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Dienstag, 09.09.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Universität

Es gibt kein Theaterviertel

Der Verein „Theaterviertel Jetzt“ will am kommenden Samstag, 13. September, in einem Workshop mit Fachleuten, Anliegern und inter­essierten Bürgern eine Vision für das Areal rund ums Staats­theater erarbeiten. Zielsetzung: die Stadt bei der Entwick­lung eines Augsburger „Theater­viertels“ unter Druck zu setzen. Aber was ist das eigentlich?

Kommentar von Bruno Stubenrauch

Ein Viertel – auch Quartier oder Stadtviertel – ist per defini­tionem ein klar abge­grenzter Teil einer Stadt mit eigener Identität, geprägt durch Architektur, Nutzung, Geschichte oder soziale Strukturen. Bewohner identi­fizieren sich stark mit ihrem Viertel, was in liebe­vollen Begriffen wie „Grätzl“ (Wien) oder „Kiez“ (Berlin) zum Ausdruck kommt. Die Quartiers­grenzen ergeben sich oft intuitiv aus Straßen, Flüssen oder Grün­flächen. Der Begriff geht auf das lateinische „quarterium“ und das französische „quartier“ zurück.

Gefühle wollen sich hier nicht einstellen:
Zentrum des „Theaterviertels“, links die Staats- und Stadtbibliothek (durch Bäume verdeckt), rechts das Staatstheater

Echte Viertel besitzen eine klare Identität

Viele Viertel sind zu Symbolen geworden. So steht die Wall Street in New York für das Herz der globalen Finanzwelt: ein Geflecht aus Banken, Börsen und Hoch­häusern auf engstem Raum, zusammen­ge­schweißt durch möglichst kurze Glas­faser­kabel, um im modernen Hoch­frequenz­handel die ent­schei­denden Nano­sekunden vorne zu sein.

Ganz anders das beschauliche Montmartre in Paris, das mit seinen Ateliers, Galerien und Straßen­künstlern bis heute eine künst­lerische Atmo­sphäre aus­strahlt – einst Heimat von Picasso und Van Gogh, heute Sinnbild bohemien­hafter Kreativität.

Auch Augsburg hat prägnante Beispiele

Das Thelottviertel, eine der ersten deutschen Garten­städte, wurde ab 1907 nach dem Prinzip „Wohnen im Grünen“ errichtet. Jugendstil- und Heimat­stil­bauten mit Gärten verleihen ihm – trotz Zentrums­nähe – eine ruhige, fast dörfliche Atmo­sphäre; die Bewohner identi­fizieren sich stark mit ihrem Viertel.

Gartenstadt Thelottviertel

Eleganter präsentiert sich das räumlich klar definierte Beethoven­viertel, das zwischen 1880 und 1910 als groß­bürger­liches Wohn­quartier entstand. Mit seinen Villen und Wohn­häusern im Histo­rismus und Jugendstil, benannt nach berühmten Kompo­nisten, gehört es bis heute zu den ersten Adressen der Stadt.

Jugendstilbau im Beethovenviertel

Viertel besitzen also eine klare Identität, sind wieder­erkennbar, prägnant und stadt­bild­prägend. Besucher erleben gewöhnlich eine Vielzahl von Emo­tionen, die oft mit dem Wunsch nach Authen­tizität, Faszi­nation und einzig­artigem Flair sowie mit kreativer und ästhe­tischer Wert­schätzung verbunden sind. Diese Gefühle sind essentiell für die Attrak­tivität von Stadtvierteln.

Vier Gebäude und ein Straßenfest

Ganz anders das so genannte „Theater­viertel“: Städte­baulich ist es ein Brei ohne Struktur und Abgrenzung; Gefühle wollen sich an keinem Punkt einstellen.

Ensemble aus Stadtbücherei (links) und LMC: Zwei Bauwerke der Hochkultur strecken sich ihre Hinterteile entgegen

Vier in einem 500 Meter großen Umkreis zufällig verteilte Gebäude, die außer dem Begriff „Hochkultur“ keine Beziehung zueinander haben, nicht einmal eine Blick­beziehung:

  • das Staatstheater,
  • das Leopold Mozart College of Music in der Grottenau (LMC),
  • die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg und die
  • Stadtbücherei.

Dazu einmal im Jahr ein Theater­viertel­fest: sehen und gesehen werden, ansonsten ein gefahr­loses, betreutes, von Beliebig­keit geprägtes Gedrängel.

Theaterviertelfest 2025

Warum nicht auch ein Citygalerieviertel?

Ein großes, namens­gebendes Gebäude wie das Theater macht aber kein Stadt­viertel. Sonst könnte man auch die City Galerie mit der wenige hundert Meter entfernten Fuggerei zu einem „Citygalerie­viertel“ zusammen­spannen: mittel­alter­liches Wohnen trifft neu­zeit­liches Shoppen. Und zweimal im Jahr wird im Herzen des Viertels symbiotisch die Dult veran­staltet, als Straßen-Event und Einkaufs­erlebnis in der Tradition mittel­alter­licher Märkte.

City Galerie: bald ein eigenes Viertel?

Die Städteplaner haben längst aufgegeben

Dass mit architek­toni­schen und städte­bau­lichen Mitteln kein Theater­viertel ent­stehen wird, weiß man schon seit 2016. Damals hatte eine Archi­tekten­werk­statt im Auftrag der Stadt versucht, städte­bauliche Visionen für ein leben­diges Theater­viertel zu entwickeln. Hehre Lösungs­ansätze standen im Raum: die Ver­netzung des Theaters mit weiteren kultu­rellen Ein­rich­tungen im näheren Umfeld, neue Durch­wegungen, Blick­achsen, Straßen- und Platz­gestal­tungen. Dann die pure Resignation:

Wie die BDA-Werkstatt analysiert, ist das städte­bauliche Theater-Umfeld alles andere als ein­heitlich struktu­riert. Die BDA-Archi­tekten empfehlen, mit der Stadt­gesell­schaft ein „Leit­konzept Kultur­quartier“ für die Metro­pole Augsburg zu ent­wickeln,“ so die Stadt vor neun Jahren.

Resignation: Ludwigstraße ohne Fest

Übersetzt: Den Archi­tekten ist nichts ein­gefallen; städte­baulich wird nie ein Viertel daraus, also soll die Stadt­gesell­schaft sich „irgend­was mit Kultur“ als quartiers­prägend einfallen lassen.

Dann eben Kultur!

Aber auch damit ist es nicht weit her: Der Verein Theaterviertel Jetzt! e.V. als treibende Kraft setzt auf ein „stadt­planerisches und ideelles Gesamt­konzept mit Ludwig­straßen­quartier, Leopold-Mozart-College, Staats- und Stadt­bibliothek, Fugger­boulevard und Stadt­markt­quartier.“ Es geht also gar nicht um Hoch­kultur, denn beim Stadtmarkt-Angebot handelt es sich zweifels­ohne um Esskultur – auch wenn Klassik Radio mit am Bauernmarkt sitzt.

Hohe Esskultur: Augsburger Stadtmarkt

Und dass der Verein die Ludwigstraße zum eigentlichen Quartier hochstuft, legt nahe, dass es vorder­gründig nicht ums Theater, sondern um kommerzielle Interessen geht. Ein Quartier im Quartier gibt es nämlich nicht. Wie immer wird letztlich also auch beim „Theaterviertel“ die Frage „Cui bono“ gestellt werden müssen.

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