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Sonntag, 24.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Kafkas Bruder“: Unterhaltsames zu den Parallelen von Kafka und Brecht

Zum Brechtfestival „verheben“ sich Dr. Michael Friedrichs und der Schauspieler David Dumas auf unterhaltsame Weise an zwei literarischen Schwergewichten

Von Halrun Reinholz

Michael Friedrichs (c) brechtfestival

Einige Formate des Brechtfestivals zeigen Kontinuität: So kommt auch in diesem Jahr in bewährter Manier im Hoffmannkeller (pardon, „Brechtkeller“ während der Festivalzeit) der Beitrag des Vorsitzenden des Augsburger Brechtkreises Dr. Michael Friedrichs. Es handelt sich dabei um eine “szenische Präsentation”, eine Art Vorlesung, die von Bildern und szenischen Darstellungen aufgelockert wird. Beim diesjährigen Brechtfestival nun zu Brecht und Kafka – auf den ersten Blick nicht wirklich naheliegend und deshalb ein “Kraftakt”, der zudem nicht viel Spaß verspricht. Doch dem Brechtforscher Friedrichs gelingt es, auf unterhaltsame Weise den Bogen aufzuzeigen, der die beiden Autoren verbindet. Immerhin handelt es sich um „Schwergewichte“ der modernen deutschen Literatur, wie Friedrichs gleich zu Beginn mit Augenzwinkern anmerkt –  zumindest, was die Menge an Papier ausmacht, das von ihnen und über sie bedruckt worden ist.

Brecht-Silhouette nach dem Scherenschnitt von Lotte Reiniger (c) Stadt Augsburg

Irritierenderweise beginnt der Vortrag dann mit einem Filmausschnitt, der zunächst weder mit Brecht, noch mit Kafka in  Verbindung gebracht werden kann. Ein Märchenfilm des Regisseurs Carl Koch aus dem Jahr 1926 über einen orientalischen Prinzen, für den dessen Frau Lotte Reiniger Scherenschnitte angefertigt hat. Diesen Film hat Brecht in Berlin nachweislich gesehen und erwogen, Kafkas „Verwandlung“ auf dieselbe Weise zu verfilmen. Dieses Projekt kam nicht zustande, aber der Kontakt zwischen Brecht und dem Ehepaar Koch hatte zur Folge, dass Lotte Reiniger auch Brechts Silhouette als Scherenschnitt gestaltete – jeder Augsburger kennt die roten Brecht-Figuren im Stadtbild, die darauf zurückgehen. – Aber keiner kennt die Urheberin!

Brecht hat Kafkas Werk nachweislich gekannt, was bei dessen Tod 1924 noch nicht selbstverständlich war. 1923 hätte es sogar die theoretische Möglichkeit eines Treffens gegeben, da sich beide zur gleichen Zeit in Berlin aufhielten, wie Friedrichs spitzfindig nachweist. Doch erst später hat Brecht an Kafka Interesse gezeigt. Einiges von Kafka wurde erst posthum veröffentlicht und dann wohl von Brecht rezipiert. Nach dem Krieg unternahm Brecht eine Reise nach Prag und begab sich dabei auch nachweislich auf die Spuren Kafkas.

Soweit die eher dürren Fakten, denen Friedrichs mit Hilfe von Bildmaterial ein bisschen Kontur gibt. Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen dieser Art kann er hier nicht auf Liedtexte Brechts zugreifen, deshalb liest David Dumas mal mit steifem Hut (als Kafka), mal mit Schirmmütze (als Brecht) Texte. Und tatsächlich zeigen sich gewisse Parallelen in der Denkweise – beispielsweise bei der entmythisierenden Sichtweise auf die Szene aus der Odyssee  mit dem Gesang der Sirenen. Möglicherweise, aber das sind nur Spekulationen von Friedrichs, die auch Brechts Keuner-Figur miteinschließen: Heißt Brechts „Keuner“ oder „Herr K.“ nicht zufällig so, sondern in Anlehnung an Josef K. aus Kafkas „Prozess“? Auch die Traumszene des Soldaten im Dreigroschenroman weist beachtlichen Anklang an eine Szene aus dem “Prozess” auf.

Offensichtlich scheint, dass die zum Finale von Friedrichs (mit Schirmmütze) und Dumas (mit steifem Hut) vorgelesenen Textstücke austauschbar wären. Also doch sowas wie ein Bruder von Kafka, dieser Brecht?!