... AUSGELEUCHTET
Hat die Ludwigstraße Platz für Baumreihen?
Auf einer Veranstaltung am 13. September, bei der Visionen zur Aufwertung des nicht existierten Theaterviertels diskutiert wurden, plädierte die altaugsburggesellschaft laut einem Bericht in der Augsburger Allgemeinen für „zusätzliche Baumreihen in der Ludwigstraße“. So schön die Vorstellung eines urbanen Raums, in dem Grün die Hauptrolle spielt, auch sein mag: Bietet die Ludwigstraße überhaupt Platz für Baumreihen?
Ausgeleuchtet:
Baumreihen in der Ludwigstraße sind nicht möglich.
En détail:
Innerstädtische Straßen werden in Deutschland nach der „Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 2006) geplant, einer anerkannten Regel der Technik. Straßen mit Bebauung werden darin zwei Kategorien zugeordnet:
- HS-Straßen: Innerörtliche Hauptverkehrsstraßen, oft Teil überörtlicher Verbindungen. Sie erschließen auch direkt anliegende Nutzungen, tragen ÖPNV-Linien, haben meist Radwege und erlauben i.d.R. 50 km/h.
- ES-Straßen: Erschließungsstraßen für Wohnen, Arbeiten und Versorgung, überwiegend einbahnig, mit Tempo 30. Sie dienen dem Aufenthalt, der Grundstückszufahrt und einem Großteil des Radverkehrs, teils auch dem ÖPNV.
Innerhalb dieser Kategorien behandelt die RASt 2006 u.a. Wohnwege und Wohnstraßen, Quartiersstraßen, Geschäftsstraßen sowie Gewerbe- und Industriestraßen und enthält die dafür erforderlichen Straßenquerschnitte.
Die Ludwigsstraße ist eine typische Quartiersstraße
Bei der 200 Meter langen Ludwigstraße handelt es sich um eine Quartiersstraße. Merkmale von Quartiersstraßen sind:
- Funktion als Zufahrtsstraße,
- durchgehende, dichte Bebauung, meist alteingesessen,
- eine gemischte Nutzung aus Wohnen, Gewerbe und Dienstleistung,
- Abschnittslängen zwischen 100 und 300 m,
- Breiten ab 12 m,
- ein Verkehrsaufkommen von 400 bis 1.000 Kfz/h.
Mit oder ohne Bäume?
Für Quartiersstraßen ohne ÖPNV-Nutzung gibt es gemäß RASt 2006 nur zwei mögliche Querschnitte:
- eine Lösung ohne Bäume ab 12 Metern Gesamtbreite oder
- eine Lösung mit Bäumen ab 15,5 Metern Gesamtbreite.
Datengrundlage: RASt 2006, Bearbeitung: DAZ
Die Ludwigstraße ist nur etwa 12 Meter breit (11,90 m auf Höhe der Hausnummer 17). Damit scheidet die RASt-Lösung mit zwei Baumreihen aus.
Kein Selbstzweck, sondern Folge des erforderlichen Verkehrsraums
Warum die Festlegungen in der RASt 2006 kein akademischer Selbstzweck sind, erklärt sich aus dem für den Verkehr erforderlichen Lichtraum. Jede Straße hat ein Lichtraumprofil. Dieses legt den Raum über und neben der Fahrbahn fest, der frei von Hindernissen sein muss.
Der freie Lichtraum dient dazu, die Sicherheit für den Verkehr zu gewährleisten und die Durchfahrt von Fahrzeugen – auch hohen oder breiten (z.B. Lkw, Busse, Einsatz- und Rettungsfahrzeuge, Müllabfuhr) – zu ermöglichen.
Gemäß RASt 2006 sind Lichträume ausschließlich für die Verkehre frei zu halten – auch von Bewuchs. Die Maße der Lichträume ergeben sich aus den Verkehrsräumen zzgl. 50 cm Sicherheitsraum. Fahrzeuge dürfen nach StVO vier Meter hoch sein; über Straßen beträgt die Höhe des Lichtraums somit 4,50 m. Für Geh- und Radwege ist eine lichte Höhe von 2,50 m anzusetzen.
Bäume brauchen Platz
Ermittelt man das Lichtraumprofil der Ludwigstraße, erkennt man sofort die Sinnhaftigkeit der Regelungen der RASt 2006: Bäume haben in 12 Meter breiten Quartiersstraßen einfach nicht Platz. So würde ein 7 Meter hoher Baum mit einem Kronendurchmesser von 4,50 Meter – auch auf dem breiteren der beiden Gehwege – etwa einen Meter in die Häuserfassaden einwachsen müssen und 1,5 Meter in den Lichtraum ragen; ein Verstoß gegen die Regeln der Dendrologie und gegen die anerkannten Regeln der Technik.
Fazit: Baumreihen in der Ludwigstraße sind nicht möglich.
Grafik und Foto Ludwigstraße: DAZ