Theater: Das imperative Mandat der Selbstverherrlichung – Im Kinderzimmer von Donald Trump
Jean-Paul Meyer ist ein Autor, der kaum schreibt, aber sein Leben lang in der Stadt Augsburg flaniert, erfundene Geschichten erzählt und unentwegt davon träumt, ein großer Autor zu sein. Eben dieser Autor von „Trumpelstilzchen“stolpert betrunken in die Vorstellung und sagt: „Alle aufstehen, hier bin ich der Chef!“ Kein Inszenierungsgag, nicht geplant, sondern ein realer wie trauriger Moment in der gestrigen Premiere von „Trumpelstilzchen“.
Von Siegfried Zagler
Die Geschichte der Entstehung des Ein-Personen-Stückes „Trumpelstilzchen“ ist beinahe abenteuerlicher als der Sturzflug der Demokratie im Bann von Donald Trump: Handbeschriebene Zettel, diktierte Erinnerungsfragmente werden im Dunstkreis zahlreicher Kneipenbesuche in Text gegossen und auf Umwegen fließt das gepixelte Fragment, in dem fortlaufend vom „Vögeln und Ficken“ die Rede ist, in den Rechner von Vielschreiber Arno Löb, stadtbekannter Autor von zahlreichen Kriminalromanen und Satire-Mosaiken. Löb fragt bei Schauspieler Heinz Schulan nach, ob er Zeit und Lust hätte, die einzigartige Textobszönität zu realisieren – und Schulan ist dabei.
Aus der scheinbar nie versiegenden Dynamik der „alten Säcke“, wie sie sich selbst gern nennen (Löb und Schulan sind in den 40ern geboren), entstand ein Theaterstück, das nur noch wenig mit dem ursprünglichen Text zu tun hat und gestern in der Projektschmiede Lechhausen erstmalig zur Aufführung kam.
Um es kurz zu machen: Löb (Regie) und Schulan haben in großer Eile, die sie sich selbst verordnet haben, ein respektables Monster entwickelt und mit Trumpelstilzchen eine plausible Figur erfunden, die die Muster der menschlichen Monstrosität herausarbeitet, und dabei auf die Geschichte der Gewalt verweist. Heinz Schulan zeigt durchgehend über 90 Minuten eine überzeugende, teilweise großartige Schauspielkunst, doch der Inszenierung fehlt die Dichte, das Tempo und die Wucht eines anarchistischen Hinterhofstückes, das es immerhin sein könnte, aber bedauernswerter Weise nicht ist.
Der unbeschreibliche Charme des Unternehmens, nämlich aus einer vollkommenen Unabhängigkeit heraus, aus dem Augsburger Ortsteil Lechhausen heraus, einen Speer der Entlarvung in das Weiße Haus zu bohren, um somit jenseits aller journalistischer und politischer Angriffe, also jenseits aller Angriffe der demokratischen Eliten, den bizarren Präsidenten der Vereinigten Staaten als Getriebenen einer freudianisch definierten Verletzlichkeit zu zeichnen, geht zu oft in den Längen einer mit flachen Witzen und billigen Lachern gestreckten Inszenierung verloren.
Und dennoch soll festgehalten werden, dass in der Hanauer Straße 6, im vielleicht kleinsten und schlichtesten Theater der Welt, der mächtigste Mann der Welt einem Angriff ausgesetzt wird, den Donald Trump im Gegensatz zu allen anderen Angriffen nicht überleben wird, nicht überleben kann, weil er als clowneskes Opfer seiner kindlichen Sensibilität zu erleben ist, als eine von krankhaftem Narzissmus gezeichnete Figur, die sich nach einem selbst inszenierten Tod während der Amtszeit verzehrt, damit ihre Unsterblichkeit gesichert ist. Schulan spielt mit überzeugender Übertreibung einen Präsidenten, der unaufhörlich seinem Publikum („seinem Volk“) zu erkennen gibt, dass er kein Unfall der Geschichte ist, sondern als imperatives Mandat den Wahn der Selbstverherrlichung verkörpert, der in den USA als unsterblicher Geist in allen Zeiten und in allen Gesellschaftsschichten sein Unwesen treibt.
„Trumpelstilzchen“ hat nichts mit dem heute gestarteten Brechtfestival zu tun, ist aber ein Lehrstück ohne Fingerzeig und Belehrungseifer und trotz seiner dramaturgischen Schwächen ein echter Augsburger Kreidekreis, wie er eckiger nicht sein kann. – Nur noch am Samstag (19.30 Uhr) und am Sonntag (19 Uhr).