Juristisches Tauziehen um St. Johannes
Suchthilfe wird zum Wahlkampfthema
Die geplante Verlegung des Süchtigentreffs der Drogenhilfe Schwaben in die Räumlichkeiten der St. Johannes-Kirche in Oberhausen hat eine komplexe juristische Auseinandersetzung ausgelöst, die nun unmittelbar in den Kommunalwahlkampf hineinwirkt. Anwohner klagen gegen das Vorhaben, dessen geplanter Start im Frühjahr 2026 damit auf den Prüfstand kommt.
Von Bruno Stubenrauch

Flächennutzungsplan 1995-200N (Ausrisse) – Quelle: Stadt Augsburg; Montage: DAZ
Die Vorgeschichte: Nachdem der ursprüngliche „beTreff“ am Helmut-Haller-Platz seine Kapazitätsgrenze erreicht hatte, identifizierte die Stadt das Areal St. Johannes als favorisierten Ersatzstandort. Gegen diese Entscheidung formierte sich ab Anfang 2024 massiver Anwohnerprotest, der sich in Demos und der Sammlung Tausender Unterschriften manifestierte. Der Augsburger Stadtrat beschloss im Juli 2024 trotzdem die Umsetzung des Projekts – mit deutlicher Mehrheit.
Kernkonflikt fehlende Baugenehmigung
Der zentrale Konflikt dreht sich um die Frage einer genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung:
Die Position der Stadt: Die Verwaltung argumentiert, das Kirchengebäude besitze bereits eine Genehmigung für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Nutzungen, unter die auch die Versorgung Suchtkranker falle. Eine neue Genehmigung sei daher entbehrlich – eine Haltung, die auch von der Rechtsaufsichtsbehörde, der Regierung von Schwaben, nach Prüfung des Projekts geteilt wird.
Die Position der Anwohner: Klagende Immobilieneigner aus Oberhausen halten dem entgegen, dass die Umwidmung einer Kirche in ein Drogenhilfezentrum in einem Wohngebiet eine „massive Nutzungsänderung“ darstelle, die zwingend ein ordnungsgemäßes Genehmigungsverfahren erfordert hätte.
Die Anwohner treiben dabei konkrete Sorgen an: Sie befürchten Wertverluste ihrer Immobilien, drohende Mietkürzungen und den Auszug von Mietern. Zudem äußern sie Ängste vor offenem Drogenkonsum in Hauseingängen und halten den familiensensiblen Standort für grundsätzlich ungeeignet – obgleich sie die Notwendigkeit besserer Suchthilfe anerkennen.
Politische Schärfe im Wahlkampf
Die Klage hat nun politischen Akteure auf den Plan gerufen: Jürgen Marks, Stadtratskandidat der Freien Wähler, sieht in dem Verfahren bereits die nächste juristische Niederlage für die Stadtverwaltung heraufziehen, ähnlich früheren Konflikten (verkehrsfreie Maxstraße, Theaterarchitekten-Streit). Er spekulierte am Sonntag auf Facebook, dass die Stadt einer Niederlage nur durch eine teure Einigung mit den Eigentümern, die deren Wertverluste ausgleiche, entgehen könne.
Die gemeinsame OB-Kandidatin von FDP und Pro Augsburg, Iris Steiner, reagierte umgehend und kritisierte Marks‘ Äußerungen scharf als Versuch der „politischen Stimmungsmache“. Sie betonte, solche Voraburteile dienten der Verunsicherung, missachteten die Unabhängigkeit der Gerichte und stellten die Professionalität städtischer Mitarbeiter infrage. Steiner hob hervor, dass der Stadtrat das Projekt mit überwältigender Mehrheit beschlossen habe, um eine wohnortnahe Versorgung Betroffener zu gewährleisten, die ohnehin bereits in der Umgebung lebten. Die Entscheidung des Gerichts sei abzuwarten.
Flächennutzungsplan als Schiedsrichter?
Die juristische Beurteilung dürfte nun von einer Auslegung des Flächennutzungsplans 1995-200N abhängen, da für das Areal St. Johannes kein Bebauungsplan existiert. Der Plan weist das Gebiet als „Fläche für Gemeinbedarf“ mit der Zweckbestimmung „Religion“ (R) aus.
Die entscheidende Frage: Kann die Nutzung als Süchtigentreff unter einen religiösen Verwendungszweck subsumiert werden? Eine Bejahung nach biblisch-karitativen Gesichtspunkten muss nicht unbedingt konform mit der bauordnungsrechtlichen Einordnung gehen.
Gerichtstermin wenige Wochen vor der Wahl
Sollte das Gericht die Notwendigkeit eines Antrags auf Nutzungsänderung bejahen, müsste das Bauordnungsamt eine Genehmigung erteilen. Als nicht weisungsgebundene Behörde müsste es in diesem Verfahren unabhängig prüfen, ob die nachbarlichen Belange durch den Süchtigentreff so stark beeinträchtigt werden, dass die Genehmigung zu versagen wäre.
Mit der Anfang Februar 2026 angesetzten mündlichen Gerichtsverhandlung wird der Rechtsstreit – anders als der vertagte Streit um das Honorar des gekündigten Theaterarchitekten – unmittelbar in die heiße Phase des Kommunalwahlkampfs hineinwirken.



