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Donnerstag, 21.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Die Augsburger Stadtregierung gibt ein verheerendes Bild ab

Neun Monate vor der Kommunalwahl 2020 outet sich die Augsburger Stadtregierung, ein Bündnis von CSU, SPD und den Grünen, mit allen Facetten der Schuldzuweisungen als genau das, was die Dreierkoalition seit Mai 2014 immer war, nämlich als ein künstlich zusammengefügtes und nie zusammenwirkendes Fehlsystem. Das „Regierungsbündnis“ steht für eine steile Negativkurve und einen politischen Niedergang, der der Stadt Augsburg noch lange zu schaffen macht.

Kommentar von Siegfried Zagler

 Muss sich die Stadt trotz hoher Steuereinnahmen und stabiler Wirtschaftslage weiter verschulden? – Foto © DAZ

Doch beginnen wir mit dem großen Erfolg der Gribl-Ära, der Universitätsklinik. Mit einem Herkules-Akt wurde das Mammut-Projekt von Horst Seehofer eingeleitet. 1.500 neue Arbeitsplätze sollen in den kommenden Jahren entstehen. Zurückzuführen ist das auf OB Kurt Gribl, der die Verstaatlichung des Zentralklinikums sehr früh auf seiner Agenda hatte und mit großer Energie vorantrieb. Eine große Sache mit einem großen Fragezeichen: Verschlechtert die Uniklinik die allgemeine gesundheitliche Versorgung der Region? Zwischendurch sah es nämlich genau danach aus. Dass dies der Fall sein könnte, ist noch nicht ganz ausgeräumt, da in der Notfallmedizin Engpässe zu erkennen sind.

Gescheiterte Verkehrspolitik

Das zweite Großprojekt, an dem die aktuelle Stadtregierung zu messen ist, ist die sogenannte „Mobilitätsdrehscheibe“. Ein Verkehrsprojekt, das den ÖPNV besser mit dem Schienenverkehr der Bundesbahn verbinden soll. Eine Idee des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Paul Wengert und dem damaligen Regenbogenbündnis, das in der Hauptsache aus der SPD und den Grünen bestand.

Ein Bürgerentscheid brachte das Projekt ins Stocken, der verlangte Wettbewerb verfeinerte die Wengert-Planung und Kurt Gribl und Co. versprachen Teile des Siegerwettbewerbs umzusetzen, die u.a. einen autofreien Königsplatz und einen Fugger-Boulevard vorsahen. Der Königsplatz und der Boulevard waren die städtebaulichen Versprechungen, der Boulevard wurde jedoch von Gribl und Co. auf den St. Nimmerleinstag verschoben – wegen Geldmangel. Die stets angeführte Hauptversprechung für das Riesenprojekt, nämlich eine attraktivere Innenstadt zu erhalten, ist zu einem Versprechen einer fernen Zukunft verkommen: Noch nie gab es im Herzen der Stadt mehr Leerstände als heute, noch nie einen Busbahnhof zwischen Königsplatz und Theater, wo eine Sichtlinie vom Theater bis zum Theodor-Heuss-Platz und ein Prachtboulevard versprochen war.

Die Verkehrssituation hat sich in Augsburg nach dem Umbau trotz einer zusätzlichen Straßenbahnlinie im Gesamten eher verschlechtert als verbessert. Die Straßenbahnlinie 6 führt ins Nichts und bringt mit zu wenigen Fahrgästen kaum Entlastung. Zur Weihnachtszeit entstehen Großstaus aus dem Nichts. Zur Berufsverkehrszeit bilden sich täglich Staus, die es vorher nicht gab. Die Straßenbahnlinie 5, die in der Planungsänderung feststeckt und weit entfernt von einer Genehmigung ist und schon vor der Planfeststellung ihre Spur gewechselt hat, lässt bei der Augsburger Bevölkerung den Eindruck entstehen, dass diese Linie nicht planbar ist und somit nicht notwendig ist. Eine Linie übrigens, die zur verkehrspolitischen Begründung für den Bahnhofsumbau ersonnen wurde. 

Auch nach der Fertigstellung der Linie 5, falls sie denn kommen sollte, werden weiterhin täglich 20.000 Autos die vierspurige Stadtautobahn (Karlstraße/Leonhardsberg) mit hohem Tempo befahren. Eine vierspurige Stadtautobahn zwischen Perlach und Dom, die jeden Tag von früh bis spät brummt, wo sich mitten im historischen Stadtkern Staus bilden, Lärm und Dreck produziert wird: Wo gibt es das sonst noch? 

