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Samstag, 06.12.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Wirtschaftspolitik

Déjà-vu im „Puppenkistenviertel“

Stadt Augsburg wiederholt fatalen Fehler bei Grundstücksvergabe

Nach einem gescheiterten Anlauf im Erbbaurecht versucht die Stadt Augsburg erneut, 16 Bau­grundstücke in Lechhausen zu vermarkten. Doch statt aus Fehlern zu lernen, setzt die Verwaltung auf die gleiche rigide Bürokratie und auf variable Preise – zum Leidwesen potenzieller Käufer.

Von Bruno Stubenrauch

Neubausiedlung (Symbolbild)

Ab Montag, dem 8. Dezember, startet die Bewerbungs­phase für den Kauf von 16 städ­tischen Bau­grund­stücken für Einfamilien­häuser und Doppel­haus­hälften im Baugebiet „Westlich der Wernhüter­straße“ – wegen seiner Straßen­namen wie „Mikeschweg“ oder „Urmelstraße“ als „Puppenkisten­viertel“ bekannt. Was nach einer zweiten Chance für Kauf­interes­senten klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als frust­rie­rendes Déjà-vu: Die Stadt wiederholt die Fehler, die bereits 2024 und 2025 die Vermarktung per Erbbaurecht scheitern ließen.

Trotz des Wechsels vom Erbbaurecht zum direkten Verkauf wird der Käufer weiterhin wie ein Bittsteller behandelt, der einem behördlichen Diktat folgen muss. Die Stadt zwingt Bewerber in ein Online-Verfahren mit hochkomplexen Anforderungen. Während die Stadt darin zweifelhafte, teils schikanöse Bedingungen festschreibt, wird die Hoffnung, im Gegenzug wenigstens einen zumindest ver­günstigten Kaufpreis zu erhalten, enttäuscht.

Gescheiterte Erbbaurechtsvergabe

Schon der erste Anlauf war eine Blamage: Das Erbbau­rechts­verfahren war krachend gescheitert. 17 Be­wer­bungen in zwei Runden mündeten in null abge­schlossene Verträge. Der Grund: Die Bedingungen waren abschreckend kompliziert. Die Stadt hatte eine Fülle von Antrag­steller­beschrän­kungen, Vermögens­grenzen und Nachweis­pflichten etabliert, die das Verfahren so über­frachteten, dass am Ende kein einziger Vertrag zustande kam. Ein Auszug aus den damaligen Bedingungen verdeutlicht die Hürden:

Das Gesamtvermögen des antragstellenden Haushalts darf 300.000 € zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht übersteigen, wobei auf das gemeinsame Vermögen des/der Antragstellenden, des/der künftig im Gebäude wohnenden Partners/ Partnerin sowie aller übrigen volljährigen und nicht gegenüber dem/der Antragstellenden, dem/der jeweiligen Partner/Partnerin unterhaltsberechtigten künftigen Bewohnenden abgestellt wird.

Die Bewerber durften demnach nicht vermögend sein. Paradoxer­weise wurden sie zugleich am Ende dafür verant­wortlich gemacht, das Vorhaben nicht finanzieren zu können. Die offizielle Lesart der Verwaltung:

Letztendlich wurden alle Bewerbungen aus diversen Gründen, insbesondere der fehlenden Finanzierbarkeit des Gesamtvorhabens […] zurückgezogen.

Ein Unrechtsbewusstsein, dass das Scheitern an den eigenen rigiden Bedingungen lag, ist nicht erkennbar.

Nichts dazugelernt: Der Käufer als „Antragsteller“

Statt die Lehren aus dem Fehlschlag zu ziehen, wird nun im Kauf­verfahren nahezu unver­ändert die gleiche Geistes­haltung an den Tag gelegt: Der Käufer wird als Bittsteller behandelt, der beim Amt um Erlaubnis ersucht – nicht als Partner, der eine mittlere sechs­stellige Summe für einen Grund­stücks­erwerb bereitstellt.

Der gesamte Vorgang bleibt einseitig, bürokratisch und behördlich überformt. Der Tonfall der Richtlinien – „Der Antragsteller hat…“, „Nachzuweisen ist…“ – setzt sich fort, obwohl es sich nicht mehr um ein Erbbaurecht, sondern um ein reguläres Kaufgeschäft handelt.

Grundstücke ohne klaren Preis

Die Grundstücke werden offiziell als „erschlossen“ vermarktet, nicht unüblich. Doch anstatt dafür einen transpa­renten Endpreis zu nennen, konfrontiert die Stadt die Käufer mit drei teils unklaren Preis­komponenten. Klar beziffert wird lediglich der angefallene Erschlie­ßungs­aufwand in Euro brutto.

