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Donnerstag, 18.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Stadtrat: Wer wird Regierung, wer geht in die Opposition? – Das Neuste aus der Gerüchteküche

In allen Parlamenten der Welt sprechen zuerst die neu gewählten Fraktionen miteinander, die mehrheitlich eine Regierung bilden könnten, weil sie erstens weltanschaulich nicht zu weit auseinander liegen und zweitens eben eine regierungsfähige Mehrheit haben.

Von Siegfried Zagler

Foto © DAZ

In Augsburg läuft dieser Prozess seit Montag auf informeller Ebene, OB-Stichwahl hin oder her. Die Mehrheitsverhältnisse, die die CSU im Falle einer Koalition mit den Grünen im 60-köpfigen Stadtrat herstellen könnte, betrüge 34 zu 26. Falls Eva Weber am 29. März zur Oberbürgermeisterin gewählt werden würde, hätte eine Schwarz-Grüne Regierungskoalition im Augsburger Rathaus sogar 5 Stimmen mehr als die Opposition, die ohnehin ziemlich bunt ausfällt und deshalb kaum einheitlich gegen Schwarz-Grüne-Beschlussvorlagen stimmen würde. 

Falls man noch Christian Pettinger (ÖDP) und Lars Vollmar (FDP) mit einbinden würde, hätte Schwarz-Grün eine superstabile Mehrheit und man könnte Schritt für Schritt eine Schwarz/Grüne Umwelt- Integrations- Bau-, Verkehrs-, Kultur-, Bildungs-, Sozial, Wohnungs- und Wirtschaftspolitik in eine gemeinsame zukunftsfähige Programmatik gießen, also ein Programm entwickeln, das man als wirksames gesamtgesellschaftliches Konzept versteht und darstellt. 

Und schlagartig muss man lächeln!

Vermutlich dämmert den CSU-Granden Kränzle, Merkle, Dietz, Uhl, Schönauer und Schwab langsam, dass die CSU und die Grünen nicht nur weltanschaulich, sondern auch in ihren zentralen Inhalten kaum zusammen passen. 

Und: Die smarte Frontfrau Eva Weber verkörpert nicht die CSU, für die die Grüne Zielpolitik der Klimaneutralität im Detail den eigenen Markenkern pulverisiert: autofreie Innenstadt, Fahrradstadt, Tempo 30 in der ganzen Stadt, sofortige Abschaffung gebührenfreier Parkzeiten in der Innenstadt, sichere Hafenstadt usw. In Sachen Wohnungspolitik treibt das Grüne Portfolio der marktorientierten CSU gar den kalten Angstschweiß auf die Stirn: “eine sozialistische Folterkammer”.

Die Augsburger Grünen, soviel ist zu vernehmen, verhandeln mit breiter Brust, wollen Schlüsselreferate und Inhalte durchsetzen, die innerhalb der CSU für Verwerfungen sorgten, würde man auch nur ernsthaft daran denken, diese auf eine gemeinsame politische Agenda zu setzen. 

Die Grünen und die CSU passen nur unter zwei Voraussetzungen zusammen: Entweder sind die Grünen ein artiger Juniorpartner, der sich im Koalitionsvertrag mit Brosamen abspeisen lässt oder die CSU verbiegt sich bis zur Unkenntlichkeit, was die Augsburger Grünen derzeit wohl erwarten, da sie vom Wähler den Auftrag erhielten, auf Augenhöhe zu verhandeln.

Wen wundert es also, dass sich die Augsburger CSU nicht von den Grünen vernaschen lassen will und sich deshalb nach einem echten Juniorpartner umsieht? Also beim Wahlverlierer SPD anklopft und nachfragt, ob sie nicht Interesse daran hätte, erneut als Koalitionspartner zu fungieren. 21 und 9 würden schließlich 30 ergeben und die SPD könnte sich ja vorab einen Koalitionspartner suchen: CSU + SPD + (z.B.) Freie Wähler + Oberbürgermeister*in ergäbe schließlich 33.

Dieses Gerücht schlug gestern Vormittag bei der DAZ auf. Die CSU wollte sich dazu nicht äußern. FW-Frontmann Peter Hummel umschiffte das Thema und sagte auf Anfrage, dass man mit allen Parteien zu reden bereit sei. Auf die Frage, ob man denn bereits mit der SPD oder der CSU konkret gesprochen habe, sagte der gläubige Katholik: “Nein, konkret noch nicht.”

Im politischen Augsburg scheint derzeit alles möglich. Die CSU-Idee, die Augsburger Grünen geschmeidiger zu machen, indem man ihnen mit einer CSU/SPD/FW-Koalition droht, klingt plausibel und würde auch gut zur Verschlagenheit der CSU passen.

Bei Schachanalysen hört man nicht selten den Satz, dass eine Drohung meist stärker als ihre Ausführung sei. In der Politik droht man nicht, sondern bringt Alternativen ins Spiel, indem man Gerüchte streut.

Die Grünen haben gestern jedenfalls einen Teil ihrer Verhandlungsmasse verschenkt. In einem Rundbrief an alle Mitglieder erklärte der Grüne Stadtverband, dass er keine Wahlempfehlung zur Stichwahl abgeben werde: 

“Auch wenn unsere Grüne OB-Kandidatin Martina Wild leider nicht mehr zur Wahl stehen wird, möchten wir euch dazu aufrufen, von eurem Wahlrecht Gebrauch zu machen und in der Briefwahl abzustimmen. Setzt daher bitte am 29. März 2020 ein Kreuz bei der Person, die eurer Meinung nach am ehesten eure Inhalte und Werte vertritt. Informiert euch ausgiebig über die Ausrichtung der beiden Kandidierenden und trefft dann eure Wahl.”