Ende einer Ära: Wo waren die Denkmalschützer?
Fast 60 Jahre nach dem Beginn der Atomenergie in Gundremmingen verschwindet eines ihrer letzten sichtbaren Zeichen: Die markanten Kühltürme des ehemaligen Kernkraftwerks werden am Samstag, 25. Oktober 2025 gesprengt – ein symbolträchtiger Moment für den Rückbau des einst größten Atomstandorts Deutschlands.
Von Bruno Stubenrauch
Das Kernkraftwerk Gundremmingen war ein Stück deutscher Energiegeschichte. Mit Block A ging 1966 das erste kommerzielle Atomkraftwerk der Bundesrepublik ans Netz. Nach einem schweren Störfall 1977 wurde der Reaktor stillgelegt, der Rückbau begann in den 1980er-Jahren.
Die Nachfolgeblöcke B und C, gebaut zwischen 1976 und 1984, prägten jahrzehntelang die Stromversorgung in Bayern – zeitweise lieferten sie fast ein Drittel des bayerischen Strombedarfs. Doch mit dem deutschen Atomausstieg endete auch ihre Ära: Block B wurde 2017 abgeschaltet, Block C folgte 2021 als letzter Siedewasserreaktor Deutschlands. Seitdem wird die Anlage Stück für Stück zurückgebaut; jetzt sind die Kühltürme an der Reihe.
Sprengung der Kühltürme – ein historischer Moment, aber kein historischer Bau
Eigentlich hätte man erwarten dürfen – zumindest erhoffen, dass das Landesamt für Denkmalpflege in letzter Sekunde einschreitet und die beiden eindrucksvollen Landmarken unter Schutz stellt: als Sinnbild deutscher Industrie-Architektur und als Erinnerungsort einer Ära der Menschheitsgeschichte, die in dieser Form nicht wiederkehren wird. Zumal Kühltürme die zwar sichtbarsten, aber zugleich harmlosesten Zeichen der Atomkraft sind: Wie Betreiber RWE betont, ist bei der Sprengung keinerlei radioaktive Belastung zu erwarten, denn die Türme gehörten ausschließlich zum Kühlwasserkreislauf.
Zu spät – seit Freitagabend gilt rund um die Anlage eine weiträumige Sperrzone gegen erwartete 40.000 Schaulustige. Am Samstag um Punkt 12 Uhr werden die beiden 160 Meter hohen Türme fallen: Zuerst der von Block B, 15 Sekunden später der von Block C. Laut Sprengingenieurin Ulrike Matthes werden etwa die Hälfte der 48 Stützenpaare jedes Turms gezielt gesprengt, sodass die Betonriesen kontrolliert in sich zusammensacken. 56.000 Tonnen Stahlbetonschutt warten anschließend auf ihre Verarbeitung zu hochwertigem Recycling-Schotter: Straßen-Unterbau statt Industriedenkmal.
Blick in die Zukunft
Gundremmingen selbst wird auch nach dem Abriss ein bedeutender Energiestandort bleiben. Mehr als 400 Beschäftigte arbeiten dort weiterhin am Rückbau der Reaktoren, der noch bis in die 2030er-Jahre dauern dürfte. Schon wenige Tage nach der Sprengung will RWE den Grundstein für einen riesigen Batteriespeicher legen – den bislang größten in Deutschland. Das Zwischenlager für die alten Brennelemente bleibt vorerst bestehen, bis ein bundesweites Endlager gefunden ist.
Die Sprengung der Kühltürme wird von a.tv am Samstag ab 11.30 Uhr live übertragen.