Dass sich die Stadt Augsburg vorübergehend um den Titel „Fahrradstadt“ bemühte, klingt angesichts dieser Hässlichkeit wie ein Witz. Die Augsburger Straßen sind in einem katastrophalen Zustand. Acht Millionen Euro hätten jährlich dafür verwendet werden müssen, um die Straßen in Schuss zu halten. Drei Millionen sind über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg nur verwendet worden. 

Die gesamte Verkehrssituation in Augsburg bleibt weiterhin im hohen Maße unbefriedigend, wie der Vorstoß von Ignaz Walter zeigte. Walter wollte eine weitere Tiefgarage in der Innenstadt bauen. Kein Wunder, dass Eva Weber, die neue OB-Kandidatin der CSU, ein neues Referat mit einem Mobilitätsreferenten schaffen will. 

Falls dieser tatsächlich kommen sollte, dürfte zu seinen vornehmsten Aufgaben gehören, die verunglückte Tarifreform der Stadtwerke zu reformieren. Eine Reform, die von den Grünen und der CSU im Stadtrat für gut befunden wurde. Das erste Desaster dieser Stadtregierung ist übrigens auf einen Konflikt zwischen der SPD und der CSU zurückzuführen, die bei einem Sozialticket für Bus und Bahn zu viele Kompromisse finden mussten, sodass das Ticket gesetzwidrig war und vom Augsburger Verwaltungsgericht kassiert wurde. Die Stadtregierung musste nachbessern und wenig später nahmen die Stadtwerke dieses politische Ticket ganz aus dem Programm und ersetzten es durch eine schlichte Alternative.

Selbstbereicherung und rechtswidrige Beschlüsse

An den ersten Skandal der aktuellen Stadtregierung soll an dieser Stelle ebenfalls erinnert werden. Gemeint ist die „Reform der Aufwandsentschädigung“, die den Fraktionsvorstehern der CSU und der SPD in einem beispiellosen Akt der Selbstbereicherung wesentlich höhere Gelder zusprach, und dies nachträglich. 

Die Nachträglichkeit wurde vom Münchner Verwaltungsgericht kassiert. Von allen Medien wurde diese Obszönität gegeißelt. Weitere Beschlüsse der Stadtregierung, die von den zuständigen Gerichten kassiert wurden: Die Erweiterung der verkaufsoffenen Sonntage, das Rathaus-Redeverbot für die damalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry sowie die Nichtzulässigkeit des ersten Bürgerbegehrens zur Fusion: „Ein größeres Vorstrafenregister einer Kommune hat es noch nie gegeben“, spottete die DAZ.

Geldverschwendung – Fusion – 28 Millionen und ein Schwarzbau

Wie viele der zahlreichen neuen Stellen, die von dieser Stadtregierung geschaffen wurden, tatsächlich nötig waren und sind, kann an dieser Stelle nicht beschrieben werden. Gesichert ist aber, dass es noch nie so viele neue Stellen gab, wie in dieser Stadtratsperiode, ohne dass dies politisch diskutiert wurde, wie das noch in der ersten Stadtratsperiode von OB Kurt Gribl der Fall war. Jeder Koalitionspartner im Dreierbündnis bekam genau die Stellen, die er wollte. 

Viel Geld ging der Stadt durch die gescheiterte Idee der Fusion verloren. Ein Bürgerentscheid stoppte das Vorhaben, Erdgas Schwaben und die Energiesparte der Stadtwerke fusionieren zu lassen. Zirka 5 Millionen Euro sollen dafür verbrannt worden sein. 

28 Millionen Euro standen auf der Kippe, weil ein zum Sozialreferat gehörendes Amt einen Fördergeldantrag nicht rechtzeitig abgab. Während der Phase der städtischen Reparaturbemühungen fuhr der zuständige Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) in den lang geplanten Urlaub, von dem er zurückgepfiffen wurde. Kiefers Stuhl wackelte und hätte OB Gribl nicht zusammen mit der CSU zirka 25 Millionen Euro für die Stadt gerettet, indem sie ein Gesetz veränderten, wäre Kiefer gestürzt. Mit einem Sozialbürgermeister, der durch dieses Desaster zur lame duck wurde, ist die Augsburger SPD geschlagen. Punkten lässt sich mit Kiefer jedenfalls nicht mehr – auch nicht für die Stadt. Wenige Wochen vor Kiefers Fall, wurde er von OB Gribl abgeschrubbt, weil er via Medien die CSU dafür verantwortlich machte, dass es bei der Stadt mit dem Kita-Ausbau so langsam vorangehe.

