Kurswechsel: André Bücker wird in Augsburg Intendant
Wer in Augsburg die Nachfolge für die scheidende Theaterintendantin Juliane Votteler antritt, ist geklärt. Erstmalig in der neueren Geschichte des Stadttheaters übernimmt eine Person in Augsburg die Intendanz, die bereits in einer anderen Stadt ein Theater führte.
Von Siegfried Zagler
André Bücker war zuletzt fünf Jahre Generalintendant des Anhaltischen Theaters in Dessau, wo sein Vertrag, wie er selbst sagt, nicht verlängert wurde, weil man ihn dort nicht mehr wollte. Bücker ist in der deutschen Theater-Landschaft als Intendant mit dem Ruf versehen, sich intensiv auf die Stadt „seines Theaters“ einzulassen. In Dessau trieb er die Öffnung eines kleinen Stadttheaters mit einer Intensität, wie man sie davor nur Häusern in Berlin zugetraut hatte.
André Bücker profilierte sich in der Kurt-Weill-Stadt Dessau nicht nur als feinfühliger Regisseur, sondern auch als furchtloser Kämpfer. Er legte sich erfolgreich mit Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) an. Dieser hatte den Landeszuschuss für das Dessauer Stadttheater von 8,1 Millionen auf 5,3 Millionen Euro reduziert und wollte den Dessauern Bürgern das Schauspiel und das Ballett ausreden. André Bücker hielt dagegen. Er brachte das Ensemble und den Stadtrat auf Linie. Das Ensemble verzichtete auf 10 Prozent ihres Lohns und die Stadtpolitik hielt an dem Vier-Sparten-Theater fest. Bücker agierte nicht unbedingt geräuschlos: Ein großes Banner mit einer geballten Faust hing an der Theaterfassade und er spazierte mit T-Shirts, die eine geballte Faust abbildeten durch das beschauliche Dessau, dessen Theater-Publikum, nach anfänglicher Skepsis, Bücker für seine fulminante künstlerische Arbeit feierte. Bücker gelang in der 80.000-Einwohner-Stadt eine vielbeachtete Ring-Inszenierung, die seinen Job aber nicht sichern sollte. Dessaus Oberbürgermeister ließ ihm nach der politischen Entscheidung, dass man seinen Vertrag nicht verlängern wird, die Depesche zukommen, dass er dem Land „nicht vermittelbar“ sei. Dass das Theater sich öffnen muss, um ein neues Publikum zu erobern, sind bei Bücker keine Lippenbekenntnisse. Bücker inszenierte in Jugendtreffs, Diskotheken und Bibliotheken.
Bücker studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Geschichte und Philosophie in Bochum. 1993 kam er als Regieassistent an das Theater Dortmund. Er arbeitete ab 1994 in verschiedenen Funktionen für das Kunstfest Weimar und ist seit 1995 als Regisseur tätig. Insgesamt steht der Name Bücker für mehr als 70 Opern- und Schauspielinszenierungen sowie spartenübergreifende Projekte und Theater im öffentlichen Raum. Von 2009 bis 2015 war er Generalintendant des Anhaltischen Theaters Dessau. Seine letzte Arbeit, Goethes “Götz von Berlichingen”, fand auf einer leeren Bühne statt: Eine Art Abschiedsbotschaft an die politischen Kräfte, die seinen Abgang wollten.
„Ich weiß es tatsächlich noch nicht so genau. Erst einmal habe ich frei. Dann mache ich im Winter eine Gastinszenierung in Koblenz. Dann gibt es ein paar Gespräche über weitere Zusammenarbeiten im freien Regie-Bereich. Den einen oder anderen Fühler strecke ich auch Richtung einer künftigen Intendanz aus. Aber erst einmal ist alles offen“, so Bücker am Ende seiner Dessauer Ära.
Die Findungskommission der Stadt Augsburg hat sich für ihn entschieden. Heute Abend ließ sich Kulturreferent Thomas Weitzel vom Stadtrat das Placet geben, mit Bücker in Verhandlungen treten zu dürfen. Am 8. Dezember wird der Vertrag zwischen dem neuen Intendanten und der Stadt Augsburg dem Kulturausschuss vorgelegt. Das letzte Wort hat dann der Stadtrat in der letzten Sitzung des Jahres. Das sind bei den stabilen Mehrheitsverhältnissen im Augsburger Stadtrat nicht viel mehr als Formalien. André Bücker wird spätestens ab der Spielzeit 2017 seinen Job als Theaterchef in Augsburg antreten – zusammen mit Friedrich Meyer aus Dessau, der den bisherigen Augsburger Finanzdirektor Steffen Rohr ersetzt, der in den Ruhestand wechselt.