Realschule Augsburg-Ost: Beschluss gefasst – und das politische Armutszeugnis gleich mit
Nach Jahren des Zauderns hat der Augsburger Stadtrat Ende Oktober endlich entschieden: Die neue Realschule im Osten der Stadt soll an der Albrecht-Dürer-Straße entstehen. Nach langem Ringen und zahlreichen Standortvergleichen fiel der Beschluss einstimmig. Bildungsbürgermeisterin Martina Wild sprach von einem „Mehrwert“ durch die Nähe zum Bayernkolleg, CSU-Stadtrat Horst Hinterbrandner lobte die gute Erreichbarkeit, und am Ende gab es sogar Applaus. Was wie ein Fortschritt klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Dokument der Mutlosigkeit. Denn die Stadt plant eine Schule, die sie dringend braucht – aber so, als hätte sie alle Zeit und alles Geld der Welt.
Von Alexander Meyer
Baufeld an der Albrecht-Dürer-Straße, links das Bayernkolleg – Foto: Alexander MeyerEin Zeitplan, der jeden Ehrgeiz vermissen lässt
Baureferent Steffen Kercher nennt 2036 als voraussichtliches Fertigstellungsjahr. Elf Jahre für Planung und Bau – das ist kein Zeitplan, das ist ein Offenbarungseid. Schon jetzt pendeln jedes Jahr mehrere Hundert Augsburger Schülerinnen und Schüler in Nachbargemeinden, weil die Stadt zu wenig Schulplätze bietet. Trotzdem kalkuliert man so, als ginge es um ein zweites Stadttheater und nicht um eine Realschule.
In der Privatwirtschaft würde ein Bauprojekt dieser Größenordnung in 5 Jahren stehen – mit vergleichbarer Qualität, aber klareren Entscheidungen und kürzeren Wegen. Doch Augsburg scheint sich an die Langsamkeit gewöhnt zu haben. „Konservativ planen“ heißt im Verwaltungsdeutsch: Wir rechnen lieber mit Stillstand und nennen es Sicherheit. So entsteht ein Paradox: Weil man Risiken vermeiden will, riskiert man das Offensichtliche – die Kinder, die eine Schule dringend brauchen sind längst erwachsen, bis die Schule fertig ist.
Die 120-Millionen-Frage
Mindestens so irritierend wie die Zeitplanung sind die Kosten. In der offiziellen Beschlussvorlage ist von rund 121 Millionen Euro Baukosten die Rede. Davon entfallen knapp 18,4 Millionen Euro auf die Erschließung – also auf Straßen- und Verkehrsanpassungen. Für den eigentlichen Schulbau bleiben damit gut 102 Millionen Euro. Konkrete Flächen- oder Quadratmeterangaben nennt die Stadt nicht. Doch auf Basis üblicher Richtwerte lässt sich eine realistische Nutzfläche von etwa 8.700 Quadratmetern einschließlich einer Dreifachturnhalle schätzen.
Legt man diese Schätzung zu Grunde, kostet jeder Quadratmeter dieser Schule rund 11.700 Euro. Der bayerische Richtwert liegt bei 6.900 Euro. Augsburg plant also rund 70 Prozent teurer als der Landesdurchschnitt. Zieht man die Dreifachturnhalle (rund 11 Millionen Euro) und eine Tiefgarage mit 100 Stellplätzen (etwa 3 Millionen Euro) ab, bleiben rund 88 Millionen Euro für das eigentliche Schulgebäude mit ca. 6.800 Quadratmetern Nutzfläche. Das entspräche dann einem Wert von fast 13.000 Euro pro Quadratmeter!
So teuer wie Gold
Umgerechnet auf den einzelnen Schulplatz ergibt das 85.000 bis 100.000 Euro. Zum Vergleich: Realschulen ähnlicher Größe kosten andernorts wesentlich weniger. Als Beispiele aus den letzten Jahren seien genannt:
Vor diesem Hintergrund stellt sich im Übrigen die Frage, warum in Augsburg der Neubau der Johann-Strauß-Grundschule für 425 Kinder 60 Millionen Euro kostet, während andere Städte für den gleichen Betrag eine Realschule für 1.000 Schüler realisieren.
Bürokratie als Bauform
Es besteht der Verdacht: Was Augsburg plant, kostet nicht wegen der Architektur oder der besonders guten Ausstattung, sondern wegen Bürokratie, besonderen Auflagen und der Absicherung der Verwaltung gegen befürchtete Vorwürfe bei Kostensteigerungen.
Jede Planänderung zieht neue Gutachten und Abstimmungen nach sich, jede bürokratische Schleife verzögert den Prozess. So wächst ein Apparat, der mehr Energie darauf verwendet, Entscheidungen abzusichern, als sie zu treffen. Verantwortung wird verteilt, bis sie verdampft. Das Ergebnis ist ein Verfahren, das auf Transparenz zielt, aber Unbeweglichkeit und enorme Kosten erzeugt. Und eine Stadt, die sich in der eigenen Vorsicht verliert.
Mut wäre billiger
Dass Augsburg in Zeiten knapper Kassen und steigender Baupreise ein Schulprojekt über elf Jahre streckt, ist nicht einfach ein Verwaltungsproblem – es ist ein politisches. Der Mangel an Entschlossenheit kostet Millionen. Mit straffer Planung und klarer Verantwortung ließe sich dieses Projekt vielleicht für 80 Millionen Euro und in sechs bis sieben Jahren umsetzen.
Weiterführende Links:
Festsetzung von Kostenrichtwerten
(Stand 14. Februar 2025; Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat)
Johann-Strauß-Grundschule Augsburg
(59,1 Mio. Euro, 425 Schüler)
Realschule Donaueschingen
(55,9 Mio. Euro, 1.000 Schüler)

    
    
    