Schwache Referenten: Kiefer, Wurm, Weitzel, Weber, Erben und ein Watschenmann der besonderen Art

In regelmäßigen Abständen gab Ordnungsreferent Dirk Wurm, der zweite SPD-Referent, ein Bild des Jammers ab. Im Vorfeld des AfD-Parteitags, zu dem eine Großdemonstration angekündigt war, fuhr er ebenfalls in den Urlaub. Die ersten Willi-Reiser-Vergleiche wurden kolportiert. Auch Wurm musste seinen Urlaub unterbrechen und nonchalant wie er nun mal ist, fotografierte er den Flieger, der ihn nach Augsburg zurückbrachte und stellte das Foto mit einem ironisierenden Spruch auf Facebook. 

Die CSU ließ Wurm in Sachen Standort für den Süchtigentreff ins Leere laufen. Kennzeichnete eine von ihm genehmigte Gastronomiehütte als „Schwarzbau“, verhinderte seine Beschlussvorlage in Sachen „Wildtiere für Zirkusse“. Zuletzt wurde er sogar von der CSU via Pressemitteilung verspottet: „Was lange währt, wird niemals gut: So könnte man die seit Jahren andauernden Gespräche des zuständigen Ordnungsreferenten mit der IG Historisches Augsburg e.V. betiteln.“ 

Es geht um die sogenannten „historischen Feste“, eine Art Kauf-Event mit Mittelalterklamauk, mit dem man normalerweise gute Geschäfte machen kann. Die CSU hat diesen Punkt als Wahlkampfthema entdeckt und will nun zusammen mit der Regio und dem Kulturreferat ein neues historisches Partyformat entwickeln. Weshalb sie die „IG Historisches Augsburg“ fördern und mit dabei haben will, ist schleierhaft. Der Verein hat bisher kaum überzeugende Arbeit abgeliefert.

Dirk Wurm mag ein schwacher Referent sein, aber er weiß sich zu wehren, wenn er im Wind steht – im Gegensatz zum Kulturreferenten, der sich so klein gemacht hat, dass er bei der kleinsten Brise Deckung sucht und findet. Die Rede ist von Thomas Weitzel, der in den langen fünf Jahren seiner Amtszeit Präsident der Mozartgesellschaft geblieben ist und gedanklich nie seinen Beamtenstuhl im Kulturamt verlassen hat. Weitzel ist parteilos und somit zum Spielball der Parteien geworden. Er hat den würdelosen Abschied der ehemaligen Stadttheater-Intendantin zu verantworten. Konnte nur mit viel Mühe und mit großer Verzögerung seine Vorstellungen zum Brechtfestival realisieren. Das Brechtfestival wie das Mozartfestival haben sich nicht fortentwickelt. Das Mozarthaus wurde zu spät saniert. Der Bahnpark dümpelt vor sich hin. Auch die zähe Angelegenheit Höhmannhaus hat viel höhere Wellen geschlagen als nötig. Thomas Weitzel macht keine Vorgaben, keine Politik, schafft keine Agenda, sondern arbeitet Vorhandenes ab. Er ist ein mutloser Referent, der lieber ein Gutachten in Auftrag gibt als eine Entscheidung zu treffen. Ein Referent ohne Tat und ohne Wirkung, also ein Mann, der ohne Risikobereitschaft immer in Deckung bleibt und nach dieser Stadtratsperiode schnell in Vergessenheit geraten wird.

Der Grüne Referent Reiner Erben wurde bei den umstrittenen Baumfällungen am Herrenbach von Kurt Gribl via OB-Verfügung zum ersten dankbaren „Watschenmann“ gemacht. Erben ließ sich alles gefallen und vollstreckte, was er nicht vollstrecken wollte. Die Baumfällungen am Herrenbach sorgten für erheblichen politischen Widerstand bei der Bürgerschaft und wochenlang für schlechte Presse. Bisher gibt es kein Grünes Projekt, das man mit dem Wirken von Reiner Erben in Verbindung bringen könnte. Erben war ein williger Mitanschieber bei der Fusion, die die Augsburger Grünen in der Mitte zerriss und für schwere innerparteiliche Verwerfungen sorgte.

