Kommentar zum Römermuseum: Der Aktionismus des guten Willens ist nicht mehr vermittelbar
“Römerland Bayern”: Die Pläne des Freistaats, 2028 eine große Landesausstellung zum römischen Erbe auf die Beine zu stellen, setzt die Stadt Augsburg in Sachen Ausstellungsort/Museumsneubau unter Druck – Nun muss Dynamik in die Römer-Lücke kommen, sonst blamiert sich die die Augsburger Stadtregierung bis auf die Knochen
Kommentar von Siegfried Zagler
Seit mehr als elf Jahren ist die Augsburger Dominikanerkirche ein Sanierungsfall und geschlossen. Die Kirche selbst hat einen hohen Denkmalwert und war einst das Römische Museum Augsburgs. Damit wurde sowohl dem historischen Wert der Kirche, als auch dem Erbe der Römer zu wenig Wertschätzung entgegengebracht.
500 Jahre lang war Augsburg Hauptstadt eines römischen Verwaltungsgebiets, das von Südtirol bis Weißenburg, von Passau bis zum Bodensee reichte. Augusta Vindelicum war Verkehrsknotenpunkt und hatte einen Hafen, der dafür sorgte, dass in der Provinzhauptstadt das typische, Völkergemisch des Imperiums siedelte. Bereits im ersten Jahrhundert der Stadtgeschichte stammten die im Schnitt 15.000 Bewohner aus Oberitalien, der Schweiz, Nordfrankreich, Nordwestdeutschland, dem Balkan und anderen europäischen Regionen. Für die spätere Zeit sind Sklavinnen aus Syrien belegt, die als Lehrer mit Aussicht auf Freiheit und Bürgerrechte bei wohlhabenden Familien arbeiteten. Dies legte Dr. Sebastian Gairhos, Chef der Augsburger Stadtarchäologie, kürzlich in einem fulminanten Vortrag auf einem Kulturempfang der Augsburger Grünen im Oberen Flez des Rathauses dar. “Sich das römische Augsburg als Ansammlung von Römern vorzustellen, ist Projektion”, so Gairhos.
Die römische Epoche der Augsburger Stadtgeschichte wirkte weit in die Renaissance hinein und findet ihr Narrativ seit acht Jahren in einer Interimsausstellung in der Toskanischen Säulenhalle im Zeughaus. Weit unter Niveau repräsentiert die Stadt Augsburg dort die wichtigste und längste Phase ihrer Entwicklungsgeschichte. Während die Forschung neue Erkenntnisse liefert, die Bedeutung und das Bewusstsein für die römische Stadtgeschichte zunimmt, scheint die politische Stadt dafür immer zu wenig Mittel zu haben. Beim Theater, dies nur nebenbei, verhält es sich genau umgekehrt.
Dieses Dilemma hat zu tun mit der allgemeinen Situation der klammen Kommunen, die sich durch Corona und den Ukraine-Krieg zusätzlich verschärft hat. Ist aber in Augsburg im Besonderen auch einer falschen Priorisierung im Kulturbereich geschuldet. Das Manko, die eigene Identität zu flach abzubilden, sie nicht in eine angemessene Erzählung zu transformieren, wird längst über das Augsburger Bildungsbürgertum hinaus als etwas Unbegreifliches wahrgenommen. Dass der Freistaat mit einer Landesausstellung den Finger in diese Wunde legt, sollte man als Neustart, als große Chance begreifen und als Tritt in den Hintern der Stadt Augsburg. Aus dieser Perspektive muss man Hintersberger, Jäckel und Blume danken.
Eine Stadtregierung, die eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gibt, die zu prüfen hat, ob sich am Predigerberg zugleich schulische und kulturelle Bildung baulich “machen lassen”, verweist auf zwei Dinge: Wir haben guten Willen und Zeit. Letzteres ist diese Woche weggebrochen. Mutig und entschlossen Politik machen ist nicht die Stärke von Schwarz-Grün: Verkehrsversuche, Verwaltungsgerichtsurteile und Machbarkeitsstudien bezeugen diese These!
Mit der Landesausstellung im Rücken könnte sich eine neue Dynamik in Sachen Mittelbeschaffung und Investoren ergeben, könnten sich neue Fördertöpfe auftun. Nun ist Tempo angesagt. Das Augsburger Theaterstück “Wir wollen, aber können nicht” hat seinen letzten Vorhang erhalten. Der Aktionismus des guten Willens ist nicht mehr vermittelbar. Nun kann Kulturreferent Enninger zeigen, ob er seinen Job kann. Er ist es, der jetzt Bewegung in die Augsburger Museumslandschaft bringen muss.