Moderne Landmarken der Stille
Das schwäbische Donautal um Dillingen ist seit fünf Jahren um ein außergewöhnliches Ensemble reicher: sieben moderne Kapellen, die zwischen 2018 und 2020 entstanden sind. Sie greifen die alte Tradition der Wegkapellen auf – Orte, die einst Reisenden Orientierung, Schutz und einen Moment der Ruhe boten. Die DAZ hat vier der sieben Kapellen besucht.
Von Bruno Stubenrauch
Die Idee zum Projekt „Sieben Kapellen“ stammt von Peter Fassl, dem damaligen Heimatpfleger des Bezirks Schwaben. Finanziert wurde es von der Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung. Fassls Konzept war es, die Kapellen als kulturelle Landmarken zu verankern, die sowohl spirituelle wie auch architektonische Dimensionen eröffnen.
Spannender Parcours aus Holz
Der Heimatpfleger setzte dabei bewusst auf die Zusammenarbeit mit namhaften Architekten – darunter auch überregional bekannte Größen – um Vielfalt und künstlerische Tiefe zu gewährleisten. Gemeinsam ist allen Bauwerken der Werkstoff Holz, der auf die Wurzeln der Stifterfamilie verweist: Siegfried Denzel führte jahrzehntelang ein erfolgreiches Holzunternehmen.
Ansonsten zeigt jede Kapelle die unverwechselbare Handschrift ihres Architekten. Das Ergebnis ist ein spannender Parcours zwischen Natur, Spiritualität und moderner Gestaltung, der Radfahrer, Wanderer, Pilgernde wie Architekturinteressierte gleichermaßen anzieht.
Handschrift der Meisterarchitekten
Besonders deutlich wird der überregionale Anspruch des Projekts an den Kapellen von Volker Staab und Christoph Mäckler. Beide sind durch bedeutende Bauwerke in Deutschland bekannt, die für ihre präzise Formensprache und ihren sensiblen Umgang mit dem Kontext geschätzt werden.
Volker Staabs Kapelle in Kesselostheim erinnert an seinen gerade entstehenden Erweiterungsbau des Bauhaus-Archivs in Berlin: ein schlichtes, klares Volumen, das in seiner Konzentration auf Form und Material zu einem kraftvollen Ort der Stille wird.
Ähnlich verhält es sich bei Christoph Mäckler. Er ist bekannt für Bauten wie die Kunsthalle Portikus in Frankfurt am Main, deren steiles, schiefergedecktes Giebeldach die europäische Bautradition modern interpretiert. Mit dieser Dachform gelingt ihm auch in Oberthürheim ein über die Maßen prägnantes Bauwerk.
Wilhelm Huber zeigt – wie in seinen früheren Arbeiten – mit der „Blaue Kapelle“ von Emersacker, wie sich Architektur zurücknimmt und dennoch starke Zeichen in der Landschaft setzen kann.
Frank Lattke wiederum ist seit Jahren für seine Holzbauarchitektur bekannt. Mit der Kapelle in Oberbechingen gelingt ihm ein Bau, der die Qualitäten des Materials eindrucksvoll zur Geltung bringt: Ruhe ausstrahlend, warm, reduziert und zugleich handwerklich präzise.
Orte der Ruhe im Spätsommer
Die sieben Kapellen sind frei zugänglich, schlicht gestaltet und bewusst ohne Heiligenfiguren oder Votivtafeln gehalten. Sie öffnen einen Raum für jeden, der Stille und Innehalten sucht – unabhängig vom Glauben.
Gerade jetzt im Spätsommer entfalten sie eine besondere Wirkung: wenn warmes Licht über die Felder zieht, wenn sich Landschaft und Baukunst auf eindrückliche Weise verbinden. Wer unterwegs ist auf den Rad- und Wanderwegen des Donautals, findet hier nicht nur Stationen der Ruhe, sondern auch ein herausragendes Stück zeitgenössischer Architektur mitten in der Natur.
Die sieben Kapellen im Überblick
(Standorte & Architekten)
- Gundelfingen – Hans Engel (Augsburg)
- Emersacker („Blaue Kapelle“) – Wilhelm Huber (Kempten)
- Buttenwiesen (Ludwigsschwaige) – Alen Jasarevic (Mering)
- Oberbechingen – Frank Lattke (Augsburg)
- Oberthürheim – Christoph Mäckler (Frankfurt a.M.)
- Unterliezheim – John Pawson (London)
- Kesselostheim – Volker Staab (Berlin)
Alle Kapellen liegen im Landkreis Dillingen a.d. Donau, gut erreichbar über Rad- und Wanderwege, weniger gut mit dem PKW (Stille!).
Webseite „Sieben Kapellen an den Radwegen im Schwäbischen Donautal“: 7kapellen.de