Eva Weber steht für Rekordverschuldung und eine falsche Steuerpolitik

Eva Weber, die als Bürgermeisterin das Wirtschaftsreferat und das Finanzreferat leitet und gerne gute Laune verbreitet, hat ebenfalls keine gute Performance zu bieten. Kuka baut stellen ab, MAN hat schon Stellen abgebaut, aus der Haunstetter Flugzeugschmiede vernimmt man ähnliche Pläne. Weltbild ist verschwunden, Fujitsu und auch Ledvance (ehemals Osram) gibt es in Augsburg nicht mehr. Von einem Zuzug eines größeren Unternehmens ist die Stadt noch weit entfernt. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, der sich seit der Bekanntgabe seines Rückzugs aus dem politischen Tagesgeschäft verabschiedet hat, hat kürzlich in seiner Sonntagskolumne die wirtschaftlichen Stabilität der Region hervorgehoben, die deshalb gewährleistet sei, weil es so viele erfolgreiche mittelständische Unternehmen und Kleinbetriebe in der Region gebe. Doch genau dieser leistungsstarken Gruppe fügt Eva Weber mit ihrer Steuerpolitik, die auch innerhalb der CSU für Kritik und Verwerfungen sorgte, Schmerzen zu. Weber erhöhte mitten in der Legislaturperiode den Hebesatz für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer. In Zeiten wirtschaftlicher Prosperität und hohen Steuereinnahmen sollte der Staat die Steuerbelastungen zurückschrauben, wie es in jedem Handbuch für Volkswirtschaftler steht.

Eva Weber hat als Finanzreferentin die Rekordverschuldung der Stadt Augsburg zu verantworten. 421 Millionen Euro Schulden stehen zu Buche. Kurt Gribls Enkelkinder werden als Steuerzahler diese Last noch zu begleichen haben. Die Rechtfertigung hierfür: die Finanzierung der Theatersanierung und die Finanzierung der Schulsanierungen. Doch seit geraumer Zeit steht fest, dass ein geschnürtes Finanzierungspaket sicher nicht ausreicht.

Politisches Fiasko oder weitere Neuverschuldung? 

Muss die Stadt die Pläne der Theatersanierung überdenken? Grafik © DAZ

Die Schulsanierung sollte als Gesamtprojekt gestoppt werden, wie im letzten Bildungsausschuss beschlossen werden sollte, weil sich die Kosten für den Brandschutz fast verdoppelt haben. Doch die Beschlussvorlage von Bildungsreferent Hermann Köhler wurde von der SPD, den Grünen und der CSU bekämpft. So kurz vor der Wahl wäre diese Beschlussvorlage, hätte ihr der Fachausschuss zugestimmt, zu einem tödlichen Bumerang geworden. Die drei Regierungsparteien versuchen Zeit zu gewinnen, indem sie Beratungsbedarf anmeldeten. Die SPD forderte flugs eine neue Finanzierung, was auf eine weitere Verschuldung hinausliefe. Den „Watschenmann“ der besonderen Art gab Bildungsreferent Hermann Köhler (CSU), der in seiner Eigenschaft als Schulreferent weder mit den betroffenen Schulen noch mit den Fraktionen gesprochen haben soll.

Stadtregierung nicht arbeitsfähig 

Unter den politischen Beobachtern hatte niemand den Eindruck, dass man es mit einer arbeitsfähigen Stadtregierung zu hat. Dass sich ein Bildungsreferent dergestalt weit aus dem Fenster lehnt, könnte aber auch damit zu tun haben, dass „Watschenmann“ Köhler mit seiner Beschlussvorlage die dafür eigentlich zuständige Finanzreferentin schützen musste. Die CSU-Oberbürgermeister-Kandidatin Eva Weber ist es nämlich, die in ihrer Eigenschaft als Finanzreferentin zu beschließen hätte, welches Projekt aus finanziellen Gründen aufgeschoben werden soll und welches nicht.

Schulen sollten zügig saniert werden, die Neubauten beim Theater könnten abgeblasen werden

Die Angelegenheit ist deshalb von großer Bedeutung, weil bereits die ersten Stimmen zu vernehmen sind, dass man die Schulsanierung im Zusammenhang mit der Theatersanierung sehen muss. Eine Schulsanierung zu verzögern, während man ein gleichzeitig ein Theater zügig saniert, wäre politisch nicht zu verantworten. Schule gehört zu den Pflichtaufgaben einer Kommune, Theater nicht. Falls man keine neuen Schulden aufnehmen kann und will, könnte man bei der Theatersanierung abspecken, auf Bauteil 2 und 3 verzichten, nur das Große Haus sanieren und fertig. Die dadurch frei gewordenen Mittel könnte man in die Schulsanierungen stecken, falls der Freistaat mitspielt.

Käme es so, könnte man Eva Weber und der aktuellen Stadtregierung schwere Planungs- und Finanzierungsfehler vorhalten, weshalb es wohl so nicht kommen wird. Es sei denn, die Bürgerschaft reagiert und zwingt die Politik zu einer Kreditumschichtung. Die letzte (aber nicht einzige) Möglichkeit dazu, wäre der 15. März 2020. An diesem Tag wird der neue Stadtrat gewählt.