MODULAR aktuell
Ein Festival zerstört sich selbst
Kommentar zur notwendigen Neuorientierung des MODULAR-Festivals – von Peter Bommas
Vor gut 15 Jahren wurde in der Diskussion um ein Nachfolgeformat des ersten, sehr erfolgreichen, in der Innenstadt beheimateten Jugendkulturfestivals XLarge als Resultat formuliert, ein Festival zu kreieren, das als workshopbasiertes, vielkulturelles, partizipatives, jugendkulturell ausgerichtetes Mit-Mach-Festival möglichst zentrumsnah im Frühsommer regelmäßig stattfinden soll, nicht fixiert auf ein kommerziell ausgerichtetes Musikfestival.
Diese über 2 Jahre in vielen Sitzungen und Diskussionen entwickelte eierlegende Wollmilchsau hieß dann MODULAR und entstand in Kooperation zwischen Vertretern des SJR, dem gerade etablierten Kulturpark West und Vertreter*innen der Rathausparteien mit bescheidenem finanziellen Support durch die Stadt, eingebunden in das Portfolio des Stadtjugendrings.
Zentrumsnah und erschwinglich
Mit dem Wittelsbacher Park samt Kongresshalle wurde ein zentrumsnahes Gelände gefunden, das alles mitbrachte, was dieses Festival ausmachen sollte: Von Street Art über Improtheater, Graffiti, Skateboarding, Slacklining, Poetry, Kreatives Schreiben bis zu interessanten, bezahlbaren popmusikalischen Newcomern und Local Heroes zwischen Indie, Punk, Metal, Singer/Songwriter, Reggae, Elektro und Migranten-Rap sollte alles am Start sein, inklusive eines Teams ehrenamtlicher Helfer*innen, die sich über die Festivalorganisation professionalisieren sollten, sowie der Möglichkeit, bei schlechtem Wetter das Indoor-Potential der Kongresshalle zu nutzen – und das alles mit erschwinglichen Eintrittspreisen. Diese Idee hat etliche Jahre gut funktioniert mit einer überschaubaren Publikumsmenge und vielen jungen, engagierten Szenegänger*innen. Mit den Anwohnern gabs natürlich schon Trouble, aber man hätte sich bei Einbau einiger Vorsichtsmaßnahmen, besserer Kommunikation im Vorfeld und etwas mehr Empathie für jugendliche Feierlaune wahrscheinlich schon einigen können.
Der Verrat an dieser Idee eines Jugendkultur-Festivals nahm seinen Gang mit dem mehrheitlich vom Stadtrat verkündeten Aus im Wittelsbacher Park, der zwischenzeitlichen Verlagerung an den Plärrer und dann ab 2019 dem Umzug ins sträflich unterentwickelte Gaswerkareal, das deutlich höhere Investments in Bühnen, Logistik, Security, Gagen etc. verlangte. Spätestens mit diesem politisch verordneten Auszug aus dem Wittelsbacher Park mutierte das Jugend-Kultur-Festival zu einem der vielen sommerlichen Musikfestivals in Süddeutschland, im Vordergrund die möglichst angesagten Bands bzw. DJs, immer in Konkurrenz zu anderen Festivals dieser Art und als Beigabe ein paar workshoporientierte Placebos mit Schwerpunkt auf Info-Ständen bei gleichzeitigem stetigem Anwachsen des Etats (dieses Jahr am Start 35 Liveacts und fast genauso viele DeeJay-Projekte).
Verrat an einer Idee
Praktisch innerhalb von 12 Jahren gab es eine Verzehnfachung des Finanzbedarfs auf fast 2 Millionen mit der Wegentwicklung von einem stadtjugendringgenuinen Jugendkulturfestival zu einem Musikfestival mit möglichst szeneprominenten – damit natürlich auch kostenintensiveren – Bands und immer mehr DJs: ein Musikfestival auf einem provisorisch anmutenden Gelände, das sehr viel kostensteigernde Infrastrukturmaßnahmen bei Bühnen, Technik, Security, Catering etc. nötig machte und dabei die ursprüngliche Intention – alle jugendkulturellen Entwicklungen abzubilden – sowie einen nicht unerheblichen Teil des in Zeiten von TikTok immer mehr sich zersplitternden Zielpublikums immer mehr aus dem Auge verlor.
Wenn jetzt, angesichts eines erwarteten Defizits von 200.000 Euro (das war einmal der Gesamtetat des Festivals) und der Aufregung um das Auftreten der links-autonomen „Ganzen Bäckerei“ im Rahmen der Workshop-Plattformen die Förderung infrage gestellt wird, dann müssen sich die Parteien im Stadtrat an die eigene Nase fassen. Das Problem liegt doch wo ganz anders: Man hat den SJR jahrelang machen lassen, ohne genauer auf die strukturellen Veränderungen zu achten. Gemeint ist der Wandel des Publikums, das Entstehen einer netzaffinen rechten Jugendkultur, einer linken Gegenkultur wie auch einer migrantischen Segregationskultur, die Missachtung von Altersstrukturen und verändertem Weggehverhalten, die zunehmende Verengung von altersabhängigen Publikumsvorlieben bei Sounds und Bands, die für viele Jugendlichen zu hohen Ticketpreise – all das hat die Stadtpolitik nicht interessiert.
Drei Lösungen
Was heißt das alles jetzt fürs MODULAR und seine Macher*innen? Entweder gibt es – erstens – eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen, aktuell wirksamen jugendkulturellen Ideen und Motive von MODULAR mit einem Moratorium zum Zwecke der kompletten Neuorientierung unter Einbezug der stark veränderten jugendkulturellen Orientierungen. Oder man lässt – zweitens – von einem gut subventionierten Träger mit vielen Baustellen in seiner Alltagsarbeit ein gewinn- und konsumorientiertes Musikfestival weiter bespielen, streng verfassungsgemäß mit schriftlichem Demokratie-Bekenntnis für alle Akteure. Oder man gibt das Festival – drittens – ohne öffentliche Förderung einer privaten, frei finanzierten Festival-GmbH, die nicht der Staatsräson unterworfen ist, sondern nur der Profitmaximierung. MODULAR steht jedenfalls am Scheideweg.