägide von City-Manager Peter Grab auf der Maximilianstraße exzessive Ballermann-Partys zelebriert. Für Eva Leipprand (Die Grünen) hat Max04 wesentlich zum Trading-Down-Effekt bei der Maxstraße geführt. „Max04 hat die Maxstraße als Partymeile definiert“, so Leipprand.

„Nichts anderes als Barbarei“

Wer in Augsburg aufgewachsen ist und studiert hat, muss damit rechnen, dass er bei einem Bummel durch die Dult Bekannte oder Freunde trifft. Bei einem Plärrerbesuch ist ebenfalls davon auszugehen, dass man unter Umständen jemand trifft, den man jahrelang nicht mehr gesehen hat. Bei Maxnullsoundso-Partys war das bisher auszuschließen, man konnte theoretisch tagelang mitten in seiner Heimatstadt unter Tausenden von Menschen auf und ab flanieren, ohne ein bekanntes Gesicht zu sehen. Wer etwas auf sich hielt, blieb dem dreitägigen Sommer-Sauf-Plärrer auf der Maximilianstraße fern. Die meisten Besucher der Maxpartys kamen aus der Umgebung oder aus ferneren Stadtteilen. Das ist bei Max09 nicht wesentlich anders gewesen.

Maxnullsoundso: ästhetisches Fiasko

Darüber sollte man sich nicht sonderlich aufregen, denn schließlich soll die Maximilianstraße „kein Museum werden“, sondern eine lebendige Straße bleiben, die die Identität dieser Stadt reflektiert. Die Stadtviertel und die ländliche Umgebung gehören auch zur Identität dieser Stadt. Dennoch muss man in aller Gelassenheit feststellen dürfen, dass die enthemmte Augsburger Szenegastronomie die Maxstraße abermals für drei Tage in eine Werbe-, Ramsch und Bratwurstbude verwandelt hat. Durch das Remmidemmi in der Nacht fällt das ästhetische Fiasko nicht so ins Auge und das armselige Niveau der dargebotenen Musik nicht so auf, weil man fast nur damit beschäftigt ist, sich sicher durch die Menschenmassen zu schleusen. Tagsüber, wenn man in Ruhe das brachliegende Muster der Maxpartys betrachtet, kann man es nicht fassen, was man sich mitten im historischen Herz der Stadt alles traut. Man darf sich nicht darüber wundern, dass die meisten Augsburger die Maxnullsoundso-Sausen als nichts anderes als Barbarei empfinden.

Kommerzielle Verramschung des historischen Erbes

Oberbürgermeister Kurt Gribl hatte seinerzeit Kulturreferent Peter Grab wegen seiner „Hobbykellnerei“ zu mehr politischer Sensibilität angemahnt. Umso mehr ist es unverständlich, dass sich Augsburgs Stadtoberhaupt bereits zum zweiten Mal als Schirmherr und Grußonkel für die kommerzielle Verramschung der Maximilianstraße gewinnen ließ.

Kulisse für die Konsumkonzepte einer enthemmten Szenegastronomie

Heinz Stinglwagner hat auf die Kritk an dem geistlosen Konsumklimbim reagiert und richtig nachgebessert. Bei Max09 gab es tatsächlich auch ein kulturelles Gegenkonzept. Die „Neue Szene Bühne“ sorgte für starke Musikdarbietungen, im Antoniushof konnte die 50 plus X Generation zur Musik von Team 70 (!) mitschnippen und in der Fachakademie für Hauswirtschaft gab es ein alternativ-edles „Gastrokonzept“. Die Kirchen St. Ulrich und Afra wurden mit eingebunden (Gospel, Orgelkonzerten und Lesungen). In der Moritzkirche gab es ein „meditatives Programm“ und im Damenhof soll der lokale Comedy-Star Silvano Tuiach über Gott und die Welt abgelästert haben.

Wie gesagt, ein Schritt in die richtige Richtung, aber die Grundphilosophie von Max09 orientierte sich wie alle Maxparties davor an den Gewinnerwartungen der Gastronomie. Wer von der Sanierung der Maxstraße redet, sollte nicht vergessen, dass man in Zukunft dafür sorgen muss, dass das historische Erbe der Stadt Augsburg nicht als Hintergrundkulisse für die Konsumkonzepte einer enthemmten Szenegastronomie missbraucht werden darf. Die Politik traut sich offensichtlich aufgrund des großen Zuspruchs nicht mehr groß zu korrigieren. Man darf nicht davon ausgehen, dass der Stadtrat die Nachteile der dreitägigen Kirmes höher einschätzt als den zweifelhaften Zugewinn. In dieser Angelegenheit wäre eine starke Bürgerschaft angesagt.