DAZ-Buchtipps für die Zeit zwischen den Jahren
Vier Bücher hat Gastautor Dietmar Sigl für die DAZ gelesen: Bücher, die kein Genre eint, sondern ein Anspruch. Sie widersetzen sich der bequemen Lektüre, fordern das Denken heraus – historisch, kulturell, literarisch. Den Rezensenten faszinieren die Bücher dort, wo das zum System wird: Verwaltung als Machtarchitektur, Schach als Modell des Intellekts, Literatur als Seismograph gesellschaftlicher Verwerfungen, Rausch als kulturelle Praxis zwischen Erkenntnis und Exzess.
Gastbeitrag von Dietmar Sigl
Buch No.1

Im Klappentext heißt es: Die Reichsstadt Augsburg hatte den Höhepunkt ihrer Glanz- und Blütezeit im 16. Jahrhundert. Erstmals wurde nun der Versuch unternommen, der bisher unbeachteten Frage nach den Veränderungen der städtischen Verwaltung im 16. Jahrhundert nachzugehen und die Entwicklung Augsburgs hinsichtlich einer administrativen Verdichtung und Konfessionalisierung genauer zu untersuchen. Die Beschreibung der einzelnen städtischen Ämter und Dienste, der handelnden Amtsträger und der innerstädtischen Problemfelder liefert dabei ein farbiges Bild der reichsstädtischen Politik und Administration.“
Die Dissertation der renommierten Autorin aus unserer altbayerischen Nachbarstadt ist ein prosopographisches Feuerwerk von enormer historisch-literarischer Power. Ein Must-have nicht nur für ein Augsburger Bildungsbürgertum.
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Administrative Verdichtung und Konfessionalisierung: Die Verwaltung der Reichsstadt Augsburg im 16. Jahrhundert
Von Nicole Finkl
34,90 Euro
- Bibliografisches: Fadengehefteter Festeinband, 534 Seiten, Format 24,5 x 17,5 cm
- Erscheinungsjahr: 2011
- ISBN: 978-3877078259
- Link: Verlagsdruckerei Schmidt
Buch No.2

Wietschorke beschreibt aus der Ambivalenz des wissenschaftlichen Profis und Schachamateurs die Magie des Spiels der Spiele als das finale Momentum des menschlichen Intellekts. Expertise und Emotionen – den Autor treiben die 32 Figuren auf 8 x 8 Feldern in Platons Feuerschein in monadischer Nacht. In präzisem Duktus lässt der Erzähler seinen Leserinnen und Lesern das der ungeheuren Logik des Schachs immanente Suchtpotenzial erahnen. Wietschorkes Bearbeitung des Themas atmet den Geist bürgerlicher Aufklärung und ist doch in ihrer universellen Aktualität das Manifest eines akademischen Afincionados.
Das im Buch evozierte Faszinosum der KI ist tief im Schach orientiert. Alan Turing baute den ersten programmierbaren Computer der Welt und programmierte das erste Schachprogramm, die Turing-Engine! Und Turing aß den vergifteten Apfel…
Wietschorke liefert Fakten, Diagramme (Psychogramme der Schachwelt), Assoziationen und vor allem einen guten Text – „Die goldene Gans, die niemals schnattert“. Das multimediale Interagieren von Systemen und Individuen, die Reziprozität von Taktik und Trash Talk hat das Schachspiel der Postmoderne mega gehyped. Jens Wietschorke erzählt von Turnieren in prachtvollen Gemäuern und im Netz. Die Community umfasst sämtliche Altersklassen mit einer stetig wachsenden Zahl junger Menschen, die das prinzipiell abstrakte Geschehen auf dem Brett oder vor dem Display mit dem Spirit der Zeitlosigkeit anreichern. Schach sei brutal, so Wietschorke, die realistische Einordnung persönlicher Niederlagen und Siege daher sine qua non.
Schachprosa vom Feinsten – ein wunderbar prägnantes Werk von informativem Gehalt und mit durchaus persönlicher Note – Schach auf hundert Seiten.
Von Jens Wietschorke erschien zuletzt bei reclam „1920er Jahre. 100 Seiten“ und das Wissenschaftsbuch des Jahres 2024 „Wien – Berlin. Wo die Moderne erfunden wurde“ .
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Schach. 100 Seiten
Alles Wissenswerte über das Spiel der Spiele
Von Jens Wietschorke
12,00 Euro
- Taschenbuch
- Erscheinungsdatum: 19.11.2025
- ISBN: 978-3150207895
- Link: Verlag reclam
Buch No.3

