Tödliche Hitze in Augsburg?
Am Montag, den 14. Juli, steht im Umweltausschuss der Hitzeaktionsplan für die Stadt Augsburg auf der Tagesordnung. Ziel des Plans ist es, die Bevölkerung besser vor Gesundheitsrisiken durch Hitze infolge des Klimawandels zu schützen. Die Begründung ist in Teilen kritikwürdig.
Von Bruno Stubenrauch
Eines der vier Maßnahmenpakete des Plans betrifft den Hitzeschutz im öffentlichen Raum. Als Einzelmaßnahmen werden „hitzegerechte Veranstaltungen“ mit Steh- und Sitzplätzen im Schatten und in kühlen Bereichen, eine „temporäre Begrünung öffentlicher Plätze“ sowie der „Hitzeschutz auf Spielplätzen“ durch Verschattungselemente benannt.
Die Stadt begründet ihren Hitzeaktionsplan in der Beschlussvorlage mit folgenden Punkten:
- In Augsburg gibt es zurzeit fünf Hitzetage mit mehr als 30°C im Jahr.
- Laut Stadtklimaanalyse folgt die klimatische Entwicklung in Augsburg den globalen Trends.
- Klimaprojektionen lassen erwarten, dass die Zahl der Hitzetage bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 10 bis 15 steigen kann.
- Dies stellt ein Gesundheitsrisiko für die Augsburger Bevölkerung dar.
„Ich will noch nicht sterben!“
Das klingt zunächst alles plausibel und nachvollziehbar. Dann folgt in der Begründung jedoch diese Passage, ohne Quellenangabe, einfach gesetzt:
„Starke Hitzebelastung führt im Sommer in Deutschland regelmäßig zu einer deutlichen Übersterblichkeit.“
Aber stimmt das wirklich? Und auf welche Normalsterblichkeit wird Bezug genommen? Zieht man Zahlen des Deutschen Wetterdienstes DWD1) und des Statistischen Bundesamts2) heran, ergibt sich genau das Gegenteil: Was die saisonale Übersterblichkeit angeht, scheinen die Wintermonate das wirkliche Problem zu sein. Das verwundert nicht, schließlich hatte Augsburg 2024 laut DWD 60 Frosttage und sogar 14 Eistage, an denen das Thermometer unter 0°C blieb.
Grafik: DAZ
Gestorben „an Hitze oder mit Hitze“?
Laut Statistischem Bundesamt liegen Hitzeschäden als unmittelbare und hauptsächliche Todesursache nur im unteren zweistelligen Bereich. Im gesamten Jahr 2023 starben 37 Menschen an Schäden durch Hitze und Sonnenlicht, etwa an Hitzschlägen und Sonnenstichen.
In seiner Kolumne „Zahl der Woche“ vom 1. Juli 2025 meldet das Amt auch einen tendenziellen Rückgang der Zahl der jährlichen Krankenhausbehandlungen wegen Hitze und Sonnenlicht von 1.400 im Schnitt der vergangenen 20 Jahre auf zuletzt 800 im Jahr 2023.
Grund für den Rückgang könnte laut Statistischem Bundesamt eine höhere Sensibilisierung der Bevölkerung für die gesundheitlichen Gefahren von Hitze sein. Die Menschen sind also klug. Das Amt verkennt jedoch nicht, dass die Kombination aus Hitze und Vorerkrankungen das Sterberisiko erhöhen kann. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) erstellt Schätzungen zu hitzebedingten Sterbefällen.
Seriös bleiben
Das Feld zwischen Meldungen wie „Experten warnen vor zehntausenden Hitze-Toten in Deutschland“ (Focus, 1.7.2025) und den amtlichen 37 Hitzetoten ist weit; die Zahlen unterscheiden sich um drei Größenordnungen. Drängender als schon bei Corona, wo infizierte Verkehrstote zu Coronatoten wurden3), stellt sich daher die Frage „Gestorben an oder mit Hitze?“ Einfach ist die Sache jedenfalls nicht. Ein Grund mehr, an die Thematik mit Besonnenheit heranzugehen.
Niemand wird ernsthaft etwas dagegen haben, wenn man sich an heißen Sommertagen im Schatten aufhalten kann. Auch nicht, wenn im öffentlichen Raum mehr schattige Plätze angeboten werden. Die Stadt Augsburg sollte ihre Maßnahmen aber seriös begründen – nicht mit pauschaler Angstmache.
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1) Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr.
2) Das Statistische Bundesamt ist eine Bundesoberbehörde in Deutschland und die erste Anlaufstelle für amtliche Daten zu Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt und Staat.
3) Faktencheck Correctiv, 23.04.2020: „Coronavirus: Auch Infizierte, die gewaltsam sterben, zählen in der Statistik“. (Fußnote 3 wurde nach Veröffentlichung des Artikels eingefügt)