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Dienstag, 26.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Beat, Punk und Drogen

Yony Leysers Film über William S. Burroughs läuft in Augsburg

Von Frank Heindl

William S. Burroughs mit der Musikerin und Rock-Ikone Patti Smith, die ihn zeitlebens verehrte – in einer Aufnahme von Allen Ginsberg.

William S. Burroughs mit der Musikerin und Rock-Ikone Patti Smith, die ihn zeitlebens verehrte – in einer Aufnahme von Allen Ginsberg.


1956 erschien Allen Ginsbergs Gedicht „Howl“, 1957 Jack Kerouacs „On the road“ und 1959 William S. Burroughs „Naked Lunch“. Eine aufregende Zeit muss das gewesen sein, als die später „Beat Generation“ genannte Bewegung entstand – doch ob sie schön war? Die 50er-Jahre seien „schrecklich“ gewesen, sagt etwa John Waters, einer der Menschen, die der Regisseur Yony Leyser für seinen Dokumentarfilm „William S. Burroughs – A man within“ befragt hat.

„A man within“ ist kein wirklich kritischer Film. Über William Burroughs ließe sich durchaus böseres sagen als Leyser es tut – schließlich hat dieser verrückte Mann nicht nur unzählige Künstler beeinflusst, die noch heute von ihm schwärmen – er hat sein Leben auch unter fortwährendem Drogeneinfluss geführt und in einem seiner furiosen Exzesse seine Frau erschossen. Versehentlich, beim Wilhelm-Tell-Spielen und, natürlich, unter Drogen.

Dass Burroughs zeitlebens unter diesem Unfall gelitten hat, bestätigen viele seiner Weggenossen und Freunde. Er selbst kommentierte die Vorgänge mit dem kryptischen Satz, manche Fehler seine einfach „zu furchtbar, um sie zu bereuen.“ Er habe nicht geglaubt, sagen seine Freunde, mit Reue irgendetwas wieder gutmachen zu können. Doch auch gegenüber seinem Sohn versagte Burroughs kläglich – der kam, im verzweifelten Versuch, den Vater nachzuahmen, als Alkoholiker schon mit 31 Jahren um.

Wer in der Rockmusik wichtig ist, beruft sich auf Burroughs

Als zwiespältig und zerrissen stellt auch Leysers Film Burroughs dar. Und wer sich nicht genauer mit ihm beschäftigt hat, wird überrascht sein von der ungeheuren Wirkungsmächtigkeit, die sein Werk entfaltet hat, von der Unzahl bedeutendster Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts, die sich auf ihn berufen und sich von ihm tief beeindrucken ließen. Seine „Cut-up-Technik“ etwa – er zerschnitt bedrucktes Papier, fügte es neu zusammen und ließ sich von den neuen Sinn-Konstellationen überraschen, die sich so ergaben – wird noch heute verwendet, beispielsweise von den Punkrockern der „Dead Kennedys“. Nicht umsonst wird ja Burroughs in der Kunstgeschichte nicht nur als Begründer der Beat Generation geführt, sondern auch als Godfather des Punks, als dessen geistiger Wegbereiter. Er habe niemals Regeln akzeptiert, sei niemals „politisch korrekt“ gewesen, erinnert sich John Waters. Die Sängerin Patti Smith gibt unumwunden zu, nicht nur in Burroughs „total verliebt“ gewesen zu sein, sondern in ihr erstes Album „Horses“ haufenweise Bezüge zu dessen Werk eingearbeitet zu haben – auch sie gilt als Wegbereiterin des Punk. Iggy Pop, Lou Reed, David Bowie, Tom Waits, Frank Zappa, Bob Dylan, Sting, Mick Jagger – sie alle kannten und schätzten Burroughs, viele verfielen seinem zunächst schwer zugänglichen, kratzbürstigen Wesen, seinem Charme, seiner brüchigen, unverkennbaren Stimme, seiner gut versteckten Zärtlichkeit. Leysers Film zeigt auch, wie ein verquerer, schwieriger, verschlossener Mensch es doch schaffte, seine Umgebung für sich einzunehmen. Und erst über diese Liebe seiner Freunde zu ihm erweckt der Film schließlich auch beim Zuschauer ähnliche Gefühle.

„Er hat sich Dinge ausgedacht, die noch nicht mal illegal waren“

Seine Bücher wurden verboten und später wieder freigegeben, Norman Mailer und Allen Ginsberg setzten sich vor Gericht für Burroughs und die Freiheit der Literatur ein. Seine Ideen, sagt der Regisseur David Cronenberg, hätten gar nicht verboten werden können, weil es für sei noch keine Gesetze gab: „Burroughs hat sich Dinge ausgedacht, die noch nicht mal illegal waren“ – denn erst Burroughs brachte das Leben von Junkies und Schwulen in die Literatur und damit ins Bewusstsein der prüden USA der 50er- und 60-er-Jahre. Als Cronenberg 1991 „Naked Lunch“ verfilmte, war Burroughs längst in andere Bereiche weitergezogen. Aus seinem fanatischen Hang zu Schusswaffen etwa entwickelte er die „Shotgun-Art“: Vor billigen Sperrholzplatten postierte er Farbdosen und zerschoss diese – so entstanden in keiner Weise vorhersehbare Bilder. Einzig Laurie Anderson, die mittlerweile auch schon in die Jahre gekommene Performance-Künstlerin und bekennende Burroughs-Freundin, sieht in dieser Kunstform eine etwas lächerliche Form von Machogehabe.

Geradezu erschütternd aber ist es, wie Leyser aus den Gesprächen mit Burroughs Freunden das Portrait eines Mannes herausfiltert, der geradezu panische Angst davor gehabt zu haben scheint, seine Gefühle zu zeigen. Ob er geliebt werden wolle, fragte in Allen Ginsberg einmal. Von seinen Katzen sicherlich, gab Burroughs lakonisch zur Antwort. Erst der allerletzte Eintrag in seinem Tagebuch gibt Auskunft darüber, dass er eben doch, womöglich in all seinen Drogen-, Kunst- und anderen Exzessen, vor allem auf der Suche nach einer noch größeren Liebe war, als sie ihm all die vielen Freunde geben konnten. „Liebe, was ist das?“, fragt Burroughs in diesem letzten Satz, den er je notiert hat, und gibt sich selbst die Antwort: „Das natürlichste Schmerzmittel überhaupt.“

Der Film läuft in Augsburg im Thalia (Obstmarkt 5).

» www.burroughsthemovie.com

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