Gesellschaft
Fußball und Menschenrechte: Der FDP und den Grünen gelingt starker Debattenbeitrag
„Menschenrechte sind nicht verhandelbar“, so hätte das Motto einer Veranstaltung lauten können, die am 8. Dezember in der Feuerwehrerlebniswelt im Augsburger Martinipark stattfand. Eine Veranstaltung, die relevante Fragen zur WM in Katar aufgriff und sich dabei nicht verhob, sondern sich angemessen auf der Bedeutungsebene des Themas befand.
Von Siegfried Zagler
Können sportliche Großereignisse frei von Politik sein? Und welche Rolle könnte der Fußball für Gleichberechtigung, Vielfalt und Toleranz leisten? Im Rahmen des Bündnisses „Augsburg statt Katar“ haben die Stadtverbände der FDP und der Grünen eine Podiumsdiskussion zum Thema „Fußball und Menschenrechte“ organisiert. Der kurzweilige Abend wurde von FDP-Stadtrat Lars Vollmar und Stadtrat Serdar Akin (Grüne) moderiert.
Digital zugeschaltet war Gyde Jensen, die in der letzten Legislaturperiode den Ausschuss für Menschenrechte im Deutschen Bundestag geleitet hat und aktuell stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion ist. Vor Ort war Tina Winklmann, die sportpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. Beide Politikerinnen steuerten im Zusammenspiel mit Luis Engelhardt, der das Präventionsprojekt „Zusammen1“ von Makkabi Deutschland e.V. leitet und Verena Sommerfeld, die das Goethe-Institut e.V. in der Jury des Fußball-Bildungspreises „Lernanstoß“ vertritt, Beiträge und Standpunkte bei, die sowohl die FIFA als auch das Veranstalterland in den Brennpunkt stellten.
Gyde Jensen wies nochmal darauf hin, dass sich der Bundestag im Vorfeld der Weltmeisterschaft im regelmäßigen Austausch mit dem Ausrichterland Katar befunden habe. Die Präsentation Katars vor der Weltöffentlichkeit als moderner Staat stehe im deutlichen Widerspruch zur Situation der Arbeiter vor Ort: “Zu Menschenrechtsverletzungen, die beim Bau der Stadien passiert sind, dürfe man nie schweigen”, so Jensen. Mit dem Schweigen setze man ein eindeutiges politisches Zeichen, indem man die Zustände hinnimmt. Deutschland sei gefragt, seinen Einfluss geltend zu machen, damit im Nachgang der WM auch eine Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen durch eine unabhängige Kommission erfolge.
Dem pflichtete Tina Winklmann bei und sie richtete ihren Fokus auf die Vergabe und die Übernahme von Verantwortung bei einer WM. „Sport ist natürlich politisch und dementsprechend liegt auf dem Sport Verantwortung. Die Vergabe der FIFA Fußball WM nach Katar sei geprägt von falschen Entscheidungen und zeige auch wie wichtig die Bekämpfung von Korruption im Sport sei. Die FIFA sei hier mehr als gefragt, Verantwortung für ihre Veranstaltungen zu übernehmen. “Wenn sich im Laufe der Zeit nach einem Vergabeprozess herausstellt wie, was abgelaufen ist, muss nachgesteuert werden. Zwischenziele sind hier ein gutes Instrument bei Vergabe von Sportgroßveranstaltungen. Wenn diese Ziele nicht eingehalten werden, muss auch über eine alternative Vergabe nachgedacht werden. Natürlich begrüßen wir, dass es durch die öffentliche Wahrnehmung in Katar gesellschaftliche und soziale Verbesserungen gibt, aber diese müssen auch gut begleitet werden um diese wachsen zu lassen und auch vor Ort gesetzlich verankert werden.“ So der Kern der Aussage von Tina Winklmann
Ähnlich argumentierte auch Luis Engelhardt: „Seit einigen Jahren werden rund um internationale Sportgroßveranstaltungen Debatten darüber geführt, ob der Sport politisch sein darf oder nicht. Bei MAKKABI Deutschland sind wir der festen Überzeugung, dass im Kontext des Sports auch gesellschaftspolitische Themen verhandelt werden. Der Sport ist und war schon immer politisch, denn Gesellschaft und Menschenrechte werden nicht an den Eingangstoren der Stadien außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig sind es aber die Verbände, die hier in einer besonderen Verantwortung stehen und ein Leuchtturm für die Gesellschaft in den Bereichen Nachhaltigkeit, Vielfalt und Menschenrechte sein müssen. Wir müssen nun aufpassen, dass wichtige Debatten rund um die WM in Qatar nicht in wenigen Wochen wieder vollends vergessen werden. Vielmehr gilt es nun umso mehr, mit der Europameisterschaft 2024 in Deutschland mit gutem Beispiel voranzugehen und Demokratie sowie internationale Solidarität zu stärken.“
Verena Sommerfeld stellte in diesem Zusammenhang Projekte vor, die sie in ihrer Tätigkeit beim Goethe-Institut begleitet hat und auch Projekte, die in den letzten Jahren mit dem Fußball-Bildungspreis „Lernanstoß“ ausgezeichnet wurden. Es sei wichtig, dass Sport und Bildung zusammengedacht würden, insbesondere auf Ebene des Jugend- und Amateursports trage der Fußball dazu bei, dass sich Menschen auf Augenhöhe begegnen. Dabei gelte es aber immer die Werte, die Deutschland vertrete anzusprechen und sichtbar zu machen.
Die erstaunlich professionell gehaltene Moderation griff zum Schluss Punkte wie dem Stellenwert des Fußballs der Frauen, dem Thema LGBTQI*-Rechte und der Bildungsarbeit durch Sport auf. Dass man in Sachen Gleichberechtigung beim Sport auch vor der Tür noch viele Barrieren zu überwinden habe, verdeutlichte Petra Kleber, stellvertretende Vorsitzende der Frauen-Fußballabteilung des TSV Schwaben Augsburg, indem sie vom Kluballtag der Bayernliga-Frauen erzählte, die nicht nur vereinsintern zu wenig wertgeschätzt werden, sondern auch von den Medien kaum berücksichtigt werden.
35 Besucher hielten trotz einiger Längen bis zum Ende durch und bereuten ihr Kommen nicht. “Die Veranstaltung hätte mehr Publikum verdient gehabt”, mag eine abgenutzte Phrase sein, in diesem Fall aber eine zutreffende. Mehr als bedauerlich auch der Umstand, dass einige Diskussionsteilnehmer lange Anreisen in Kauf nahmen (Luis Engelhardt kam aus Frankfurt), während es der FCA nicht für nötig hielt, einen Klubvertreter um die Ecke zu schicken.