Klappentext: „Dringende Durchsage“ versammelt 23 bisher ungedruckte und elf nur einmal publizierte Erzählungen, die einen Einblick geben in die Anfangsphase von Siegfried Lenz` Schreiben zwischen 1948 und 1957. (…) Ergänzt wird der Band durch spätere Erzählungen (…).
Was bei einem anderen großen, deutschsprachigen Literaten des 20. Jahrhunderts, Franz Kafka, üble Visionen und Alpträume irrsinniger Komik – Golem und Angelus, Egge und Hackmesser, Labyrinth und Abgrund – zu Weltliteratur gerinnen lässt, packt Lenz rauschhaft nüchtern auf jenen Trümmerhaufen der Vernunft des Überlebens willen.
Lenz verortet die realen Bedingungen der menschlichen Existenz im Sublimen des Systems; dessen semantisch so analytisch brilliant exponierte surreale Latenzen den Leserinnen und Lesern in ihrem bundesrepublikanischen Alltagsleben die Steckrübensuppe selbst schmackhaft machen. Lenz presst Humor aus gesellschaftlichem Tran, exploriert Radikalität, interpretiert seine schlafende Frau in „Signale aus dem Traum“, blickt von außen durch die Brille des eigenen Ichs.
Wie Radikalität entsteht? Schlag nach bei Lenz! Und Du wirst sehen, welche gesellschaftspolitischen Grundmuster es braucht, um „legitime Normen und Gesetze“ – ja die eigentliche Nachkriegsverfassung – über die diskursiven Kipppunkte des freiheitlich-demokratischen Selbstverständnisses hinaus in eine weitere historische Dystopie von Faktizität und Geltung zu manövrieren.
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Dringende Durchsage
Erzählungen
Von Siegfried Lenz
25,00 Euro
- Bibliografisches: Herausgegeben und mit einem Vorwort von Maren Ermisch, geprägtes Leinen, Farbschnitt, Lesebändchen, 192 Seiten, Einbandgestaltung von Cosima Schneider
- Erscheinungsdatum: 07.10.2024
- ISBN: 978-3455018233
- Link: Büchergilde Gutenberg
Buch No.4

Die drei Chefinnen der Berliner Viktoria Bar mixen rare Anekdoten und Essays mit hochprozentigen Korrelaten zu einem beinahe opak funkelnden Kunstwerk, das jeglich erweiterter bzw. kontextueller Shots nicht bedarf, denn hier werden die Musen und Einhörner wach, die Elfen, Gespielinnen des Glücks, Nixen in nassem Gewande.
Kerstin Ehmer, Beate Hindermann und Ellen Wagner stecken hinter dem Projekt.
Der Kommunikationswissenschaftler, Autor und Filmemacher Pepe Danquart (1993 Winner Melbourne International Film Festival, 1994 Academy Awars of Merit für den Kurzfilm „Schwarzfahrer – Urban Legend“), hat die Antrittsvorlesung für die drei übernommen, der nicht minder berühmte Kunstkritiker Peter Richter die Schlussvorlesung. Beide Koryphäen sind selbstverständlich Stammkunden!
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Die Schule der Trunkenheit
Von Kerstin Ehmer und Beate Hindermann
26,00 Euro
- Bibliografisches: Durchgehend illustriert einschl. Cover von Ellen Wagner, fester Einband, 296 Seiten
- Erscheinungsdatum: 2023
- ISBN: 978-3763275014
- Link: Büchergilde Gutenberg
Alle vier Bücher sind zu entdecken in der Buchhandlung am Obstmarkt sowie im Internet.
Cover-Ausrisse:
– Quelle: Seiten der angegebenen Verlage
– Gestaltung, soweit bekannt: siehe „Bibliografisches“
– Bearbeitung: DAZ