Unklar sind hingegen die Hausanschluss­kosten für Wasser, Strom, Tele­kommu­nikation und Fernwärme, die in Euro netto (!) „ausgewiesen“ werden und sich nach einem „derzeitig gültigem Preisstand …“ belaufen. Dazu heißt es: „Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass es sich bei den vor­genannten Preisen nur um Richtwerte handelt und diese im Einzelfall abweichen können. Vor Bewerbung (!) empfehlen wir daher eine Kontakt­aufnahme mit der swa Netze GmbH.“

Beliebige „konjunkturelle Anpassung“

Die größte Unsicherheit wird dem künftigen Käufer jedoch beim Bodenwert zugemutet. Zwar wird ein Betrag für das uner­schlossene Grundstück genannt, doch die Stadt behält sich aus­drücklich eine „konjunk­turelle Anpassung“ vor. Damit wird der Preis faktisch variabel. Bewerber wissen bis zuletzt nicht, welchen Betrag sie am Ende tatsächlich zu bezahlen haben.

Angesichts der Tatsache, dass zum 1. Januar 2026 neue Boden­richtwerte erscheinen, die sich in Augsburg in den letzten zehn Jahren verdoppelt bis verdrei­facht haben, ist das Risiko immens. Durch die Hintertür der „konjunk­turellen Anpassung“ kann die Stadt bis zum Notar­termin argumen­tieren, dass der Preis um einen möglicher­weise sechs­stelligen Betrag nach oben angepasst werden müsse – obwohl die Bewerber auf Basis eines niedri­geren Werts in den Prozess einge­stiegen sind.

Paradoxe und exzessive Finanzierungsnachweise

Eine Bewerbung ist nur mit einer „unverbindlichen Finanzierungszusage“ einer Bank zulässig. Der Begriff ist ein Paradoxon: Entweder ist eine Zusage bindend – oder sie ist unverbindlich und damit wertlos. Für Selbstfinanzierer ist diese Anforderung nicht nur sinnlos, sondern verzerrt den Bewerberkreis.

Der Zwang erreicht seinen Höhepunkt spätestens vier Wochen vor der Beur­kundung: Dann verlangt die Stadt einen voll­ständigen Finan­zierungs­plan inklusive Tilgungs­plan für das gesamte Bau­vorhaben – ausgestellt von einer BaFin-regulierten Bank.

Dieses Prüfregime ist typisch für staatliche Förder­programme, nicht für einfache Grund­stücks­käufe. Private Käufer müssen ihre Finan­zierung bis zur letzten Rate dem Rathaus „offenlegen“, während die Stadt zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal den end­gültigen Kaufpreis nennen muss.

Weitere Pflichten ohne Augenmaß

Zusätzlich verschärft die Stadt die Bedingungen durch einen engen Katalog an Ver­pflich­tungen, der einem diszipli­nären Akt gleicht:

  • Bauzwang: Käufer müssen innerhalb von drei Jahren einzugsfertig bauen.
  • Baukostennachweis: Die Baukosten müssen schon beim Kauf benannt und später nachgewiesen werden.
  • Abschöpfung: Bei einem vorzeitigen Verkauf des Grundstücks innerhalb der drei Jahre schöpft die Stadt 70% des Mehrerlöses ab.
  • Fernwärmezwang: Zwang zum kosten­pflichtigen Anschluss an das städtische Fernwärme­netz – selbst wenn alter­native, günstigere Lösungen möglich wären. „Diese Anschluss­pflicht gilt unabhängig davon, ob später tat­sächlich ein Fern­wärme­bezug erfolgt“, heißt es wörtlich.
  • Solarzwang: Verpflichtende Errichtung und Betrieb einer Photo­voltaik­anlage mit Batterie­speicher; Strafzahlung bei Nicht-Errichtung: 22.000 Euro.

Das starr definierte Paket aus Pflichten drängt Käufer in die Rolle von Antrag­stellern, deren Bau­projekte jederzeit am Regelwerk scheitern können. Und all das ohne zumindest die Gegen­leistung eines ver­günstigten Kaufpreises.

Kontrast zur freien Wirtschaft

Der Kontrast zur freien Wirtschaft könnte nicht größer sein: Während die Stadt in zwei Jahren nicht ein einziges Grundstück vergeben konnte, hat der private Erschlie­ßungs­träger im selben Gebiet alle seine Baugrund­stücke im ersten Bau­abschnitt verkauft, viele davon sind bereits bebaut.

  • Privat: Fertig erschlossen, verkauft, bebaut.
  • Stadt: Gescheiterte Verfahren, neue Hürden, alte Fehler.

Dass die Stadt nun erneut mit Formularen, Online-Zwang, Bewertungs­listen und variablen Kosten arbeitet, anstatt mit klaren Preisen und trans­parenten Verträgen, zeigt eine Verwaltung, die aus einem Fehlstart keinen Lerneffekt gezogen hat. Wer mit der Haltung antritt, Käufer „zu prüfen“ und zu gängeln, statt sie als Partner ernst zu nehmen, darf sich nicht wundern, wenn sich der Fehlschlag des Erbbau­rechts nun im Kauf­geschäft wiederholt.

Die Stadt wäre gut beraten, ihre 16 Grundstücke en bloc an ein Fach­unter­nehmen zu verkaufen, das Ahnung in der Ver­marktung hat. Sonst bleibt das selbst erklärte Ziel, die schnelle Schaffung von Wohnraum, weiterhin Makulatur.

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