DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Montag, 03.03.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kultur

„Die Jüdin und der Kardinal“ – Erinnerungsarbeit im Staatstheater Augsburg

Das Dokumentarstück  „Die Jüdin und der Kardinal“ zeigt ein politisches und menschliches Dilemma und lässt die Zuschauer nachdenklich zurück.

von Halrun Reinholz

Bei der Aufführung des dokumentarischen Theaterstücks „Die Jüdin und der Kardinal“ ist das Augsburger Staatstheater Kooperationspartner mit dem Theater Kempten. Leo Hiemer hat es geschrieben, nachdem er auf umfangreiches Dokumentationsmaterial zu Kardinal Faulhaber gestoßen war, der aufgrund seiner widersprüchlichen Rolle im Nationalsozialismus bis heute umstritten ist. Hiemer stieß unter anderem auf Faulhabers Tagebücher. Darin kommt auch Lotte Eckart vor, deren verstorbener Mann Wilhelm im Ersten Weltkrieg mit Kardinal Faulhaber zu tun hatte und (wie aus dem Stück hervorgeht) dafür gesorgt hat, dass Faulhaber das Eiserne Kreuz erhielt. Im Gegenzug hatte dieser sich dafür eingesetzt, dass der Katholik Wilhelm Eckart sich mit der Jüdin Charlotte katholisch trauen lassen konnte. Erst nach dem Tod ihres Ehemanns und der Verschärfung der Rassengesetze kam Charlotte Eckart auf Kardinal Faulhaber zu, weil sie sich und die später geborene Tochter taufen lassen und seine Unterstützung für die Auswanderung nach Amerika haben wollte.

"Die Jüdin und der Kardinal" - Foto: Jan-Pieter Fuhr

„Die Jüdin und der Kardinal“ – Foto: Jan-Pieter Fuhr

Das Stück, inszeniert von Silvia Armbruster, ist wie ein dokumentarisches Hörspiel aufgebaut und setzt an, als Lotte den Kardinal im Jahr 1935 zum ersten Mal aufsucht, wobei bis 1941 weitere Besuche folgen, 14 waren es insgesamt, über die der Lauf der Ereignisse vorgeführt wird. Das künstlerische Mittel, diese Fakten dokumentarisch zu verwerten, schien für die Regisseurin das Hörspiel zu sein und so ist die Inszenierung sozusagen die Produktion eines Hörspiels. Warum das erst einmal wie ein Slapstick anmutet, wenn die Darstellerin der Charlotte hektisch eintrifft und sich sehr schräg einsingt, erschließt sich den Betrachtern nicht. Doch die Form des Radio-Hörspiels ist dem Thema durchaus angemessen, zumal die Fakten zur Geschichte nur bruchstückhaft sind. Sie gipfeln darin, dass derselbe Kardinal, der sich nur zögerlich für Charlotte einsetzte (und von seinen Mitarbeitern zudem immer wieder ausgebremst wurde), sodass die Auswanderung für sie und ihre Tochter letztlich nicht rechtzeitig erfolgen konnte, sich nach Kriegsende für die Begnadigung des „Schlächters von Warschau“ stark gemacht hat, weil dieser „seine Taten bereut“ habe.

Eindrucksvoll für die Zuschauer ist vor allem die Leistung der Darsteller. Vom Theater Augsburg ist Klaus Müller als Kardinal Faulhaber hier in der ersten Reihe dabei – mit differenziertem Mienenspiel und Körpereinsatz, zuletzt als Tattergreis im Rollstuhl. Charlotte Eckart wird von Corinne Steudler verkörpert, einer unglaublich gelenkigen Musical-Darstellerin, die im Zusammenspiel mit dem Kardinal mit ihren Forderungen, aber auch mit ihrer Naivität, sehr überzeugend wirkt.

Das Hörspiel-Konzept erfordert viel Musik- und Sound-Unterstützung, die von Rainer von Vielen und sein Bandmitglied Michael Schönmetzer gewährleistet wird, unterstützt von Tonmeister Erasmus Gerlach und der „Tonassistentin“ Sandra Schmidbauer, die pausenlos mit ihrem Mikro präsent ist. Alle übernehmen auch Rollen, Rainer von Vielen und Michael Schönmetzer brillieren wunderbar als mäßig engagiertes kirchliches Hilfspersonal in der Causa Charlotte Eckart.

„Sie sehen gar nicht aus wie eine Jüdin“, sagt der Kardinal bei deren ersten Besuch zu Charlotte. „Wie sieht denn eine Jüdin aus?“, kontert sie. Dieser Dialog zeigt das Dilemma der Situation, die von so vielen Betroffenen fatalerweise nicht ernst genommen wurde, auf zugespitzte Weise. Ein Theaterabend, der die Zuschauer nachdenklich zurücklässt.